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»Das wirst du wissen, wenn es passiert«, antwortete Trautman. Er klang jetzt wieder nervös. Aufmerksam beobachtete Mike den Zerstörer, der sichtbar hinter ihnen zurückzufallen begann, warf aber trotzdem ab und zu einen Blick nach vorne. Nach ein paar Sekunden bemerkte er etwas, was ihn verwirrte: Trautman hatte den Kurs abermals geändert und steuerte das Schiff nun wieder parallel zur Küste, statt das offene Meer anzulaufen, wie Mike erwartet hatte. Er sah wieder zur GRISSOM zurück – und im selben Augenblick begriff er voller Entsetzen, was Trautman gemeint hatte.

Der Zerstörer fiel immer schneller zurück, jetzt, wo die NAUTILUS mehr und mehr Fahrt aufnahm, aber abgesehen von seiner Größe und Schnelligkeit gab es noch einen Unterschied zwischen dem Zerstörer und dem Kanonenboot, das sie zuerst verfolgt hatte: Die GRISSOM verfügte über wesentlich mehr Geschütze, und sie waren von größerem Kaliber und hatten eine sehr viel größere Reichweite. Mikes Herz schien einen Schlag zu überspringen, als er sah, wie sich zwei der Geschütztürme langsam in ihre Richtung drehten.

»Trautman!« krächzte er.

»Ich weiß«, antwortete Trautman, ohne aufzusehen. »Aber wir schaffen es, keine Angst. « Vom Deck der GRISSOM stiegen zwei weiße Rauchwolken auf. Augenblicke später hörte Mike ein schrilles Heulen, das rasend schnell näher kam. Einer der beiden Schüsse verfehlte die NAUTILUS um fast eine viertel Meile, aber die zweite Granate explodierte so nahe, daß das Schiff sich ächzend auf die Seite legte und eine gewaltige Woge den Turm überspülte. Mike hielt sich hastig am Türrahmen fest, während Trautman mit verbissener Kraft das Steuerruder umklammert hielt.

Schritte polterten die Treppe herauf. Ben stolperte mit angstverzerrtem Gesicht in den Turm und wäre beinahe gegen Trautman geprallt, hätte Mike ihn nicht im letzten Moment zurückgerissen. »Was ist passiert?« stammelte Ben. »Wieso – o Gott!« Seine Augen wurden groß, als er die GRISSOM erblickte. »Das ist das Ende!«

»Keine Angst«, sagte Trautman. »Wir müssen noch eine Salve überstehen, dann sind wir in Sicherheit. Wir schaffen es!« Er deutete mit einer Kopfbewegung zur Küste. Nicht weit vor ihnen erhob sich ein gewaltiger Felsen, der ein gutes Stück weit ins Meer hineinragte. Offenbar hatte er vor, die NAUTILUS nahe genug an diesen Felsen heranzusteuern, um ihn als Schutz zwischen sich und die GRISSOM zu bringen. Und der Plan konnte aufgehen, dachte Mike. Bis der Zerstörer den Felsen erreicht und umrundet hatte, waren sie außer Schußweite. Und wenn sie erst einmal auf offener See und in Sicherheit waren, konnten sie sich in aller Ruhe um die Schäden kümmern, die die NAUTILUS davongetragen hatte.

»Wenn wir nur wüßten, was kaputt ist!« stöhnte Mike. Plötzlich erschrak er und fuhr zu Ben herum. »Haben wir ein Leck?«

»Nein«, antwortete Ben. »Das dämliche Ding taucht einfach nicht, das ist alles!« »Wahrscheinlich ist nur das Tiefenruder verklemmt«, sagte Trautman. »Eine Kleinigkeit. Sobald wir in Sicherheit sind –

festhalten!«

Das letzte Wort hatte er geschrien, aber es ging trotzdem fast im Dröhnen der Explosion unter, die das Meer nur wenige Meter vor der NAUTILUS auseinanderriß. Mike und Ben wurden von den Füßen und gegeneinander geschleudert, als sich die NAUTILUS wie ein waidwundes Tier aufbäumte und dann mit einem ungeheuren Krachen wieder ins Wasser zurückfiel. Als Mike sich benommen aufrichtete, hatten sie den Felsen fast erreicht. Zwei oder drei Sekunden lang sah er nichts als eine mächtige graue Wand, die so nahe vor dem Fenster vorüberglitt, daß er auf das Scharren von Metall wartete und auf das schreckliche Geräusch berstender Rumpfplatten. Trautman ging ein ungeheures Risiko ein, das Schiff so nahe an dem Hindernis vorbeizusteuern – aber jede Sekunde, die sie gewannen, konnte buchstäblich über Leben und Tod entscheiden. Und der furchtbare Schlag, auf den sie warteten, blieb aus. Plötzlich war der Felsen nicht mehr da, sondern wieder offenes Meer, und die NAUTILUS schien wie ein von der Kette gelassener Jagdhund loszuspringen und –

