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allen anderen Richtungen wäre er den Engländern in die Arme gelaufen. Wenn wir uns beeilen und ein bißchen Glück haben, holen wir ihn noch vor Sonnenaufgang ein. « »Ja, vermutlich könnten wir das«, sagte Trautman. »Aber wir müssen uns jetzt vor allem um den Verletzten kümmern. Der Mann muß zu einem Arzt, oder er stirbt uns unter den Händen. Wir müssen ihn an Land bringen. « Er deutete zur Decke hinauf. »Sobald die Schiffe abgezogen sind, laufen wir die Küste an. « »Und Winterfeld entkommt!« sagte Ben. »Für diesmal, ja«, gestand Trautman. »Mir gefällt der Gedanke auch nicht, aber wir haben keine Wahl. « »Und wenn wir auftauchen?« schlug Mike vor. »Und uns den Engländern stellen?« fragte Juan. »Du bist verrückt. «

»Natürlich nicht«, verteidigte sich Mike. »Aber wir könnten in zwei oder drei Meilen Entfernung auftauchen, den Verletzten in das Rettungsboot legen und eine Signalrakete abfeuern. Wir sind längst wieder getaucht und meilenweit weg, ehe sie da sind. « Trautman dachte einen Moment ernsthaft über diesen Vorschlag nach, aber dann schüttelte er doch den Kopf. »Es könnte funktionieren«, sagte er, »aber das Risiko ist zu groß. Außerdem habe ich noch einen anderen Grund, um an Land zu gehen. Wir müssen mehr über Winterfeld und die LEOPOLD erfahren. Solange wir nicht einmal wissen, was er vorhat, haben wir auch keine große Chance, seine Pläne zu durchkreuzen. Ich will ein paar Zeitungen besorgen, und mich ein wenig umhören. « Er hob besänftigend die Hand, als Ben erneut protestieren wollte, und deutete mit der anderen auf seine Karte.

»Bisher hat er niemals zweimal hintereinander am gleichen Ort zugeschlagen«, sagte er. »Und es lagenimmer ein oder zwei Tage zwischen den Überfällen. Wir haben noch ein wenig Zeit. «

»Und wenn wir ihn aus den Augen verlieren?« fragte Ben.

»Die Gefahr, daß das passiert, ist viel größer, wenn wir blindlings drauflosstürmen«, erwiderte Trautman. Er deutete wieder auf seine Karte. »Das alles hier hat einen Sinn, Ben. Ich weiß noch nicht, welchen, aber es gibt ihn. Ein paar Stunden, die wir richtig investieren, ersparen uns vielleicht eine tagelange Suche. « Er schloß das Thema mit einer entsprechenden Handbewegung ab. »Geht auf eure Posten. Sobald die beiden Schiffe weg sind, laufen wir die Küste an. Mike – vielleicht gehst du und hilfst Serena?« Mike brauchte keine zweite Aufforderung. Die Stimmung im Salon war so gedrückt, daß er froh war, ihr entfliehen zu können. Rasch verließ er den Raum, lief die kurze Treppe zum darunterliegenden Deck hinab, auf dem die Mannschaftskabinen untergebracht waren, und betrat die Kajüte, ohne anzuklopfen. Der schwerverletzte Mann lag in der untersten der beiden übereinanderliegenden Kojen, die einen Großteil des vorhandenen Raumes einnahmen. Trautman und Singh hatten ihm die zerfetzte Uniform ausgezogen und ihn verbunden, so gut es ging. Aber die Mittel, die sie an Bord der NAUTILUS zur Verfügung hatten, waren beschränkt.

Sie hatten bald herausgefunden, daß das untergegangene Volk der Atlanter, das dieses Schiff gebaut hatte, auch über ein erstaunliches medizinisches Wissen verfügt haben mußte – jeder Arzt der Welt hätte vermutlich sehr viel dafür gegeben, auch nur einen Teil der Medikamente zu besitzen, über die die Bordapotheke des Schiffes verfügte. Seit sie an Bord gekommen waren, war keiner von ihnen krank geworden, und sie hatten eine Anzahl von Tinkturen und Salben entdeckt, die kleinere Verletzungen und Schrammen mit nahezu phantastischer Schnelligkeit heilen ließen. Aber dieser Mann hatte keine kleine Schramme, und er hatte auch keinen Schnupfen. Er war lebensgefährlich verletzt, und bei allen Wundern, die die NAUTILUS bereithielt – sie hatten keinen Arzt an Bord.

