Bei der dritten Bucht erlitt Bob wieder einen seiner Schwächeanfälle, und Jenny mußte ihm aus dem Wasser helfen. In der Überzeugung, daß Na hrung ihn stärken würde, bestand sie darauf, daß er eine der Früchte aß, die sie mitgebracht hatte, und dadurch kam es zu einem Anfall von Übelkeit, wie ihn Bob schon am Vortag erlitten hatte.
Jenny glaubte noch nicht daran, daß es für Bob wirklich um Leben und Tod ging. Sie hatte ein leichtes Überlegenheitsgefühl, seit sie Bob aus dem Wasser geholfen hatte, und seine sichtliche Mühe, die Frucht herunterzubringen, amüsierte sie sogar ein wenig. Weder er noch sein Symbiont verstanden sie.
Ob sie seine Situation ernst nahm oder nicht, sie bestand darauf, die dritte Bucht allein abzusuchen, und wenn man die Zeit, die sie unter Wasser verbrachte, als Maßstab nahm, tat sie es sehr gründlich. Sie versuchte, das mindere Sehvermögen unter Wasser durch den Tastsinn auszugleichen und holte sich dabei eine ganze Reihe von Schrammen an Händen und Unterarmen.
Anschließend wollte sie auch die vierte Bucht allein absuchen, doch gab es hier genauso starke, tückische Wellen wie in der ersten.
„Sei nicht verrückt!“ rief Bob scharf, als sie den Vorschlag machte. „Diese Bucht ist genauso gefährlich wie die andere, die wir ausgelassen haben, und ich bin nicht in der Lage, dir zu helfen, wenn du in Schwierigkeiten geraten solltest. Wenn wir wüßten, daß das Ding dort liegt, wäre es etwas anderes, so aber ist das Risiko einfach zu groß.
Sieh sie dir von hier oben an, wenn du willst, und sage uns, ob irgend etwas so aussieht, als ob das Ding darunter verborgen sein könnte; aber ich glaube, daß wir selbst für diese Phase der Suche den Metalldetektor brauchen, den Dad zu besorgen versucht. Wenn du hier ins Wasser gehst, darfst du Shorty nicht länger einen Trottel nennen.“
„Ja, du hast wahrscheinlich recht“, sagte Jenny widerwillig, „ich dachte nur, daß dieses Projekt für dich wichtig sei.“
„Das ist es auch. So wichtig, daß ich nicht riskieren kann, einen wichtigen Helfer zu verlieren. Zieh dich wieder an, ich will auch nicht, daß du durch einen Sonnenbrand ausfällst.“ Die rothaarige Jenny hatte trotz ihres lebenslangen Aufenthalts in den Tropen eine noch blassere Haut als Bob, die jedoch voller Sommersprossen war.
„Vielleicht sollte der Jäger eine Weile in mir bleiben, um das einzige voll einsatzfähige Mitglied des Teams zu beschützen“, sagte sie.
„Gegen Sonnenbrand kann er auch nichts tun — er verträgt ultraviolettes Licht noch schlechter als wir.“
„Ich hatte an meine Hände gedacht“, sagte sie und blickte auf die Schrammen, die ihr die scharfen Korallen gerissen hatten.
„Weißt du, mich würde der Jäger schon verlassen, wenn ich wach bin, da ich ihn schließlich recht gut kenne, aber er würde bestimmt warten, bis du eingeschlafen wärst, bevor er zu dir ginge. Er hat eine genaue Vorstellung davon, wie Menschen, die nicht an Symbionten gewöhnt sind, reagieren, wenn eine grüne Gallertpfütze auf sie zufließt; und wenn sie vor ihm zu fliehen versuchen, während er erst zum Teil in ihnen ist und ihn dabei zerreißen, empfindet er das als sehr unangenehm.“
„Grüne Gallertmasse? André hat etwas von… oh, das habe ich nicht gewußt…“ Jenny schwieg, und ihr Magen fühlte sich jetzt auch nicht besser an als der Bobs. Sie zog sich an, nahm eine Frucht aus dem Netz und wollte hineinbeißen. Doch dann schien sie es sich anders zu überlegen, steckte sie ins Netz zurück, dachte ein paar Sekunden nach und wandte sich Bob zu.
„Was hast du jetzt vor? Glaubst du, daß deine Muskeln wieder mitmachen, wenn du dich ein paar Stunden ausgeruht hast, oder soll ich dir ins Boot helfen und dich zurückbringen? Glaubst du wirklich, daß wir hier etwas erreichen können, bevor wir den Metalldetektor haben, den dein Vater von Mr. Tavaké bekommen soll?“
„Wir werden hier bleiben, wenn es dir recht ist.
