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»Nicht einmal so seid Ihr ein würdiger Gegner! Wollt Ihr mich um Gnade bitten?«

»Ja, Herr!« Mit flehend erhobenen Armen kniete Golo nieder und achtete darauf, sich nicht allzu schmutzig zu machen. »O mächtigster aller Schwertkämpfer, jeder weiß, daß Ihr der edelste Ritter unter Gottes Sonne seid und Eure Gnade nur von Eurer...«

»Übertreib nicht so!« zischte der Spielmann leise. »Du verdirbst noch den ganzen Auftritt.« Dann fuhr er lauter fort: »Ich werde dir dein Leben schenken, Golo, doch um die Kränkung meiner Ehre zu sühnen, sollst du mir ein Jahr und einen Tag lang als Diener folgen.«

»Ich werde alles tun, was Ihr wollt, Schwertmeister!«

Volker war in allerbester Stimmung, als er mit seinem Waffenrock über dem Arm in den Stall trat. Golo war gerade damit beschäftigt, Lanzenbrecher zu striegeln. Er zog ein Gesicht, als hätte man ihn gezwungen, faule Eier zu frühstücken.

»Nun, mein Freund! Was ist los mit dir? Man hat uns doch freundlich aufgenommen. Der Wirt hat eine gute Küche, und sein Gastzimmer müssen wir offenbar nicht mit Flöhen teilen... Was will man mehr?«

»Ich finde, daß es nicht nötig war, schon wieder dieses Spektakel aufzuführen, Herr Volker. Ihr seid ein Ritter, ein Mann von Stand! So ein Schauspiel ist unter Eurer Würde!«

»Es ist jetzt drei oder vier Tage her, daß wir unser kleines Spektakel zum letzten Mal gezeigt haben. Unser Ruf hat sich bestimmt noch nicht bis hierher herumgesprochen. Es war an der Zeit, etwas zu tun. Der Winter ist vorbei, und die Vorräte sind überall fast aufgebraucht. Es ist eine Zeit, in der Bauern auf dumme Gedanken kommen können. Mit dem Gold, das man für unsere Waffen und Pferde bekommen kann, könnte man ein Dorf wie dieses hier ein ganzes Jahr lang durchfüttern. Die Versuchung wäre groß, uns einen Hinterhalt zu legen. Wir sind zwei Fremde, die niemand vermissen wird. Nach dem Auftritt vorhin wird sich die Geschichte um meine Schwertkunst wie ein Lauffeuer verbreiten, und mit jedem Bauern, der sie weitererzählt, wird sie noch ein wenig eindrucksvoller werden. Das heißt, wir können in den nächsten Tagen wieder sicher reisen. Jeder Strauchdieb wird einen weiten Bogen um uns machen.«

»Aber Ihr seid doch ein Ritter, Herr! Was könnten Euch ein paar schlechtbewaffnete Bauern schon antun?«

Volker lachte bitter. »Auch mich vermag ein Pfeil im Hals oder ein Speer, der mich hinterrücks trifft, zu töten. Außerdem macht es mir keine Freude, ein paar Hungerleider abzuschlachten, die dumm genug sind, um mich mit Knüppeln und Dolchen zu überfallen. Ich habe meine Waffenkunst nicht erlernt, um mich mit solchem Pack zu messen.« Der Spielmann legte den Waffenrock über ein leeres Faß. »Sieh zu, daß du den Rock säuberst. Irgendwie habe ich mich während des Kampfes mit Schlamm besudelt.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe mich diesmal wirklich in acht genommen.«

»Gewiß«, knurrte Golo leise.

Volker seufzte. Es war wirklich nicht leicht, die ständige schlechte Laune seines Reisegefährten zu ertragen. Golo sollte froh und dankbar sein! Er war der Sohn eines Leibeigenen. Hätte er ihn nicht als seinen Knecht auserwählt, wäre er ein Leben lang hinter einem Pflug hergelaufen. Er hätte niemals fremde Länder zu sehen bekommen und Abenteuer an der Seite eines Ritters erlebt. Es gab genug junge Burschen, die ihre rechte Hand opfern würden, um derart vom Schicksal begünstigt zu werden.

