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Fröstelnd rieb sich der Knecht mit den Händen über die Arme. Es war so kalt, als wolle der Winter zurückkehren. Noch vor Morgengrauen war er frierend unter seiner klammen Decke erwacht und hatte das Feuer wieder angefacht, doch richtig warm und trocken war er nicht mehr geworden. Gottverfluchte Sümpfe!

Die beiden Ritter vor ihm lachten. Ja, die Herren amüsierten sich köstlich! Sie trugen prächtige, mit Fell gefütterte Reitmäntel, und die Kälte vermochte ihnen nicht viel anzuhaben. Wenn er fror, hieß es, er solle mehr arbeiten, dann würde ihm auch warm werden. Arrogantes, adeliges Pack. Allein war Volker ja ganz verträglich, doch wenn er mit einem Fremden zusammen war, dann glaubte er, er müsse den Herren spielen.

Den ganzen Abend hatten die beiden darüber gesprochen, wie sie in die Feenburg einreiten würden. Für sie schien keinen Atemzug lang ein Zweifel daran zu bestehen, daß der Kaledonier den Zweikampf mit dem Krieger der Feenkönigin gewann. Sie hatten ausgemacht, daß Gwalchmai als erstes die gefangene Gunbrid von ihrem bitteren Schicksal erlösen sollte. Danach erst würde die Hochzeit mit der Feenkönigin stattfinden.

Mißmutig blickte sich Golo um. Er konnte nicht glauben, daß es so einfach sein würde, zum König der Feen zu werden. Der Wald, durch den sie ritten, erschien dem Knecht ungewöhnlich dunkel. Die kahlen Äste der Eichen waren über dem Weg ineinander verflochten und bildeten ein düsteres Gewölbe. Der Himmel war mit grauen Wolken verhangen, und die Sonne hatte nicht die Kraft, die geisterhaften Nebelschwaden aufzulösen, die über dem Sumpf trieben. Dies war ein Tag, wie geschaffen für finstere Magie und üblen Verrat! Golo dachte an seinen Traum. Er hatte versucht, Volker von seinem Vorhaben abzubringen und von der Feenkriegerin mit dem Schwert erzählt, doch der Spielmann hatte nur darüber gelacht.

Vor ihnen öffnete sich der Weg zu einer Lichtung. Das Gespräch der beiden Ritter verstummte abrupt. Jetzt sah es auch Golo. Auf der Lichtung erhob sich ein Wald von Pfählen, jeder von einem Kopf gekrönt. Er hatte es gewußt. Die Visionen der vorletzten Nacht, das war mehr als nur ein Traum gewesen! Ängstlich blickte sich der Knecht um... Jeden Moment konnte die Fee mit ihren Kobolden kommen.

Volker schwang sich aus dem Sattel und führte Lanzenbrecher am Zügel auf die Lichtung. Gwalchmai folgte seinem Beispiel. Golo fluchte. Er würde diesen Vorhof der Hölle nicht betreten. Hinter ihm knackte es im Gebüsch. Seine Hand glitt zum Schwert. Die beiden ließen ihn hier zurück! Jetzt saß auch er ab. Vielleicht wäre er an der Seite der beiden besser aufgehoben. Immerhin hatten sie seit Kindesbeinen den Schwertkampf geübt. Warum war er damals nicht in seinem Dorf geblieben, als der verfluchte Spielmann kam, um sich einen Knecht zu suchen? Er hatte von Abenteuern geträumt und davon, sich im Ruhm seines Herren zu sonnen. Pferdemist! Warum hatte ausgerechnet er einen Verrückten zum Herren bekommen? Als er in das Dorf geritten war, sah Volker aus wie jeder andere Ritter auch!

Golo nahm die beiden Pferde am Zügel und folgte dem Spielmann und Gwalchmai. Die zwei waren nur noch als dunkle Schemen im Nebel zu erkennen. Die Köpfe auf den Pfählen mußten sehr alt sein! Längst war alles Fleisch von den Knochen verschwunden.

Etwas knackte. Erschrocken zog er seinen Fuß zurück. Er war auf einen Unterkiefer getreten, und der Knochen war zerbrochen. Hastig schlug Golo ein Kreuz und betete ein Vaterunser. »Vergib mir, wenn ich dich mißachtet habe, toter Krieger. Bitte verfolge mich dafür nicht in meinen Träumen. Es war keine Absicht.« Ängstlich blickte er in die leeren Augenhöhlen der Toten. Halb rechnete er damit, daß einer der Schädel ihn mit dumpfer Grabesstimme verfluchen würde. Doch nichts regte sich.

