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»Was brütest du vor dich hin? Freust du dich nicht, daß ich dich nicht bestrafen werde?«

»Selbstverständlich, Herr!« Golo nickte pflichtbewußt. »Sagt, wie habt Ihr mich eigentlich so schnell gefunden? Ihr könnt doch nicht gesehen haben, wie ich auf den Heuboden gestiegen bin.«

Der Spielmann lachte leise. »Ein guter Herr weiß stets, wo sich seine Knechte und Dienstmägde herumtreiben. Ein Stallbursche hat mir verraten, daß du dich gelegentlich hier oben verkriechst. Übrigens habe ich gerade beschlossen, daß es doch nicht weise ist, dich völlig ungestraft davonkommen zu lassen. Immerhin hat mich deine Dummheit heute abend ein Paar fast neue Reitstiefel gekostet.«

Golo zuckte innerlich zusammen. »Aber Ihr sagtet doch...«

»Ich hab’s mir anders überlegt. Gib mir deine Schuhe!«

»Meine Schuhe?«

»Glotz mich nicht an wie eine Kuh und tu endlich, was ich dir befehle. Ich habe nicht vor, die Nacht hier in einem Heuhaufen zu verbringen. Im Sommer und mit einem hübschen Mädchen im Arm mag das seinen Reiz haben, aber im Moment ist es entschieden zu ungemütlich in einem Stall. Im Burghof laufen wahrscheinlich immer noch ein paar aufgebrachte Sachsen herum und suchen nach einem Mann, der in dieser Eiseskälte barfuß unterwegs ist. Wahrscheinlich helfen ihnen mittlerweile sogar schon die Wachen König Gunthers. Deine Schuhe sind zwar meinem Stand nicht ganz angemessen, aber in der Dunkelheit wird das schon keinem auffallen.«

Golo löste die Lederriemen seiner Bundschuhe. Diese Sache hatte doch einen Haken! »Wie soll ich denn zu meinem Schlafplatz in der Küche gelangen, wenn Ihr jetzt...«

Der Spielmann grinste. »Es ist sicher keine gute Idee, in den nächsten Stunden barfuß über den Burghof zu spazieren. Du weißt ja, diese Barbaren... Aber hier ist es ja auch ganz gemütlich. Du hast eine Decke und das warme Heu. Ich finde, für einen Knecht ist das eine ganz gute Unterkunft.« Volker war in die Bundschuhe geschlüpft und verneigte sich mit großer Geste. »Du entschuldigst mich jetzt. Ich brauche meinen Schlaf. So wie die Dinge stehen, wird morgen bei Hof einiger Aufruhr herrschen...«

Volker war überrascht vom Geschick, mit dem die Barbaren die Ereignisse der vorangegangenen Nacht verschleierten. Überall bei Hof war die Rede von einem tollkühnen Dieb, der an der Mauer des Turms hinaufgeklettert sein mußte, um den Schmuck der Prinzessin Amalasfrida zu stehlen. Damit wurde die Angelegenheit nun wiederum im höchsten Grade peinlich für König Gunther, der, so wie es schien, nicht einmal innerhalb der Mauern seiner Burg das Zepter in der Hand hielt. Beinahe wäre es schon am frühen Morgen zu einem Duell zwischen Gernot und einem der Sachsen gekommen, weil die Gesandten keine Gelegenheit ausließen, von der Schwäche des Königs zu tönen, und in ihrer Impertinenz forderten, daß der Schuldige bis zum Mittag des kommenden Tages gefunden und zur Rechenschaft gezogen werden sollte.

Mit schlechtem Gewissen hörte Volker dem Gerede zu und begann darüber nachzudenken, ob er sich nicht stellen sollte, um den Ruf seines Königs zu retten. Amalasfrida und Horsa waren zum Mittagsmahl gemeinsam an der königlichen Tafel erschienen, und nichts deutete darauf hin, daß sich die beiden im Streit befanden. Zum ersten Mal fragte sich der Spielmann, ob es wirklich nur seine schönen Worte waren, denen die Prinzessin verfallen war. Sie hatte recht schnell seinem Werben nachgegeben... War er es am Ende, der zum Opfer einer Intrige geworden war? Suchten die Sachsen einen Anlaß, um den Krieg mit Burgund fortzuführen? Und hatte er ihnen diesen Anlaß nun geliefert?