»Der Wirt sagt, daß der Waschplatz eine halbe Meile nördlich vom Dorf liegt. Dort verläuft ein kleiner Fluß, in den ein flacher Felsen hineinragt. Angeblich gibt es dort Feenwesen, die gar nicht gut auf Menschen zu sprechen sind. Baron Rollo hat vorgestern eigenhändig eine Eiche in einem heiligen Hain gefällt, um gegen den Aberglauben der Bauern und Fischer vorzugehen. Jetzt flüstern sie, daß eine Fee namens Morrigan kommen wird, um ihn zu holen. Nach Dunkelheit wird sich keiner mehr vor die Tür wagen. Sieh also zu, daß du beizeiten zurück bist. Ich werde heute abend in der Schenke zur Laute singen. Dafür sind das Zimmer und das Essen frei. Schlag dir den Bauch voll! Man hat ein Zicklein für uns geschlachtet.«

»Jawohl, Herr Ritter!« Golo verbeugte sich übertrieben unterwürfig.

»Übrigens, unser Quartier wirst du in der Nacht wohl für dich alleine haben. Es sieht so aus, als habe die Kleine, die mir die Augen verbunden hat, ein Herz für arme Spielleute, die sich mit griesgrämigen Dienern herumschlagen müssen. Solltest du also jemanden finden, der mit dir das Lager teilen will... Nur zu! Und jetzt zieh los. Um Lanzenbrecher kümmere ich mich.«

Golo verließ den Stall, ohne auch nur ein Wort zu verlieren. Volker blickte ihm eine Weile nach. Dummer Bauerntrampel! Wenn der Junge erst einmal einen Feind mit herausquellenden Därmen vor seinen Füßen verrecken gesehen hätte, würde er vielleicht anders über ihr kleines Duell denken. Wem schadete dieser Betrug? Die Bauern hatten ein Schauspiel, und sie beide konnten sicher sein, ihre Reise ein Stück weit unbehelligt fortzusetzen. Offenbar hatte Golo die schönen Lieder über Helden zu ernst genommen. Das Leben sah anders aus! Volker lachte leise. Er jedenfalls würde einen Abend mit einem Bauernmädchen im Arm jederzeit einer Schlacht vorziehen.

2. KAPITEL

Nach der Nacht im Dorf hatte es aufgehört zu regnen. Endlich schien der endlose Winter vorüber zu sein. Zum ersten Mal fielen Golo Blumen am Wegesrand auf. Er mußte oft an die Geschichten über die Fee Morrigan denken, die er im Dorf gehört hatte. Angeblich war sie die Herrscherin der Sümpfe und regierte in einem verwunschenen Königreich, das jenseits der Nebel lag, die morgens über das brackige Wasser zogen. Seitdem er diese Geschichte kannte, sah er die Landschaft mit anderen Augen. Aufmerksam beobachtete er den Sumpf. Er wußte genau, daß er mit keinem anderem Menschen als Volker durch diese Landschaft reiten würde.

Die Methoden des Spielmanns mochte er immer noch nicht gutheißen, doch mußte er sich eingestehen, daß sie auf ihrer ganzen Reise noch keine Begegnung mit Räubern hatten. Vielleicht würde er die Sache mit den fingierten Duellen auch eher akzeptieren können, wenn Volker nicht jedes Mal noch die Gelegenheit dazu nutzen würde, die Dorfschöne zu verführen. Wenn er an ihren Abschied vor anderthalb Tagen dachte, wurde ihm ganz schlecht. Rosanne hieß das Mädchen. Die Kleine hatte drei Meilen hinter dem Dorf an einem Wegkreuz auf sie gewartet. Neben ihr hatte ein kleines Bündel gelegen. Sie schien tatsächlich geglaubt zu haben, Volker sei genauso unsterblich verliebt wie sie und würde sie auf seiner Reise mitnehmen, so wie es die Ritter in den Liedern der Sänger manchmal taten. Der Spielmann konnte ihr sehr wortgewandt erklären, warum das unmöglich war. Sie hatte ihn mit großen Augen angesehen und zu jedem seiner herzlosen Argumente artig genickt. Ihr rannen dabei Tränen über die Wangen, doch das Schluchzen hatte sie mit zusammengekniffenen Lippen unterdrücken können. Golo hätte seinen Herren in dem Moment am liebsten geohrfeigt. Wie brachte Volker es nur fertig, so ergreifend von der Liebe zu singen und doch selbst so ohne Gefühl zu sein?

Der Knecht ballte seine Hände zu Fäusten. Er würde seinen Kopf darauf verwetten, daß die Kleine noch Jungfrau gewesen war. Ob sein Herr sich überhaupt im klaren war, was das für das Mädchen bedeutete? Sie würde keinen Mann mehr finden in ihrem Dorf. Wahrscheinlich hatte sie ihr Bündel genommen und war die Straße entlanggezogen. Sie würde eine Dirne, eine Schankmaid oder Baderin werden...