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Gut, dachte Colo, seinen Humor hat er noch.

»Was ist denn mit dir passiert?« fragte Ursa.

»Eine Art Erdrutsch hinten im Tunnel«, meinte sie knapp. »Nichts Schlimmes. Ich gewinne zwar heute kein Wettrennen mehr, aber ich kann laufen. Was ist mit dir?«

»Hunger. Schmerzen. Erschöpfung.« Seine dunklen Augen glänzten. »Aber noch am Leben!«

Im Gegensatz zu den anderen Zellen war seine mit zwei Reihen dicker Eisenstangen abgetrennt. Als Colo fest an den vordersten rüttelte, stellte sie fest, daß sie kaum zu zerbrechen waren. Zwischen den zwei Reihen Stangen stand ein etwa zwergenhoher Wassertrog, durch den ein schlammiges Rinnsal floß. Als Colo sich in Ursas Zelle umsah, entdeckte sie nur zwei Holzeimer, nicht einmal ein Feldbett.

»Ein Eimer für das Wasser, das sie bringen«, sagte Ursa finster, nachdem er ihre suchenden Augen bemerkt hatte, »und der andere für das, was ich ihnen dafür zurückgebe. Glaub mir, hier geht’s nicht raus.«

»Gibt es einen Schlüssel?« fragte sie, während sie sich verfluchte, weil sie den rostigen Ring zurückgelassen hatte. Nur die innere Reihe Stäbe schien eine Tür zu haben, ein schweres Metallstück ohne erkennbares Schloß.

»Pah!« schnaubte er. »Die Tür wird durch Zauberei geöffnet, und der einzige Mensch, der sie öffnen kann, ist ›die Herrin‹.«

»Lady Mantilla?«

»Ja«, sagte Ursa. »Sie ist verrückt und gefährlich. Kitiara, ist sie… ist sie bei dir?«

»Ja«, erwiderte Colo nervös. »Sie untersucht einen anderen Tunnel.«

»Du mußt sie finden und warnen«, drängte Ursa. »Sie stirbt als nächste. Ich bin nur deshalb noch am Leben, weil ich der Lady nicht gesagt habe, wer Kit ist oder wo sie steckt.«

Colo warf einen Blick über die Schulter, dann auf ihren blutigen, gequetschten Fuß. Sie fragte sich, wie sie Kit finden sollte, und wie schnell sie ihr folgen konnte. »Was ist da oben?« fragte Colo und zeigte die schmale Treppe hinauf.

»Weiß ich nicht genau«, antwortete Ursa, der gleichfalls Colos blutverkrusteten Fuß ansah und ihre Gedanken las. »Da kommt sie immer her.«

Als Colo ihm wieder in die Augen sah, hatte sie sich entschieden. »Hier ist praktisch alles verlassen. Ist sonst noch jemand da? Zauberer? Wir haben einen alten Mann getroffen, der von dieser Eisernen Garde geredet hat…«

»Sie hat eine Truppe Wachen«, warnte Ursa knapp. »Die sind hervorragend. Was die Zauberer angeht, so hat sie jede Woche einen neuen. Die werden bei ihr nicht alt.«

Colo streckte ihm eins von ihren Schwertern mit dem Heft voran durch die Gitterstäbe, dann hinkte sie zur Treppe. Ursa legte sein Gesicht an die inneren Stangen.

»Ich sag’s dir, Colo, sie ist gefährlich und wahnsinnig.«

»Ich kann auch gefährlich sein«, zwinkerte die kleine Frau ihm mutig zu, während sie langsam die Treppe hochstieg.

Kitiara erforschte ihren Tunnel. Er war ausreichend beleuchtet, doch es gab keine Abwechslung außer losem Geröll und Abfällen. Der Gang wurde ihr fast langweilig, weil es immer das gleiche war, und Kit kam schnell vorwärts. Sie trug die einzige Waffe, die ihr geblieben war, Becks Schwert.

Nach einer Weile bog der Tunnel nach links ab, wo eine kleine Treppe auf eine tiefere Ebene führte. Als sie nichts Bedrohliches sah, stieg Kit vorsichtig die Stufen hinunter. Die Decke war hier so niedrig, daß Kit sich bücken mußte, um nicht mit dem Kopf anzustoßen. Als der Gang weiterging, wurde die Decke sogar noch niedriger.

Schließlich war Kit gezwungen, auf die Knie zu gehen, um weiterzukommen. Es schien keine Gefahr zu geben außer der, einfach steckenzubleiben.

Als Kit die Höhe der Decke allmählich besorgniserregend fand, sah sie vor sich wieder einen Linksknick. Sie kroch um die Ecke und bemerkte einigermaßen erleichtert, daß die Decke wieder höher wurde und der Steingang zu einer weiteren kleinen Treppe nach unten führte. Diese endete in einem sauberen und größeren Tunnel. Und am Ende des Gangs stand eine riesige, abgedeckte Art Kiste, aus der ein deutliches Tappen und Schnüffeln kam.