Ich will nicht, daß die Hälfte der Inselbevölkerung mich in diesem Zustand sieht.“
„Ich könnte dich zu der Bachmündung bei eurem Haus bringen.“
„Ich mag das Risiko nicht eingehen. Immer mehr Menschen erfahren vom Jäger, aber ich will nicht, daß die ganze Insel von ihm weiß. Meine Helfer suche ich mir selbst aus, und Zuschauer will ich nicht.“
„Tut es dir leid, daß du mir von ihm erzählt hast?“
„Das ist eine Fangfrage, aber — nein. Du weißt, daß ich nicht verrückt bin, und falls du noch nicht ganz sicher sein solltest, wird dein Vater dir die letzten Zweifel nehmen.“
„Willst du dich noch etwas mehr auf Apu ums ehen, wenn du wieder gehen kannst? Ich meine, bevor wir den Metalldetektor haben?“
„Ganz bestimmt.“
„Und jetzt sitzen wir hier nur herum und lassen uns rösten.“ Jenny setzte kein Fragezeichen an das Ende dieses Satzes, und selbst der Jäger konnte erkennen, daß sie nicht die geringste Absicht hatte, tatenlos zu warten. Er hatte eine ganze Reihe menschlicher Wesen kennen gelernt, die immer dazu bereit waren, nur abzuwarten und die Zeit mit sinnlosem Gerede zu füllen, doch Jenny Seever, erkannte er, gehörte nicht dazu.
Sie saß eine ganze Weile schweigend und schien nachzudenken, doch es ha ndelte sich lediglich um ein paar Minuten, nicht um Stunden. Dann stand sie auf.
„Ich werde zu Mr. Tavak6 gehen und feststellen, wie lange er braucht, um so einen Detektor herzustellen. Dein Vater hat inzwischen sicher mit ihm darüber gesprochen. Willst du hier warten, bis ich zurückkomme, soll ich dich in der Nähe deines Hauses absetzen oder was sonst?“
Bob richtete sich auf. „Wie willst du ihn nach dem Detektor fragen, ohne daß er dich fragt, wofür wir das Ding brauchen?“
„Ein bißchen Verstand solltest du mir schon zutrauen, auch wenn ich nicht an einem berühmten College studiert habe. Dein Vater muß ihm irgendeine Erklärung gegeben haben; ich brauche nicht einmal zu wissen, was du damit anfa ngen willst.
Also, willst du hier warten oder kommst du mit?“
„Ich komme lieber mit. Dann kann ich wieder zu Kräften kommen, bis du zurückkommst, und etwas unternehmen.“
„Du könntest hier weitersuchen.“
„Du mußt nicht auch noch Salz in die Wunde streuen.“ Bob paßte es gar nicht, daß ihm die Initiative entrissen wurde, erkannte der Jäger, aber er war zu klug, um das offen zu zeigen. „Wir wollen sehen, ob ich ohne Hilfe zum Boot kommen kann.
Ich weiß, daß ich keine große Hilfe wäre, es zu Wasser zu lassen.“
„Das schaffe ich auch allein.“ Jenny bewies Takt, als sie es unterließ, Bob beim Aufstehen zu helfen, obwohl sie erkannte, daß es ihm sehr schwer fiel.
Doch als er auf den Beinen war, schaffte er die dreißig oder vierzig Yards bis zum Boot ohne Schwierigkeiten. Das Mädchen war ihm vorausgegangen und hatte das Kajak bereits in das Wasser gesetzt, als er das Ufer erreichte. Er stieg ein, wieder ohne Hilfe, und Jenny begann zu paddeln.
Nach einer Minute etwa machte Bob eine Bemerkung, und der Jäger ärgerte sich, daß nicht er auf diesen Gedanken gekommen war.
„Wäre es nicht besser, wenn du nicht auf die Bachmündung zuhalten würdest, sondern den kürzesten Weg zur Küste nimmst und ihr dann im flachen Wasser folgst, damit ich sofort aussteigen kann, falls es notwendig werden sollte? Wenn mein Magen wieder revoltiert, brauche ich nicht unbedingt dein Boot zu versauen.“
„Könntest du dich nicht außenbords beugen?“
„Natürlich. Aber ist das Boot stabil genug? Ich habe bis jetzt immer darauf geachtet, es im Gleichgewicht zu halten.“