Vorsichtig ging er weiter und achtete jetzt genau darauf, wohin er trat. Manche der Schädel waren mit Helmen geschmückt. Sie sahen seltsam aus. Grün angelaufen und aus Bronze waren sie. Von einem hing ein halb verrotteter Roßschweif herab. Ein anderer Helm hatte eine Gesichtsmaske. Sie zeigte einen Knaben mit gelocktem Haar. Was für Krieger mochten solche Helme getragen haben? Golo hatte so etwas noch niemals gesehen! Sahen so die Rüstungen von Feen aus?

Ein leises Klirren wie von Metall ließ ihn aufschrecken. Der Baum! Mit weit ausladenden Ästen erhob er sich am Ende der Lichtung. Die beiden Ritter standen davor und betrachteten die schaurige Trophäensammlung. Es war alles genau wie in seinem Traum. Es gab fast keinen Ast, von dem keine Waffen hingen. Vor dem Baum jedoch stand ein kleiner, aus Stein gemauerter Schrein. Darin lag auf einem hölzernen Gerüst ein mit goldenen Bändern eingefaßtes Horn. Volker und Gwalchmai starrten ehrfürchtig auf das kostbare Instrument.

Ein paar Herzschläge lang hoffte Golo darauf, daß die beiden es sich doch noch anders überlegen würden. Noch gab es einen Weg zurück! Wenn sie jetzt einfach umkehrten, würde das Nachtvolk sie vielleicht verschonen. Volker konnte doch nicht wirklich so dumm sein, allein ein ganzes Feenvolk herauszufordern. Bestimmt konnte jeder einzelne der Feenritter nicht nur hervorragend fechten, sondern auch noch zaubern.

Seine Hoffnungen sollten nicht enttäuscht werden. Es war nicht Volker, sondern Gwalchmai, der seine Hand nach dem Horn ausstreckte. Fast im gleichen Moment, in dem er es von dem Holzgerüst nahm, erklang in der Ferne ein Donnern. Golo begann zu beten. Warum nur hatte er nicht die Kraft, diese beiden Verrückten hier alleinzulassen? Sollten sie doch ohne ihn in ihr Verderben rennen!

Der Himmel wurde immer dunkler. Von Westen, dort, wo irgendwo das Meer liegen mußte, zogen dunkle Gewitterwolken auf. Wieder zerriß ein Donnerschlag die Stille. Eisiger Wind fegte über das Moor. Das Klirren der Schwerter und der anderen Waffen, die im Geäst gegeneinanderschlugen, klang fast wie der Lärm einer fernen Schlacht.

Gwalchmai setzte das Horn an die Lippen. Der Krieger beugte sich leicht zurück, seine Backen blähten sich, als sei er ein Frosch. Dann erklang ein Ton, wie ihn Golo noch nie zuvor gehört hatte, und er wünschte sich, dieses Geräusch nie wieder in seinem Leben zu hören. Der Knecht hatte schon viele Hörner gehört, doch dieses hier Heß sich mit keinem von ihnen vergleichen. Fast wie ein Schrei klang es über die Lichtung. Golo mußte unwillkürlich an Raben denken. Die Pferde stiegen und wieherten schrill. Dann rissen sie sich los und flohen von der Lichtung. Ganz nahe schlug ein Blitz ein und tauchte die Szene in fahles, geisterhaftes Licht.

Ein Windstoß rüttelte an den Ästen des Trophäenbaumes. Eines der Seile, mit denen die Waffen aufgehängt waren, zerriß, und ein Schwert stürzte in die Tiefe.

»Vorsicht, Herr!«

Volker blickte nach oben. Das Schwert stürzte genau auf ihn zu. Gwalchmai verpaßte dem Spielmann einen Stoß mit der Schulter. Nur eine Handbreit neben den Rittern bohrte sich die rostige Klinge in den weichen Waldboden.

»Das ist der Fluch der Feen!« kreischte Golo. »Laßt uns hier verschwinden, oder wir sind alle des Todes. Das war die letzte Warnung. Das nächste Mal geht es uns allen ans Leben!«

Volker packte ihn beim Wams. »Sieh her!« Der Ritter zog das Schwert aus dem Boden. »Siehst du dieses morsche, alte Seil? Der Wind hat es zerreißen lassen. Das ist alles! Wir sind hier in einer alten, heidnischen Schädelstätte. Es gibt keine Feen! Sie sind nur eine Erfindung der Dichter!«

»Und was ist das dort drüben?« Golo deutete mit zitternder Hand auf einen Holzpflock, der keine fünf Schritt vom Baum entfernt stand. Er war mit einem Kopf geschmückt, von dem verrottendes Fleisch hing. Unten an dem Pfahl lehnte ein Helm, ganz ähnlich den Topfhelmen, welche die beiden Ritter besaßen. »Das ist nicht alt! Erzählt mir nichts, Herr! Und habt Ihr die verbrannte Burg vergessen und die aufgespießten Köpfe der Normannen?«

»Das waren Räuber, die sich den Aberglauben der Bauern zunutze machen, um ihrer gerechten Strafe zu entgehen!«