Выбрать главу

Volker versteifte sich. »Ich bin selbstverständlich bereit, die Verantwortung für meine Taten zu tragen. Ich werde vor den Hof treten und erklären, wie sich die Dinge in Wahrheit zugetragen haben. Und ich...«

»Und dann? Damit wird die Situation doch nicht besser! Gunther wird Euch für den Frevel am Weib eines Gesandten hinrichten lassen oder zumindest auf immer vom Hof verbannen müssen. Ich habe einen anderen Plan. Morgen werde ich verkünden lassen, daß der Dieb gefaßt ist. Auf dem Marktplatz der Stadt werde ich einen Mann hängen lassen. Er wird zwar bis zuletzt behaupten, daß er unschuldig ist, aber das tun sie ja alle...«

»Das ist Unrecht, Herr Hagen! Der Mann ist unschuldig! Ich habe Euch doch gerade erklärt, daß es niemals einen Diebstahl gegeben hat und daß ich bereit bin, für die Konsequenzen dessen, was tatsächlich geschehen ist, einzustehen.«

Der Tronjer lächelte kühl. »Ich möchte Euch nicht verlieren, Freund Volker. Der Kerl, den ich hängen lasse, ist ein Raubmörder. Um ihn ist es nicht schade. Im Gegenteil, durch seinen Tod hat er vermutlich das einzige Mal in seinem Leben Gelegenheit, seinem König einen Dienst zu erweisen. Gunther wird die Sachsen für den Verlust des Schmuckes reichlich entschädigen, und das einzige, was bleibt, ist eine böse Geschichte darüber, daß Gäste des Burgundenreichs nicht einmal in der Königsburg vor Räubern sicher sind. Was Euch aber angeht, Herr Volker, so möchte ich sicher sein, daß es für die restliche Zeit, die die Gesandtschaft bei Hofe weilt, nicht mehr zu weiteren Verwicklungen wie in der letzten Nacht kommt. Ich habe bereits mit dem König gesprochen, und auch wenn er nicht weiß, was sich in der Kemenate Amalasfridas wirklich zugetragen hat, hält er es für eine gute Idee, Euch an den Hof seiner Nichte in Aquitanien zu schicken. Seit ihrer Hochzeit mit dem Baron Rollo von Marans hat man nichts mehr von ihr gehört, und sie wird sicherlich sehr einsam sein. Reist also nach Marans und leistet ihr den Sommer über Gesellschaft. Ich bin sicher, daß sich alle bei Hof freuen werden, wenn wir Euch zum Christfest wiedersehen, Herr Volker.«

»Aber... Das ist fast ein Jahr. Ihr könnt mich doch nicht ein ganzes Jahr lang in die Fremde schicken!«

Hagen runzelte die Stirn. »Ich kann morgen einen Unschuldigen für Eure Taten hängen lassen. Reden wir lieber nicht darüber, was ich sonst noch alles kann. Packt Eure Sachen und macht Euch zur Abreise bereit. Wenn sich morgen abend die Raben auf den Schultern des Gehängten niederlassen, solltet Ihr schon ein gutes Stück des Wegs gekommen sein. Versteht mich nicht falsch! Ich möchte Euch nicht verlieren, doch wenn ich befürchten muß, daß Ihr dem König durch Euer Ungestüm in Herzensangelegenheiten noch weitere Schwierigkeiten bereiten werdet, könnte ich vielleicht gezwungen sein, zu Mitteln zu greifen, die eine Reise nach Aquitanien noch vergleichsweise angenehm erscheinen lassen. Auch wenn wir gute Freunde sind, Herr Volker, gilt meine Treue doch zuallererst dem König!«

1. KAPITEL

Golo hatte die beiden Pferde trockengerieben und ging vom Stall zur Schenke. Was für ein Sauwetter! Seit drei Tagen regnete es. Wohin man sah, war Wasser. Die dürftigen Straßen bildeten eine einzige Pfütze, daneben Kanäle und bis zum Horizont Sumpf. Seine Kleider waren von oben bis unten mit Schlamm bespritzt, und er hatte keinen trockenen Faden mehr am Leib. Das war keine Jahreszeit, um zu reisen! Sie hätten jetzt auf der schönen, warmen Burg bei Worms sitzen können. Aber sein Herr mußte ja unbedingt dieser verfluchten Sächsin nachstellen. Volker sprach zwar nicht gerne darüber, doch ahnte Golo, daß sie der Grund für ihre überstürzte Reise gewesen war. So war das Leben als Knecht! Die Herren begingen eine Torheit, und wer mußte dafür zahlen? Ihre Knechte! Und jetzt auch noch das Spielchen mit dem Duell. Drei Tage lang hatte er Ruhe gehabt, doch es gab Gerüchte über Räuberbanden und Unholde aus den Mooren, die diese Gegend unsicher machten. Deshalb hatte Volker beschlossen, daß es heute wieder soweit sei. Golo blickte flüchtig auf den Platz in der Mitte des kleinen Dorfes. Hier mitten im Morast würde der Kampf stattfinden. Wütend spuckte der Diener aus und trat dann durch die niedrige Tür in die Schenke.

