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Ihre Begleiter ließen ihnen Zeit, sich umzusehen, gestatteten aber nicht, daß sie stehenblieben, so daß sie schon nach wenigen Augenblicken wieder zurück ins Innere des Schiffes traten und die Treppe zur Brücke hinaufgingen. Trotzdem reichte das für Mike, festzustellen, daß die NAUTILUS noch immer im Schlepptau hinter dem Kriegsschiff lag. Der Anblick gab ihm einen tiefen, schmerzhaften Stich. Die Rettung war so nahe und trotzdem unerreichbar.

Winterfeld erwartete sie wie üblich in seiner Kabine, und er war nicht allein. Als sie eintraten, stand er zusammen mit zweien seiner Männer über eine riesige Karte gebeugt da, die seinen ganzen Schreibtisch beanspruchte. Mike warf einen neugierigen Blick darauf, aber was er sah, verwirrte ihn völlig. »Ah, unsere Gäste!« begrüßte sie Winterfeld – mit einem Lächeln und in einem fröhlichen Ton, der der Situation überhaupt nicht angemessen schien. Er nickte den beiden Männern zu seiner Rechten zu, woraufhin diese schweigend die Kabine verließen. »Bitte, sucht euch irgendwo einen Platz«, sagte er. »Und verzeiht das Durcheinander. Ich hasse nichts so sehr wie Unordnung, aber leider sind wir hier ein wenig eingeschränkt, was Platz angeht. « Keiner von ihnen rührte sich

– außer Serena, die sich suchend umsah und dann kurzerhand einen Stapel Papier von einem Stuhl fegte, um sich darauf niederzulassen. Winterfeld sah sie einen Moment lang stirnrunzelnd an, zuckte aber dann nur die Achseln und fuhr im selben fröhlichen Ton fort: »Nun, ich hoffe, die Bedenkzeit, die ich Ihnen gewährt habe, hat ausgereicht. Sind Sie zu einem Schluß gekommen?« »Ja«, sagte Stanley böse. »Nämlich zu dem, daß Sie komplett verrückt sind, Winterfeld. Aber dazu hätte ich keine vier Tage gebraucht. «

»Denken Sie ebenso?« Winterfeld nahm die Beleidigung

sichtlich ungerührt hin und wandte sich an Brockmann.

»Nicht ganz«, antwortete der deutsche Kapitän. »Aber die Antwort auf die Frage, ob ich mit Ihnen gemeinsame Sache gegen mein Vaterland machen will, lautet nein – wenn es das ist, was Sie wissen wollen. « Winterfeld seufzte. »Es tut mir leid, wenn Sie es so sehen«, sagte er. »Die Wahrheit ist, daß ich weder gegen unser noch gegen das Land unseres britischen Kameraden vorgehen will oder gegen irgendein anderes. Mein einziger Feind ist der Wahnsinn, der im Augenblick von der ganzen Welt Besitz ergriffen hat. Und Sie, Herr Trautman, und Ihre Freunde?«

Trautman zögerte, sofort zu antworten. Sein Blick glitt wieder über die aufgehängten Karten und Tabellen, und er sah plötzlich wieder besorgt und erschrocken drein wie beim ersten Mal, als sie hiergewesen waren.

Vor allem die große Karte, die auf Winterfelds Schreibtisch lag, schien ihn zu beunruhigen. Mike fragte sich, ob er darin vielleicht mehr sah als er und die anderen. »Wenn ich wirklich wüßte, daß Sie diesen Krieg beenden könnten, würde ich zustimmen«, sagte er schließlich. »Aber das kann niemand. Auch Sie nicht. « »Und wenn ich es Ihnen beweise?« fragte Winterfeld. Trautman schüttelte den Kopf. »Ich glaube, ich weiß, was Sie vorhaben«, sagte er. »Es wird nicht funktionieren, glauben Sie mir. «

Mike blickte Trautman aus großen Augen an, und auch auf den Gesichtern der anderen spiegelten sichÜberraschung und Unglauben. »Sie wissen, was er vorhat?« fragte Stanley.