Der Mann bot einen bemitleidenswerten Anblick. Seine Schulter war dick verbunden, aber der weiße Stoff hatte sich bereits wieder dunkel gefärbt. Sein ganzer Körper war mit Schweiß bedeckt, und er zitterte ununterbrochen. Serena stand am Kopfende der Liege und kühlte seine Stirn mit einem Tuch, das sie ab und zu in eine Schale mit frischem Wasser tauchte. Als Mike eintrat, sah sie nur kurz auf und schüttelte traurig den Kopf. »Ich kann nichts für ihn tun. Er hat hohes Fieber. «

Mike trat schweigend neben sie und legte ihr den Arm um die Schulter. Normalerweise mochte Serena das nicht, obwohl sie ahnen mußte, welche Gefühle Mike für sie hegte, und Mike fast sicher war, daß sie sie insgeheim ein wenig erwiderte. Aber es war eine Geste reiner Freundschaft, die ihr Trost spenden sollte, und das schien sie zu fühlen, denn sie streifte seinen Arm nicht ab.

»Ich fühle mich so hilflos«, sagte sie leise. »Ich habe ihm ein Medikament gegeben, das das Fieber ein wenig senkt, aber das ist auch alles, was ich für ihn tun kann. Wenn ich meine Kräfte noch hätte! Ich könnte ihn in fünf Minuten heilen!«

Serena spielte damit auf die schier an Zauberei grenzenden Fähigkeiten an, die Teil des magischen Erbes gewesen waren, das ihre Eltern ihr als letzter Prinzessin von Atlantis mitgegeben hatten. Mike hatte am eigenen Leib erlebt, wozu sie in der Lage gewesen war – sie hatte ihn nur flüchtig berührt, und die Verletzungen, die er beim Kampf um die NAUTILUS davongetragen hatte, waren praktisch vor seinen Augen verschwunden. Aber die Macht, Wunden zu heilen, war eben nur ein Teil dieses Erbes gewesen. Der andere, viel gefährlichere Teil hätte sie alle um ein Haar ins Verderben gerissen, und so hatte sie schließlich freiwillig auf diese Kräfte verzichtet. *) Sie hatte es nie laut gesagt, aber es waren Momente wie diese, in denen Mike ahnte, wie groß der Verlust wirklich war, den sie erlitten hatte.

»Wir bringen ihn zu einem Arzt«, sagte Mike. Er bemühte sich, aufmunternd zu klingen, aber er spürte, daß es nicht gelang. Trotzdem fuhr er fort: »Es ist nicht weit zur Küste. Er wird es schon schaffen. « »Wenn er den Morgen noch erlebt, ja. « Serenas Stimme zitterte. Mike sah, daß sie für einen Moment mit den Tränen kämpfte. »Ich verstehe eure Welt nicht«, sagte sie. »Du hast mir so viel davon erzählt, aber das, was ich sehe, das... das ist das genaue Gegenteil. « »Wie meinst du das?« fragte Mike. »Ihr behauptet, daß mein Volk untergegangen ist, weil es seine eigenen Kräfte nicht mehr beherrschen konnte und nicht im Einklang mit sich und der Natur leben konnte –«, antwortete Serena.

»He, das habeichnie behauptet!« protestierte Mike, aber Serena schien seine Worte gar nicht gehört zu haben, denn sie fuhr ungerührt fort: »– und ihr habt recht damit! Aber ihr selbst macht alles noch viel schlimmer! Ihr führt Kriege gegeneinander! Ihr baut riesige Maschinen, die keinem anderen Zweck dienen, als euch gegenseitig umzubringen! Habt ihr denn gar nichts aus unserem Schicksal gelernt?«Wie könntet ihr?flüsterte Astaroths Stimme in Mikes Gedanken.Die meisten von euch wissen ja nicht einmal, daß es jemals existiert hat. Sie halten es für eine Legende.Mike sah sich suchend in der Kabine um. Er hatte nicht bemerkt, daß Astaroth überhaupt hier war, und er sah ihn auch jetzt nicht. Aber er hätte auch nicht geantwortet, hätte er den Kater gesehen. Astaroths Worte hörten sich überzeugend an, und trotzdem war dies einer der seltenen Momente, in denen der Kater irrte. Er hatte zwar recht – die allermeisten Menschen hielten Atlantis für eine Legende. Und trotzdem war das Wissen um seine Existenz tief in ihnen allen verborgen und vielleicht auch zumindest das Ahnen um den wahren Grund seines Unterganges. Er widersprach Serena nicht, und das lag vielleicht daran, daß er ihn, so gerne er es auch geleugnet hätte, tief in sich drinnen recht geben mußte. Sie alle waren so stolz auf ihre Kultur, auf ihre Technik und ihren Wissensstand, und trotzdem – was unterschied die Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts eigentlich von ihren Vorfahren? Soweit sich Mike zurückerinnern konnte, war die aufgezeichnete Geschichte der Menschen im Grunde nicht viel mehr als eine Folge aufgezeichneterKriege,mit kurzen, zumeist viel zu kurzen Perioden des Friedens dazwischen.