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»Sinnlos«, flüsterte Trautman niedergeschlagen. »Wir sinken weiter. Nicht mehr ganz so schnell, aber noch immer schnell genug. Wir haben allerhöchstens eine Minute gewonnen. «

Mike unterdrückte ein enttäuschtes Stöhnen. Er sah nach draußen und versuchte den Meeresboden zu erkennen, aber unter ihnen war nichts als Schwärze. Plötzlich sog Stanley scharf die Luft ein. »Die Torpedos!« sagte er.

Trautman blickte auf. »Was soll damit sein?« »Sie funktionieren doch noch, oder?« Trautman nickte. »Sicher! Aber was soll's? Soll ich die LEOPOLD torpedieren? Dann fliegen wir mit in die Luft. «

»Sie funktionieren nach demselben Prinzip wie unsere Torpedorohre, oder?« fragte Stanley. Trautman nickte abermals, und der Kapitän fuhr in aufgeregtem Tonfall fort: »Sie werden mit Preßluft abgefeuert! Verstehen Sie nicht? Schießen Sie mit leeren Rohren! Vielleicht reicht der Rückstoß, um uns loszureißen!«

Eine Sekunde lang starrte Trautman den Engländer verblüfft an, dann fuhr er herum. »Schnell! Rohr eins und zwei mit Preßluft fluten! Sofort feuern!«

Juans Hände hämmerten mit solcher Wucht auf die Schalter herunter, als wollte er sie zerbrechen. Ein scharfes Zischen erklang, und schon wenige Sekunden später erzitterte die gesamte NAUTILUS. Ein Schwall silberner Luftblasen sprudelte am Fenster vorüber, und Mike konnte spüren, wie sich das Schiff ein Stück rückwärts bewegte. Sein Aufatmen wurde von einem schrecklichen Kreischen und Schrillen beendet, mit dem das Schiff wieder zur Ruhe kam, aber Trautman schrie sofort: »Juan! Noch einmal!«

Juan gehorchte. Es dauerte einige Sekunden, bis sie die Torpedorohre wieder mit Preßluft gefüllt hatten, die normalerweise dazu diente, die tödlichen Geschosse abzufeuern, dann erzitterte die NAUTILUS ein zweites Mal, und wieder verschwand das Meer auf der anderen Seite des Fensters hinter einem silbernen Vorhang aus Perlen.

Als er auseinandertrieb, konnte Mike den Meeresgrund sehen. Die schwarze Mondlandschaft aus kahlem Fels und sprudelndem Wasser schien regelrecht zu ihnen heraufzuspringen. Es konnte jetzt nur noch wenige Augenblicke dauern, bis sie aufschlugen. Aber er sah auch noch etwas. Nur ein kleines Stück unter den beiden ineinander verkeilten Schiffen brach der Meeresboden jäh ab und ging in einen abgrundtiefen, schwarzen Schlund über. Der Kanal, den sie bei ihrem ersten Tauchgang entdeckt hatten. Und auch wenn die Kraft der NAUTILUS nicht reichte, den Sturz des gewaltigen Kriegsschiffes aufzuhalten, so reichte sie doch aus, seinen Kurs zu ändern. Mike begriff ganz plötzlich, daß sie nicht auf dem Meeresgrund aufschlagen würden – sie bewegten sich direkt auf den Abgrund zu!

Serena trat neben ihn und ergriff seine Hand. Mike umklammerte ihre Finger so fest, daß es ihr weh tun mußte, aber Serena lächelte nur.

»Noch einmal!« sagte Trautman. »Wir schaffen es. Ich kann es fühlen. Wir kommen frei, Juan!«

Alles schien gleichzeitig zu geschehen. Die Torpedorohre der NAUTILUS entluden sich ein drittes Mal, und den Bruchteil einer Sekunde, bevor der sprudelnde Luftstrom die LEOPOLD ihren Blicken entzog, konnte Mike sehen, wie die NAUTILUS regelrecht aus dem Loch herauskatapultiert wurde, in dem sie bisher gefangen gewesen war. Das Schiff machte einen regelrechten Satz nach hinten und war frei.

Und die LEOPOLD explodierte.

Es war, als wäre tausend Meter unter dem Meer eine zweite, gleißend helle Sonne aufgegangen. Ein unvorstellbar greller Blitz löschte die ewige Dunkelheit vor dem Fenster aus. Mike schrie auf und schlug schützend die Hände vor die Augen. Fast im selben Moment traf ein ungeheuerlicher Schlag die NAUTILUS, der sie alle von den Füßen fegte.