»Gott zum Gruß, Fremder. Habt Ihr die Tiere versorgt? Ein verfluchtes Wetter heute, nicht wahr?« Auf einem Stuhl neben dem Feuer hockte der hagere Schankwirt und blickte grinsend von dem Fisch auf, den er ausnahm.

Golo schaute ihn verdrießlich an. »Ich hab’ schon Flüsse gesehen, die weniger Wasser führten als Eure Straßen.«

Der Wirt lachte. »Ihr müßt auch die guten Seiten sehen. Hier gibt es jede Menge Fische. Ich bring’ Euch ‘nen Teller Suppe, und nach ‘nem Schluck Branntwein, wenn Ihr erst einmal wieder warm geworden seid, sieht alles schon ganz anders aus. Den Rest des Tages werdet Ihr Euch den Regen von hier im Trocknen anschauen können. In drei Stunden beginnt es zu dämmern. Ihr werdet doch gewiß nicht mehr weiterreiten wollen.«

Golo schnallte den Schwertgurt ab und legte die Waffe vor sich auf den Tisch. Dann zückte er den Löffel, den er seitlich im Stiefel stecken hatte, und blickte erwartungsvoll zu dem großen, dampfenden Topf, der über dem Feuer hing. Außer dem Wirt waren nur noch drei Bauern in der Schenke. Es war besser, jetzt schon mit dem Spiel anzufangen. Bei dem Regen würde es sicher nicht mehr lange dauern, bis Volker auftauchte.

»Ist sicher besser, noch ein paar Meilen zu reiten, bis es dunkel wird. Sollte schauen, daß ich weiterkomme. Bis zu den Mauren wird er mir vielleicht nicht folgen.«

Der Wirt stellte eine Schüssel voll dampfender Fischsuppe vor ihm auf den Tisch. Golo rümpfte die Nase. Er haßte Fischsuppe! »Wer soll Euch nicht bis zu den Mauren folgen, Herr?«

Schlürfend begann der Knecht, die Suppe auszulöffeln. »Habt Ihr noch ein Stück Brot?«

»Erzählt mir Eure Geschichte und was draußen in der Welt so vor sich geht, und ich schenk’ Euch ein Brot. Wißt Ihr, nach hier verirrt sich nur selten jemand. Wir haben schon lange keine Neuigkeiten mehr gehört.«

Golo blickte von der Suppe auf. »Ihr seid doch ein gottesfürchtiger und ehrbarer Mann, nicht wahr?«

Der Wirt nickte eifrig. »Natürlich. Frag nur den Pfaffen nach mir. Es gibt kaum eine frömmere Seele als mich hier im Dorf.«

Das Gespräch der Bauern am anderen Tisch verstummte. Golo saß mit dem Rücken zu ihnen, doch er konnte förmlich spüren, wie sie jetzt die Hälse reckten und ihre Ohren spitzten.

»Wißt Ihr, Freund, ich bin auf der Flucht. Ohne mein eigenes Verschulden hat der Himmel mich mit einem großen Unheil gestraft. Kurz nach dem Christfest war ich in Worms am Königshof der Burgunden. Ich hatte dort ein Geschäft zu tätigen. Hab’ ein bißchen Vieh verkauft... König Gunther bewirtete ein paar sächsische Gesandte, und ich sag’ Euch, die Kerle haben ihm förmlich die Haare vom Kopf gefressen. Jeden Tag gab es einen Ochsen am Spieß und noch viel mehr. Nun, wie ich so auf dem Hof der Burg stehe, kommt ein hübsches Fräulein vorbei und verliert ein Tüchlein, das sie im Ärmel ihres Gewandes getragen hatte. Sie hat’s offensichtlich nicht bemerkt, und so beuge ich mich hinab, hebe das Tüchlein auf und reiche es ihr. Sie bedankte sich recht artig und ging ihrer Wege. Als ich dann zum Schlachtmeister gehen wollte, um mit ihm zu besprechen, ob er noch mehr fette Ochsen gebrauchen kann, kommt plötzlich so ein junger Ritter auf mich zu. Ich sag’ Euch, seine Augen funkelten wie geschliffene Dolche. Er packt mich am Wams und zerrt mich in einen Stall, wo wir allein sind, und dort fängt er an zu schreien wie ein Eber auf dem Sauspieß. Behauptet, ich hätte ihn und seine Dame beleidigt, und ich hätte meine ungewaschenen Finger von dem Tüchlein lassen sollen. Daß sie es habe fallen lassen, sei ein Zeichen nur für ihn gewesen, und dadurch, daß ich es aufgehoben hätte, sei nun alles verdorben. Am Ende forderte der Kerl mich zum Duell heraus. Er meinte, die Ehre seiner Dame könne nur mit meinem Blut wieder reingewaschen werden. Zum nächsten Morgengrauen sollte ich bei einer Kapelle im Wald auf ihn warten.« Golo brach ein Stück von dem Brotlaib, den die Frau des Wirtes inzwischen gebracht hatte, und wischte damit die Suppenschüssel aus.