Kit zögerte. Was mochte das sein? Sollte sie umkehren und Colo suchen?

Zuerst wollte sie es untersuchen.

Kit glitt langsam vorwärts. Das Licht hier war schwach, doch sie konnte sehen, daß die Riesenkiste in schweren schwarzen Samt gehüllt war.

Als Kit näher kam, wurden die Geräusche lauter, und hin und wieder erklang ein Brüllen, das sie erzittern ließ. Aber nichts griff sie an. Schließlich stand sie vor dem Ding, das ungefähr quadratisch war und doppelt so hoch wie sie. Kit bemerkte eine enge, steinerne Wendeltreppe, die steil nach oben führte und hinter der verhüllten Kiste in der linken Wand verschwand.

Kit lehnte sich nach vorne, berührte mit ihrem Schwert eines der Halteseile an der Seite und schlug es durch.

Als der schwarze Samt hochschnellte und dann um den Käfig – es war ein riesiger Holzkäfig – zu Boden sank, sprang sie zurück. In dem Käfig lief ein Tier herum, das ebenso groß und wild wie schön war: ein schwarzer Panther.

El-Navar!

Obwohl Kit den Karnuthier in seiner Panthergestalt erkannte, erinnerte sich El-Navar offenbar nicht an sie. Sobald der schwarze Vorhang sich hob, sprang das Tier gegen die Stäbe und fletschte seine scharfen Zähne. Seine Augen glühten, sein Fell war ungepflegt, und um das Maul stand Schaum.

Es gab zwei Reihen Stäbe hintereinander, weshalb Kit gefahrlos die äußeren Stäbe untersuchen konnte, ohne daß ihr der Arm abgebissen wurde. Sie bestanden aus einer Art dickem Rohr, ließen sich nicht biegen, und ihr Schwert konnte nur kleine Stückchen abschlagen.

Wieder warf sich der Panther brüllend vor Wut gegen die inneren Stäbe. Selbst auf die Entfernung von mehreren Fuß konnte Kit seinen heißen Atem fühlen. Der Angriff erschreckte sie, und sie wich zurück. Frustriert lief das mächtige Tier auf und ab, belauerte sie und peitschte dabei mit seinem langen, eleganten Schwanz.

War das wirklich der verführerische Karnuthier, mit dem sie ihre erste Liebesnacht verbracht hatte? Minutenlang starrte sie die Raubkatze an und dachte an jene Zeit, die nun schon so lange zurücklag.

Wenn bloß Raistlin hier wäre, dachte Kit. Er hätte gewußt, was zu tun war.

Noch während sie an Raistlin dachte, wanderte ihr Blick nach links, wo sich die steile Wendeltreppe nach oben schraubte. Nach einem mitleidigen Blick auf El-Navar – der immer noch wütend in dem Holzkäfig umherlief –, begann sie hinaufzusteigen.

15

Verlorene Liebe

Herein«, sagte eine Stimme. »Ich habe dich erwartet.«

Kitiara stieß die Tür weiter auf und betrat kühn den Raum.

Sie stand in einer großen, runden Halle in der Spitze des einzigen Turms von Schloß Mantilla, der in den Jahren des Irrsinns unversehrt geblieben war. Kit konnte nicht viel um sich herum erkennen – der Raum war finster, vor den wenigen Fenstern waren die Vorhänge zugezogen. Draußen war allerdings sowieso Nacht.

In der Mitte des Raums saß auf einem Stuhl mit hoher Lehne Lady Mantilla unter einem blassen Lichtkegel, dessen Quelle Kitiara nicht ausmachen konnte. Obwohl Kit die Frau deutlich erkennen konnte, fragte sie sich, ob ihre Gegnerin sie hier in den Schatten genausogut sah.

Säuberlich aufgereiht stand hinter Lady Mantilla die gefürchtete Eiserne Garde – vier Wachen, um genau zu sein. Sie steckten von Kopf bis Fuß in schwerer Rüstung, die nur Schlitze für Augen, Nase und Mund hatte. Jede hielt ein juwelenbesetztes Schwert. Fast feierlich standen sie da, starr wie Statuen. Insgeheim fragte sich Kit, ob sie sich überhaupt rühren konnten.

Auf einer Seite saß auf einem verblichenen Thron ein dicker Zauberer, dessen zinnoberroter Umhang sein Gesicht verbarg. Auch er bewegte sich nicht, schien Kitiara jedoch vorwurfsvoll anzustarren. Während sie in den Raum hineinging, versuchte Kit, ihn im Auge zu behalten, weil sie vor seiner Magie auf der Hut sein mußte.

Der Raum war unnatürlich kalt und trocken. Wenn Kitiara einen Schritt machte, war das Knirschen unter ihren Füßen überall zu hören.