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Brockmann schwieg. Sein Gesicht blieb unbewegt, aber die Jungen konnten regelrecht sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Aber schließlich schüttelte er wieder den Kopf. »Nein«, sagte er. »Das ist absurd. « »Immerhin«, schlug Stanley vor, »könnten wir die Suche noch eine Weile fortsetzen. Wir bringen sie auf Ihr Schiff und lassen eine Mannschaft auf der NAUTILUS zurück. Die GRISSOM könnte dem ursprünglichen Plan folgen und sich vor der Hafeneinfahrt auf die Lauer legen. Was haben wir schon zu verlieren?« »Meine Befehle lauten anders«, sagte Brockmann stur. Ben lachte ganz leise. »Paßt auf«, sagte er, »jetzt fangen sie gleich doch an, sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Ich wette, die beiden überlegen schon angestrengt, wie sie sich die NAUTILUS jeweils allein unter den Nagel reißen können. «

Er hatte laut genug gesprochen, damit Brockmann und Stanley seine Worte verstehen konnten.Brockmann musterte ihn nur kühl, während Stanley zu Mikes Überraschung plötzlich nickte.

»Das könnte in der Tat ein Problem werden«, sagte er. »Aber ich denke, wir finden auch dafür eine Lösung. Sobald wir die NAUTILUS in einen Hafen geschleppt und sie alle den Behörden übergeben haben, heißt das. « Er machte eine unwillige, befehlende Geste. »Abführen!«

Sie wurden an Bord des deutschen Kreuzers gebracht, und obwohl man sie mit ausgemachter Höflichkeit behandelte, wurden sie gründlich nach Waffen durchsucht und einzeln eingesperrt, jeder für sich in eine winzige, vollkommen leere Kabine, in der es nicht einmal einen Stuhl gab, sondern nur ein Bett und einen am Boden verschraubten Tisch. Die Tür hatte innen keine Klinke, und das runde Fenster war sorgsam mit einer Sperrholzplatte verschlossen. Das Licht kam aus einer nackten Glühbirne, die unter einem ziemlich stabil aussehenden Drahtgitter unter der Decke angebracht war. Im Vorbeigehen hatte Mike bemerkt, daß die Unterkünfte der anderen auch nicht anders aussahen. Offensichtlich war das Schiff dafür vorbereitet gewesen, Gefangene aufzunehmen. Leider hatten sie nur die Falschen erwischt. Mike hätte vor Enttäuschung und Wut heulen können. Er machte sich nicht einmal besonders große Sorgen wegen der Anschuldigungen, die Stanley vorgebracht hatte. Sie waren einfach lächerlich – wenn man ihnen nur die Gelegenheit dazu gab, würden sie beweisen können, daß sie nichts mit den Überfällen auf Schiffe und Häfen zu tun hatten. Spätestens wenn die LEOPOLD das nächste Mal zuschlug, würde selbst Brockmann eingestehen müssen, daß sie das falsche Wild erlegt hatten. Aber das bedeutete auch, daß Winterfeld weiter ungestört sein Unwesen treiben und weitere

Verbrechen begehen konnte. Und daß weitere Menschen sterben würden.

