Es war Freitag, und er hätte arbeiten müssen, doch diese Erkenntnis half ihnen auch nicht, ihn aufzutreiben. Auf Ell waren soviel Arbeitszeiten als auch Arbeitsplätze variabel, da die Bevölkerung der Insel nur klein war und die Arbeit an dem Ort und zu dem Zeitpunkt getan werden mußte, wenn sie anfiel. Malmstrom gehörte noch zu den jüngsten und unerfahrensten Mitgliedern der arbeitenden Bevölkerung und konnte auf jedem Teil der Insel eingesetzt worden sein. Doch an einigen Stellen der Insel mochte er wahrscheinlicher zu finden sein, als an anderen.
Er war nicht auf dem Floß, an dem die Catalina vertäut war. Bob erinnerte sich, daß Dulac ihm gesagt hatte, er hätte heute einen freien Tag.
Malmstrom war auch nicht irgendwo in der Raffinerie oder bei der Pumpstation am Ende der Pier.
Heute lag kein Tanker dort, und die Pumpen sta nden still, doch die Raffinerie war immer in Betrieb; sie brauchten eine volle Stunde, um sich zu vergewissern, daß der, den sie suchten, nicht dort war.
Das lag teilweise an den Veränderungen, die seit Bobs Kindheit hier eingetreten waren; die Raffinerie mußte während des Korea-Krieges erheblich vergrößert und ausgebaut werden. Zu den Schiffstreibstoffen und Schmierölen, mit denen PFI die Produktion begonnen hatte, waren die leichteren Brennstoffe gekommen, mit denen der gewaltige Durst der Jettriebwerke gelöscht wurde; und später hatte man auch Rohmaterial für die Plastikproduktion in die Liste aufgenommen.
Diese Ausweitung der Kapazität machte sich auch auf dem nördlichen Ende der Insel, wohin sie als nächstes fuhren, bemerkbar. Die Zahl der Kultur-Tanks war erheblich höher; die Destillationsanlage war doppelt so groß wie früher; neue und schneller wachsende Pflanzen bedeckten die Teile der Bodenfläche, auf denen Nachschub für die Tanks gezogen wurde. Es waren dort viele Menschen bei der Arbeit, doch Malmstrom war nicht dabei.
Er konnte natürlich bei irgendeinem der Tanks sein, die in der ganzen Lagune verstreut lagen. Er konnte irgendwo auf dem längeren Nordwestteil der L-förmigen Insel sein, obwohl es dort keine Industrieanlagen gab — es war ein reines Wohngebiet, soweit es nicht von Dschungel überwuchert war. Er mochte sich vor der Arbeit drücken, sagte Bob zu seinem Partner, und sich irgendwo am Rand der Lagune herumtreiben, obwohl das nicht sehr wahrscheinlich war. Jeder Bewohner der Insel war von Geburt an Aktionär der Gesellschaft, und für Parasiten hatte man nicht viel Verständnis.
Die Suche endete kurz vor Mittag, als Bobs Muskeln nicht mehr mitmachten. Weder er noch der Jäger waren darüber überrascht. Man konnte nichts anderes dagegen tun, als eine Ruhepause einlegen.
Sie befanden sich in der Nähe des nordöstlichen Endes der Insel, an einem Berghang, und vor ihnen erstreckte sich das Korallenriff; die Lagune lag links von ihnen, zur Rechten die weite Leere des Pazifik. Es gab keine Häuser auf diesem Teil von Ell, man sah jedoch Teile von drei Kultur-Tanks hinter dem Bergkamm. Sie befanden sich auf der Straße, die hier sehr schmal war und zwischen weiten Flächen von Pflanzen für die Tanks hindurchführte — einem schnellwachsenden Zeug, das stä ndig abgeerntet und in die Kultur-Tanks geworfen wurde, als Nahrung für die kohlenstoffbildenden Bakterien. Es war niemand in Sicht, stellten Bob und der Jäger erleichtert fest.
Sich hinzulegen war unangenehm, aber unvermeidlich; Bob mußte sich ausruhen. Der Boden bestand zum größten Teil aus fauligen Tank-Rückständen, und das war einer der Gründe, warum niemand hier wohnte. Der Gestank war dem Jäger genauso widerlich wie seinem Gastgeber; ersterer vermied ihn, indem er sich aus Bobs Lungen zurückzog, wo er normalerweise einen kleinen Teil seiner Substanz im Strom des eingeatmeten Sauerstoffs deponierte, und begnügte sich mit dem, was er aus Bobs Blutkreislauf ziehen konnte. Sein Sauerstoffbedarf war minimal, solange er nicht unabhängig von seinem Gastgeber agierte.