Er mußte die Ehre seines Königs reinwaschen! Er konnte nicht einfach tatenlos bei diesem Intrigenspiel der Barbaren zusehen. Gerade wollte er sich erheben und in die Mitte des Saales treten, als Hagen hinter seinen Stuhl trat.

»Folgt mir auf den Hof, Herr Volker!« Die Worte waren nur geflüstert, doch in einem Tonfall, der Volker kalte Schauer über den Rücken laufen ließ. Der große, hagere Mann hatte immer etwas Unheimliches, und die meisten bei Hof mieden ihn. Doch sie beide hatten bislang stets ein gutes Verhältnis zueinander gehabt. Hagen hatte ihn im Schwertkampf unterrichtet und ihm oft mit weisem Rat zur Seite gestanden. Das Wort des dunklen Kriegers galt ihm mehr als selbst das seines leiblichen Vaters. In gewisser Weise sah er in dem Tronjer seinen Mentor. Auch wenn das düstere, melancholische Wesen des Recken seinem eigenen Charakter völlig zuwiderlief.

Einen Augenblick lang blickte der Spielmann Hagen unschlüssig nach. Wie stets trug er seinen langen schwarzen Umhang, einen schwarzen Waffenrock und darunter sein geschwärztes Kettenhemd. Auch hatte er sein Schwert umgegürtet, und er sah aus wie ein Mann, der in den Krieg ziehen wollte.

Ungeduldig drehte sich Hagen nach ihm um. Offensichtlich war es klüger, den Tronjer nicht warten zu lassen. Er stand jetzt in einer Nische des großen Festsaals, wo er vor den Blicken der meisten Gäste verborgen blieb. Vor allem die Sachsen am Kopf der Tafel konnten ihn dort nicht sehen. Volker erhob sich und entschuldigte sich mit ein paar höflichen Floskeln bei den Damen, die an seiner Seite saßen. Dann verließ er gemessenen Schrittes den Saal, so als würde er einem tiefen, inneren Drang folgen, um sich von den Zinnen der Burgmauer herab zu erleichtern.

Vor dem Festsaal erwartete ihn Hagen bereits. »Wenn es nach mir ginge, würde ich diese sächsischen Bastarde von unseren Wachen noch in dieser Stunde hinrichten lassen und ihre Köpfe auf Lanzen gespießt vor dem Burgtor aufstellen. Es ist mir unerträglich zuzusehen, wie sie unseren König demütigen. Wie steht Ihr dazu, Herr Volker?«

»Wenn Ihr mein Schwert fordert, stehe ich Euch jederzeit zur Verfügung.«

Hagen lächelte schief. Er hatte die Doppeldeutigkeit der Worte verstanden. »Wir haben zuwenig Männer unter Waffen, um uns auf einen Krieg mit den Sachsen einlassen zu können. Horsa weiß das genau, und deshalb demütigt er unseren König. Was Euch angeht, Herr Volker, denke ich, daß wohl niemandem geholfen ist, wenn Ihr bereit seid, Euer Leben in einem Duell mit mir zu verschenken. Ich schätze Eure Kunst und den leichten Ton, mit dem Ihr diesen Hof selbst in den dunkelsten Stunden zu bezaubern wißt. Euren Lebenswandel jedoch werde ich niemals begreifen. Warum bei den Göttern mußtet Ihr mit der Sächsin buhlen? Seid Ihr nicht mehr bei Sinnen?«

Der Spielmann schluckte. »Ich... Ich glaube, ich war verliebt.«

Hagen schüttelte den Kopf. »Wenn ich Euch das glauben könnte, mein Freund, dann stünden wir jetzt nicht hier. Wißt Ihr, Ihr seid entschieden zu oft verliebt...«

»Woher wißt Ihr eigentlich, daß ich in der letzten Nacht in der Turmkammer war? Nicht, daß ich es leugnen wollte, doch...«

Hagen öffnete die kleine, lederne Geldkatze an seinem Gürtel und zog einige scharlachrote Wollfäden heraus. Er hielt sie an den Umhang des Spielmanns. »Die Farbe stimmt, nicht wahr? Es gibt keinen außer Euch, der einen Mantel in dieser prächtigen Farbe besitzt. Die Wollfäden habe ich im Gebüsch unter dem Turmfenster gefunden. Damit steht für mich außer Zweifel, was sich in der letzten Nacht in der Kemenate dieser Sächsin ereignet hat!«