Aber das war längst nicht alles. Mike hatte den Gedanken zwar bisher erfolgreich verdrängt, doch nun, als er allein mit sich und seinen düsteren Grübeleien war und mißmutig auf der harten Pritsche hockte, kam er wieder, und diesmal gelang es ihm nicht mehr, die Augen davor zu verschließen: Sie würden die NAUTILUS verlieren. Selbst wenn sie ihre Unschuld beweisen konnten und alle Anschuldigungen fallengelassen wurden, würde man ihnen das Schiff wegnehmen. Sie hatten sich länger als ein Jahr erfolgreich vor dem Rest der Welt versteckt, weil sie alle ganz genau gewußt hatten, was geschehen würde, sollte die Existenz der NAUTILUS jemals bekannt werden. Sie würden ihnen das Schiffwegnehmen, und als Mike an diesem Punkt seiner Überlegungen angelangt war, da war er plötzlich auch gar nicht mehr so sicher, daß man siewirklichlaufenlassen würde. Dieses Schiff stellte einen unvorstellbaren Schatz dar. Allein das Wissen um seine Existenz brachte sie alle in Lebensgefahr. Mike glaubte zwar nicht daran, daß man sie tatsächlichumbringenwürde, aber zwischenumbringen und freilassenlagen viele andere unerfreuliche Möglichkeiten. Eine davon war zum Beispiel, daß sie alle den Rest ihres Lebens an einem ungemütlichen Ort verbringen mochten – einem Ort, der diesem hier ähnelte, mit Türen ohne Klinken und Fenstern, die sich nicht öffnen ließen... Nachdem er zehn Minuten lang gegrübelt hatte, war er überzeugt davon, daß es so kommen mußte. Nach weiteren zehn Minuten war er wild entschlossen, zu fliehen. Und nachdem abermals zehn Minuten verstrichen waren, gab er diesen Plan zumindest für den Moment wieder auf. Er hatte seine Kabine Zentimeter für Zentimeter durchsucht, und das Ergebnis dieser Untersuchung war so einfach wie deprimierend: Es gab keinen Fluchtweg. Das Brett vor dem Fenster war mit einem Dutzend Schrauben befestigt, an denen er sich die Hälfte seiner Fingernägel abgebrochen hatte, ohne auch nur eine davon lockern zu können, und die Tür bestand ebenso wie Wände, Decke und Fußboden aus massivem Stahl, der selbst einem Kanonenschuß standgehalten hätte. Er hatte auch versucht, mit Astaroth Kontakt aufzunehmen, aber keine Antwort erhalten. Der Kater war auf der NAUTILUS zurückgeblieben, und vermutlich waren sie zu weit von ihr entfernt, um ihn telepathisch zu erreichen.

Mike war der Verzweiflung nahe. Es war nicht das erste Mal, daß er sich in einer scheinbar ausweglosen Lage befand, aber er hatte das ungute Gefühl, daß sie diesmal nicht nurscheinbarausweglos war – selbst wenn es ihm gelungen wäre, seine Kabine irgendwie zu verlassen, so gab es draußen vor der Tür einen Posten, und außerdem wimmelte das Schiff nur so von Soldaten. Ein nagender Zorn auf Winterfeld machte sich in ihm breit. Dieser Mann schien so etwas wie ein Fluch zu sein, der sein ganzes Leben überschattete. Alles hatte mit ihm angefangen, und nun schien es auch zumindestdurchihn zu enden. Mike zweifelte im Grunde nicht daran, daß irgend jemand früher oder später die LEOPOLD aufbringen und Winterfelds Treiben ein Ende setzen würde, aber für sie war es auf jeden Fall zu spät. Wenn auch auf gänzlich andere Weise, als er vorgehabt hatte, so hatte Winterfeld am Ende sein Ziel

doch erreicht: ihnen die NAUTILUS wegzunehmen. Auf diese

Weise verging eine Stunde, dann eine zweite.

Mike schrak irgendwann kurz aus seinen Gedanken hoch und stellte fest, daß sich der Boden unter ihm zu bewegen begonnen hatte. Das Schiff hatte Fahrt aufgenommen, und nun würde es nicht mehr lange dauern, bis sie irgendeinen englischen Hafen erreichten. Doch es sollte anders kommen.

Mike konnte nicht sagen, wie lange er so dasaß und sich seine Zukunft in den schwärzesten Farben ausmalte, aber plötzlich begann sich etwas im gleichmäßigen Schaukeln des Schiffes zu verändern, und zugleich klang das Geräusch der Maschinen anders. Mike fuhr erschrocken hoch, als plötzlich ein schrilles nervtötendes Geräusch durch seine Kabine gellte. Das Heulen der Alarmsirene. Irgend etwas Unvorhergesehenes war passiert.