Das Schiff überschlug sich. Der Boden wurde plötzlich zur Decke und umgekehrt, aber noch bevor sie stürzen und sich dabei verletzen konnten, richtete sich die NAUTILUS wieder auf und kippte dann auf die Seite. Der Meeresgrund vor dem Fenster machte einen Salto, sprang ihnen entgegen – und war verschwunden. Plötzlich war unter ihnen nichts mehr.

Das letzte, was Mike von der LEOPOLD sah, war ein Regen aus brennenden, rotglühenden Metalltrümmern, der in kilometerweitem Umkreis auf den Meeresboden herabfiel. Das Schiff war explodiert, aber zu früh. Vielleicht durch einen Zufall, vielleicht durch einen Fehler, den Winterfelds Ingenieure bei der Konstruktion der Zünder begangen hatten, vielleicht sogar ausgelöst durch die Druckwelle, die die Torpedorohre der NAUTILUS hervorgerufen hatten. Es spielte keine Rolle. Die LEOPOLD war explodiert, lange bevor sie den Meeresgrund und damit die dünne Basaltdecke über der Lavaader erreichen konnte, und Winterfelds Plan war fehlgeschlagen. Die große Katastrophe, die er hatte heraufbeschwören wollen, würde nicht eintreten. Mike arbeitete sich mühsam in die Höhe, bückte sich zu Serena und überzeugte sich davon, daß auch sie unverletzt war, dann wandte er sich zu Trautman und den anderen um. Die meisten hockten noch mit benommenen Gesichtern am Boden und schienen ein bißchen erstaunt zu sein, daß sie überhaupt noch lebten, aber Trautman stand bereits wieder an den Kontrollinstrumenten, und Mike konnte hören, wie sich das Geräusch der Motoren erneut veränderte. Irgend etwas stimmte nicht.

Auf Trautmans Gesicht hatte sich ein Ausdruck der Erleichterung breitgemacht, aber nur für wenige Sekunden. Plötzlich war der Schreck wieder da, ebensogroß wie zuvor. Seine Finger huschten immer hektischer über die Kontrollinstrumente. »Was... was ist los?« fragte Mike. »Die Strömung«, antwortete Trautman gepreßt. »Ich komme nicht los. Die Strömung hat uns ergriffen. « Mike sah ihn sekundenlang wortlos an, dann drehte er sich wieder zum Fenster und blickte hinaus. Er erblickte nichts als Schwärze. Der Meeresboden war abermals verschwunden, aber Mike wußte auch, daß er jetzt im Grunde schonüberihnen lag. Die tödliche Strömung hatte die NAUTILUS erfaßt – und es war genau so, wie er Winterfeld gegenüber behauptet hatte: Nicht einmal die gewaltige Kraft der NAUTILUS reichte aus,diesenGewalten zu widerstehen. »Hält das Schiff den Druck aus?« fragte Stanley.

»Ich glaube schon«, antwortete Trautman. »Wir waren schon tiefer, ohne daß etwas passiert wäre. Aber ich komme nicht frei. Die Strömung ist einfach zu stark. «

Stanley antwortete irgend etwas, aber Mike hörte gar nicht mehr hin. Er blickte in die brodelnde Schwärze vor dem Fenster hinaus. Serena trat erneut neben ihn, aber als sie diesmal nach seinen Fingern greifen wollte, hob er die Hand und legte den Arm um ihre Schulter, und als er ihre warme Berührung spürte, durchströmte ihn ein Gefühl von Sicherheit und Trost, das die Furcht vor dem, was er sah, auslöschte.

»Was geschieht jetzt?« fragte Serena leise.

Mike wußte es nicht. »Ich weiß es nicht«, sagte er leise. »Wohin immer dieser Mahlstrom führt, wir werden mitgerissen. Aber keine Angst. Wir werden es schaffen. Ich bin ganz sicher.«

Serena sah ihn zweifelnd an, und zu seiner eigenen Überraschung spürte Mike plötzlich, wie ein zuversichtliches Gefühl in ihm aufstieg. Es waren nicht nur leere Worte. Sie wußten weder, wohin sie dieser Fluß unter dem Meer trug, noch, was sie dort erwartete, aber er war plötzlich vollkommen sicher, daß am Ende alles gut werden würde. Und er hatte immer noch keine Angst.

Jetzt nicht mehr und vielleicht überhaupt nie wieder im Leben. Sie hatten die Welt vor einer unvorstellbaren Katastrophe gerettet, und das allein zählte – auch wenn es außer ihnen nie irgend jemand erfahren würde.