»Das war knapp!« sagte Trautman. Auch er sah sich immer wieder um, was Mike klarmachte, daß auch er sich nicht sicher fühlte.
»Es tut mir leid«, sagte Mike kleinlaut. »Ich... ich wollte das nicht sagen. Aber als ich Winterfeld erkannt habe –«
»Bist du sicher, daß er es war?« fragte Trautman. »Ganz sicher«, bestätigte Mike. Er hatte ihn allerhöchstens eine Sekunde gesehen, aber es gab überhaupt keinen Zweifel – der Mann in der schwarzen Jacke war Winterfeld gewesen. »Ich weiß, ich hätte mich beherrschen sollen, aber –«
»Es ist nicht deine Schuld«, unterbrach ihn Trautman. »Stanley hätte uns sowieso aufgehalten. Der Mann ist mißtrauisch. Und er ist nicht dumm. Er hat uns kein Wort geglaubt. Keine Angst – er wird uns nicht einholen. Bevor sein Schiff hier ist, sind wir längst meilenweit weg. « Er bemühte sich, optimistisch zu klingen, aber sein Gesichtsausdruck war sehr ernst. »Was mir Sorgen bereitet, ist Winterfeld«, sagte er. »Was macht er hier?«
»Ich frage mich vielmehr, was diesebeidenMänner hier tun«, sagte Serena. »Stimmt es, was Mike über den Ort erzählte? Daß er ganz unbedeutend sein soll?« »Das dürfte noch geschmeichelt sein«, antwortete Trautman.
»Aber es kann nicht stimmen«, widersprach Serena. »Nicht wenn sie beide hier sind. « Trautmans Gesicht verdüsterte sich noch weiter. »Ja«, murmelte er. »Das scheint mir auch so. Aber keine Sorge – wir werden es herausfinden, sobald wir wieder auf der NAUTILUS sind. Und wir –«»Still!«Serena hob hastig die Hand und legte den Kopf auf die Seite. Trautman verstummte mitten im Wort, und auch Mike lauschte angespannt. Nach einer Sekunde hörte er es auch: In das Geräusch der Brandung und das Dröhnen ihres Motors hatte sich ein neuer Laut gemischt. Ein tiefes Summen, das rasch lauter wurde. Mike vermochte nicht zu sagen, was es bedeutete, aber es gefiel ihm nicht.
Auch Trautman schien das Geräusch zu beunruhigen, denn er erhöhte ihr Tempo. Die Sicht betrug vielleicht zehn oder fünfzehn Meter. Sie waren viel zu schnell, um irgendeinem Hindernis, das unversehens vor ihnen auftauchen mochte, noch rechtzeitig auszuweichen. Mike schickte ein Stoßgebet zum Himmel, daß ihre Flucht nicht an einem Riff oder einer Sandbank enden mochte, die sie auf dem Weg hierher übersehen hatten. Aber er beruhigte sich damit, daß Trautman ein ausgezeichneter Steuermann war, der wußte, was er tat.
Sie liefen auf kein Riff, und es vergingen auch nur noch einige wenige Sekunden, bis der Nebel ein wenig auflockerte. Die grauen Schwaden lösten sich nicht ganz auf, aber sie konnten wenigstens wieder etwas weiter sehen. Was Mike allerdingsnichtausmachen konnte, das war die NAUTILUS. »Wo ist das Schiff?« fragte er alarmiert. »Keine Sorge«, antwortete Trautman. »Singh weiß, was er tut. Wenn wir ihn nicht finden, dann findet er uns. « Mike hoffte inständig, daß es so war. Trautman hatte sicher recht – es würde eine geraume Weile dauern, bis Stanley Kontakt mit seinem Schiff aufgenommen hatte und die GRISSOM hier sein konnte. Andererseits saßen sie in einem winzigen Boot, und ihr Treibstoffvorrat war beschränkt, vor allem bei dem mörderischen Tempo, das Trautman vorlegte. Sie konnten sich nicht ernsthaft einreden, ein Wettrennen mit einem ausgewachsenen Zerstörer zu gewinnen.»Da!«schrie Serena plötzlich.»Seht doch!«Ihre Hand wies nach hinten. Mike drehte sich hastig im Boot herum – und schrie vor Schreck laut auf. Das Summen war lauter geworden und mittlerweile fast zu einem Dröhnen angewachsen. Es kam von einem graugestrichenen, schlanken Boot, das hinter ihnen aus dem Nebel aufgetaucht war, viel größer als ihr eigenes – aber nicht nennenswert langsamer. Ganz im Gegenteiclass="underline" Mike registrierte mit einem Gefühl eisigen Entsetzens, daß ihr Vorsprung allmählich zusammenschmolz. Offensichtlich hatten sie Stanley unterschätzt. Der Kapitän hatte sich nicht allein auf die GRISSOM verlassen, die irgendwo, vielleicht meilenweit entfernt, vor Anker lag. Das Schnellboot mußte ganz in der Nähe des Hafens gewartet haben, ebenso wie die NAUTILUS im Nebel verborgen, so daß sie es auf dem Weg zur Küste nicht einmal gesehen hatten. Trautman fluchte und erhöhte ihre Geschwindigkeit noch einmal. Das Boot machte einen regelrechten Satz und flog nun wie ein flach geworfener Stein über das Wasser, und obwohl auch ihr Verfolger noch einmal kräftig an Geschwindigkeit zulegte, wuchs ihr Vorsprung wieder.