Trautman ignorierte ihn. »Seien Sie vernünftig, Winterfeld«, sagte er. »Es kann nicht funktionieren – und selbst wenn, hieße es, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben. «

»Wovon zum Teufel reden Sie überhaupt?« fuhr Stanley auf. »Sie wissen, was dieser Kerl vorhat? Wenn es so ist, wieso haben Sie es uns nicht gesagt? Machen Sie am Ende doch gemeinsame Sache mit ihm?« Trautman wollte antworten, aber Winterfeld unterbrach ihn mit einer Geste und wandte sich selbst an Stanley. »Ich muß Sie noch einmal bitten, die Form zu wahren, Kapitän Stanley«, sagte er, nun nicht mehr so freundlich wie bisher. »Sie werden gleich alles erfahren. Aus keinem anderen Grund sind wir schließlich hier. Aber zuerst möchte ich noch die anderen befragen. « Mikes Herz begann schneller zu klopfen, als sich Winterfelds Blick nun auf ihn konzentrierte. Der Kapitän der LEOPOLD sagte nichts, aber das war auch gar nicht nötig. Mike hatte das Gespräch, das sie vor vier Tagen geführt hatten, nicht vergessen. »Ich kann es nicht«, sagte er leise. »Ich kann meine Freunde nicht verraten. «

»Du würdest ihr Leben damit retten«, sagte Winterfeld ernst.

»Sagten Sie nicht, daß uns nichts passieren würde?« Winterfeld lächelte, aber es war kein fröhliches Lächeln. »Ich sagte, daß euchvon mirkeine Gefahr droht«, antwortete er. »Und das ist die Wahrheit. Aber ich kann euch nicht garantieren, daß ihr davonkommt. Ich will ganz offen sein. Zu dem, was ich vorhabe, brauche ich die NAUTILUS. Meine Ingenieure haben das Schiff in den letzten Tagen gründlich untersucht, und sie sind sicher, daß sie es steuern können.Ichbin dessen nicht so sicher wie sie. Ich fürchte, das Schiff könnte beschädigt werden, vielleicht sogar zerstört. Das muß nicht sein. Ich habe nichts gegen euch, Mike. Das hatte ich nie – auch wenn ich nicht von dir erwarte, daß du mir glaubst. Mein Angebot gilt nach wie vor: Helft mir, meine Pläne zu verwirklichen, und ich lasse euch gehen. Miteurem Schiff. « Er hob die Hand, als Mike antworten wollte. »Überlegt es euch gut. Ich frage nicht noch einmal. «

»Vielleicht hätten Sie endlich die Güte, uns mitzuteilen, was Sie überhaupt vorhaben«, sagte Stanley scharf. Winterfeld lächelte wieder. »Selbstverständlich. Obwohl ich mich ein wenig wundere, daß Sie nicht schon von selbst darauf gekommen sind. Herr Trautman jedenfalls hat es offensichtlich begriffen. Ich werde die Welt zwingen, den Krieg zu beenden. Auf eine ganz einfache Art und Weise. Im Grunde haben Sie mir vorgemacht, wie es geht. «

»Wir?« fragte Stanley. Brockmann sah Winterfeld nur schweigend an, aber auch in seinem Gesicht arbeitete es. Er blickte immer wieder zu der Karte vor Winterfeld, und Mike war jetzt fast sicher, daß er ebenso wie Trautman begriffen hatte, wovon Winterfeld sprach. »Sie«, bestätigte Winterfeld und deutete auf Brockmann und Stanley. »Sie beide entstammen feindlichen Nationen. Sie sind Soldaten zweier Länder, die im Krieg miteinander liegen – und doch haben Sie sich zusammengetan, um gegen einen gemeinsamen Feind vorzugehen, nicht wahr?«

»Ich verstehe«, sagte Stanley spöttisch. »Sie wollen eine Flotte von Piratenschiffen aufbauen, die Europa bedroht. Wer hilft Ihnen noch dabei? Dschingis-Khans Horden? Oder vielleicht die Marsmenschen?« »Ich hoffe, das ist nicht der vielgerühmte englische Humor«, sagte Winterfeld. »Wenn ja, wird er hoffnungslos überschätzt. Aber um Ihre Frage zu beantworten: Nein, das habe ich nicht vor. Aber ich werde diesen Wahnsinnigen in Europa einen Feind gegenüberstellen, der sie zwingt, zusammenzuarbeiten. Ob sie es wollen oder nicht. Glauben Sie mir – in wenigen Tagen schon wird niemand mehr auch nur daran denken, auf seinen Nachbarn zu schießen. « »Und wieso nicht?« fragte Stanley. »Weil jedermann in Nordeuropa dann damit beschäftigt sein wird, irgendwie am Leben zu bleiben«, antwortete Trautman an Winterfelds Stelle. Er deutete auf die Karte. »Sehen Sie sich die Karte an, Stanley. Erkennen Sie sie?«