„Es ist alles andere als schön hier, und ich weiß, daß der Gestank dich auch stört, aber es läßt sich nun mal nicht ändern“, sagte Bob, als er sich neben seinem Fahrrad auf den Boden setzte. „Ich muß mich wenigstens auf den Beinen halten können, wenn wir unsere Verabredung mit Jenny heute Nachmittag einhalten wollen.“
„Vielleicht kommen wir von hier aus zum Haus des Doktors, wenn wir sehr langsam gehen“, schlug der Symbiont vor. „Sollten wir es nicht wenigstens versuchen? Vielleicht wäre es gut, wenn er dich in diesem Zustand untersucht, und auch, wenn du dich bis vier Uhr nicht erholt haben solltest, kannst du trotzdem mit dem Mädchen sprechen.“
„Zwei Meilen zu Fuß gehen? Das schaffe ich nie.
Außerdem, wenn ich in diesem Zustand ins Haus kommen würde — wahrscheinlich auf Händen und Füßen kriechend —, würde sie dafür eine Erklärung verlangen.“
„Ich habe darüber nachgedacht“, antwortete der Symbiont. „Wenn du ihr Boot ausleihen willst, wirst du ohnehin eine Menge zu erklären haben, wie du es selbst ihrem Vater gesagt hast. Außerdem kannst du die Suche nicht allein durchführen; weder deine Eltern noch der Doktor haben oft Zeit, dich zu begleiten. Es ist ihr Boot; sie wird wahrscheinlich ohnehin gelegentlich mitkommen wollen, und dann müßten wir uns schon etwas sehr Überzeugendes einfallen lassen, um zu begründen, warum sie nicht mitkommen darf. Bob, ich weiß, daß es dir noch weniger gefällt als mir. Schließlich folge ich lediglich einer sehr vernünftigen Vorschrift, die völlig legal gebrochen werden darf, wenn die Umstände es erforderlich machen, während du völlig zurecht befürchtest, daß man dich für verrückt oder für einen Lügner hält, wenn du deine Geschichte nicht belegen kannst; aber ich habe inzwischen erkannt, daß wir mehrere Wesen deiner Spezies für dieses Projekt brauchen werden — und daß sie dazu voll informiert werden müssen.“
„Kannst du wirklich riskieren, deine Vorschriften zu brechen?“
„Ich werde mich wahrscheinlich dafür rechtfertigen müssen, doch wir neigen dazu, die Handlungsweise des Mannes, der mit einer außergewöhnlichen Situation konfrontiert wird, zu respektieren. Ich habe von dieser Freiheit bereits einige Male Gebrauch gemacht, bei dir, bei dem Doktor und bei deinen Eltern, und ich mache mir nicht die geringsten Sorgen darüber, daß man mich dafür bestrafen könnte, wenn wir gefunden werden. Ich bin völlig sicher, daß keiner von euch sein Wissen auf eine Weise verbreitet, daß die Arbeit eines eventuell hier arbeitenden Forschungsteams dadurch gestört wird. Ich bin jetzt überzeugt, daß wir noch ein paar weitere Mitglieder brauchen, wenn wir dein Leben retten wollen — und das halte ich für wichtiger, als ein paar Prinzipien heilig zu halten.“
„Und du glaubst, daß Jenny dafür geeignet ist?“
fragte Bob.
„Das kann ich noch nicht sagen; aber wahrscheinlich ist sie es. Sie muß intelligent sein, sonst könnte sie nicht die Arbeit verrichten, die ihr Vater ihr zugeteilt hat. Sie scheint physisch kräftig zu sein — sie ist fast so groß wie du, und sicher auch fast genauso schwer. Wenn sie ihr Boot häufig benutzt, ist anzunehmen, daß ein angemessener Teil dieses Körpergewichts aus Muskeln besteht. Noch eine Bemerkung zu ihrer Arbeit: offensichtlich vertraut ihr Vater ihrer Diskretion, sonst würde er sie nicht mit Krankenblättern arbeiten lassen. Eure Spezies hat einen nach meinem Dafürhalten übertriebenen Respekt vor der privaten Sphäre. Überlege es dir — doch ich glaube, daß ich recht habe.“
Bob überlegte nicht sehr lange; er schlief ein. Das war eine der störendsten menschlichen Angewohnheiten, fand der Jäger. Er selbst konnte nicht schlafen, jedenfalls kannte er keinen Schlaf, wie ihn die Menschen verstanden. Er blieb bei Bewußtsein, solange er genügend Sauerstoff bekam. Die humanoiden Gastgeber seines Heimatplaneten verbrachten weniger als ein Zehntel der Zeit im Schlaf; die kulturelle Situation basierte auf dieser Tatsache und gab den Symbionten während dieser kurzen Perioden genügend zu tun.