Der Nebel lichtete sich weiter, und endlich sahen sie die NAUTILUS. Das Tauchboot befand sich noch eine gute Meile entfernt, und Mike registrierte voller Entsetzen, daß die Turmluke offen stand und sich die gesamte Besatzung an Deck aufhielt. Er begann zu schreien und mit beiden Armen zu gestikulieren, obwohl er selbst wußte, wie wenig das nutzte. Sie waren viel zu weit entfernt, um gehört zu werden. Erfüllt von einem Gefühl der Furcht, das einer Panik nahe kam, blickte er wieder zu ihrem Verfolger. Das Schnellboot war weiter zurückgefallen, aber nun sah er etwas, was ihm bisher entgangen war: Das Schnellboot war nicht nur ein Schnellboot – es war zugleich auch ein Kanonenboot. Auf dem Vorderdeck befand sich ein bisher unter einer Segeltuchplane verborgenes Geschütz, das nun von zwei Männern hastig freigelegt wurde. Mike zweifelte, daß sie bei dem Tempo, mit dem das Schiff durch die Wellen pflügte, einen gezielten Schuß abgeben konnten, aber allein der Anblick der Kanone, die sich auf sie richtete, ließ sein Herz schneller schlagen.
Er sah wieder zur NAUTILUS hinüber. Dort hatte man gottlob mittlerweile ebenfalls ihre Verfolger bemerkt. Singh und die anderen hasteten mit gewaltigen Schritten auf den Turm zu, und es verging nicht einmal eine Minute, bis das Wasser hinter dem Heck der NAUTILUS zu sprudeln begann. Offensichtlich hatte Singh zumindest nicht den Fehler begangen, die Maschinen ganz abzustellen.
Ein dumpfer Knall wehte über das Meer, und nur einen Augenblick später schoß eine zwanzig Meter hohe Wassersäule rechts von ihnen in die Höhe. Der Schuß lag daneben, aber er zeigte Mike auch, daß ihre Verfolger entschlossen waren, sie unter allen Umständen aufzuhalten; koste es, was es wolle.
Trautman fluchte erneut und versuchte, noch mehr Geschwindigkeit aus dem Motor herauszuholen, aber die kleine Maschine war an den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit angelangt. Das Kanonenboot feuerte ein zweites Mal. Diesmal schlug die Granate beunruhigend nahe bei ihrem Boot ein, aber das war wohl nur ein Zufall – der nächste Treffer lag wieder weit vor ihnen im Wasser. Und der vierte Schuß noch weiter. Und dann hatte Mike das Gefühl, von einer eisigen Hand berührt zu werden. »Großer Gott!« flüsterte er. »Sie feuern auf die NAUTILUS!« Wie um seine Worte zu bestätigen, gab die Kanone des Schnellbootes einen weiteren Schuß ab. Die Explosion zerriß die Wasseroberfläche nur wenige Meter vom Heck der NAUTILUS entfernt. Das ganze Schiff schwankte.
Aber auch Singh hatte die Gefahr erkannt. Die NAUTILUS setzte sich in Bewegung. Die nächste Granate verfehlte sie wieder um weit mehr als hundert Meter, und dann stellten die Männer auf dem Schnellboot das Feuer ein; wahrscheinlich, weil sie begriffen hatten, daß ein gezielter Schuß bei ihrem Tempo nicht möglich war, und sie nicht genug Munition hatten, um auf einen Zufallstreffer hoffen zu können. »Hält sie einen direkten Treffer aus?« fragte Mike nervös.
»Ich hoffe«, antwortete Trautman. »Aber keine Angst – sie erwischen uns nicht. «
Die NAUTILUS war mittlerweile herumgeschwenkt und hatte mehr Fahrt aufgenommen. Sie war jetzt fast so schnell wie sie selbst und wurde immer noch schneller, und eine einzige, aber gräßliche Sekunde lang mußte sich Mike mit aller Macht gegen den Gedanken wehren, daß Singh und die anderen vielleicht in Panik geraten waren und sie hier zurückließen. Natürlich war das unvorstellbar. Singh würde sie niemals im Stich lassen, das wußte er. Er hatte irgend etwas vor – aber es vergingen endlose Sekunden, bis Mike begriff, was. Die NAUTILUS lief nun genau vor ihnen her. Sie wurde jetzt wieder langsamer; nicht viel, aber doch genug, daß sich der Zwischenraum zwischen ihr und dem heranrasenden Boot allmählich wieder verringerte. Und endlich verstand er Singhs Plan – und es sträubten sich ihm schier die Haare.