Der Anblick war so grotesk, daß Mike vollkommen fassungslos das riesige, graugestrichene Kriegsschiff ansah, das nicht einmal eine halbe Meile vor ihnen lag. »Großer Gott!« flüsterte Trautman. Auch er schien vollkommen gelähmt zu sein. Für einen endlosen Augenblick stand er einfach da und starrte das Schiff an, dann begann er wie besessen am Ruder zu drehen und griff mit der anderen Hand nach dem Sprechgerät.»Singh! Maschinen stop! Volle Kraft zurück!«Und dann überschlugen sich die Ereignisse förmlich. Ben schrie. Trautman brüllte Singh ununterbrochen zu, kehrtzumachen, und die NAUTILUS bebte und schwankte wie ein kleines Segelboot im Sturm. Die Maschinen der NAUTILUS brüllten auf und versuchten die rasende Fahrt zu stoppen, aber das Schiff schoß noch immer pfeilschnell auf den wartenden Kreuzer zu, der das Meer vor ihnen blockierte, und Mike war nun endgültig davon überzeugt, daß ihrer aller Tod bevorstand. Sie waren zu schnell. Und das Schiff war einfach zugroß,um es wie ein kleines Motorboot herumzuwerfen und dem Hindernis auszuweichen. Sie mußten unweigerlich gegen den Kreuzer prallen und daran zerschellen.

Aber irgendwie schaffte es Trautman. Weder Mike noch Ben

–und wahrscheinlich nicht einmal Trautman selbst – hätten hinterher sagen können, wie es ihm gelungen war, aber der tödliche Zusammenstoß blieb aus. Die NAUTILUS wurde langsamer. Der Bug tauchte tief in die schäumende See ein und schwenkte dabei wieder herum, und schließlich kam das Schiff zur Ruhe–keine zwanzig Meter vor dem Kreuzer entfernt und jetzt parallel zu ihm liegend, so daß der Bug mit dem Rammsporn wieder auf das offene Meer hinauswies. Ihre Lage kam Mike wie eine böse Ironie des Schicksals vor. Die Freiheit lag in Fahrtrichtung vor ihnen, nur wenige hundert Meter und einige Minuten entfernt, aber ebensogut hätten sie sich auch im Zentrum der britischen Kriegsflotte befinden können. Der Kreuzer hatte sämtliche Geschütze auf die NAUTILUS gerichtet, und Mike war sicher, daß sie das Feuer eröffnen würden, wenn sich das Schiff auch nur rührte. Und aus dieser geringen Distanzkonntensie gar nicht danebenschießen.

»Moment mal«, sagte Ben plötzlich. »Das... das gibt es doch nicht!« »Was?« fragte Mike.

Ben begann plötzlich mit beiden Händen zu gestikulieren. »Bist du denn blind?« rief er. »Siehst du das etwa nicht? Das ist eindeutsches Schiff!«

Mikes Augen weiteten sich ungläubig, während sein Blick über die Flanke des gewaltigen Schiffes glitt, das neben ihnen lag. Er starrte die Flagge mit dem weißen Balkenkreuz auf schwarzem Grund an, und dann die Uniformen der Matrosen, die hinter den Geschützen oder mit angelegten Gewehren an der Reling standen, und er wußte, daß Ben recht hatte – aber er weigerte sich für einen Augenblick einfach noch, es zu glauben. »Das... das darf doch nicht wahr sein!« jammerte Ben. »Vermutlich gibt es in der ganzen deutschen Flotte nur einen Kapitän, der wahnsinnig genug ist, direkt die englische Küste anzulaufen, und wir laufen ausgerechnet ihm in die Arme. « Plötzlich wurde er noch blasser, als er ohnehin schon war. Mit einer entsetzten Bewegung fuhr er zu Trautman herum. »Fahren Sie los!« keuchte er. »Mein Gott, Trautman, wissen Sie, was passiert, wenn die GRISSOM hier auftaucht?! Sie... sie werden auf der Stelle übereinander herfallen, und wir sind mitten zwischen ihnen! Wir werden in Stücke geschossen!«

Trautman sah ihn nur traurig an. Sein Gesicht war grau geworden, und plötzlich sah er unendlich müde und alt aus. Er