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Doch mit jedem Helfer, den sie notgedrungen einweihen mußten, verhärtete sich seine Abneigung, noch mehr Menschen hinzuzuziehen. Vielleicht war es notwendig, ihn zu seinem eigenen Besten an die Kandare zu nehmen. Jenny würde im Prinzip dazu bereit sein; aber da ergab sich die Schwierigkeit, mit ihr sprechen zu können. Der Jäger dachte lange und gründlich nach und betrachtete die Zeit, die sie in der Bibliothek verbrachten, nicht als vergeudet.

Den größten Teil der zwei Stunden sagte Maeta nicht ein Wort, das nicht in direktem Zusamme nhang mit ihrer Arbeit stand, doch kurz vor Schluß wechselte sie kurz das Thema.

„Bob, hast du irgend etwas zu Jenny gesagt, das sie so auslegen könnte, daß du dich über sie lustig machst oder sie nicht ganz für voll nimmst, weil sie kein College besucht hat?“

„Nicht, daß ich wüßte. Auf jeden Fall lag das nicht in meiner Absicht.“ Bob war ehrlich überrascht. „Warum fragst du denn?“

„Ich weiß, daß sie Komplexe hat, weil sie von keinem College angenommen wurde, und irgend etwas, das sie sagte, bevor sie ging, läßt mich vermuten, daß du vielleicht Salz in die Wunde gestreut hast.“

„Warum sollte ich? Ich habe nicht einmal gewußt, daß sie sich bei einem College beworben hat. Aber warum sollte sie deshalb Komplexe haben? Eine ganze Reihe von jungen Leuten war nicht auf einem College — du, zum Beispiel, und du bist ein paar Jahre älter als sie, und dir scheint es nichts auszumachen. Shorty hat kein College besucht, und der hat deswegen ganz gewiß keine Komplexe.“

„Shorty? Ach, du meinst den Malmstrom-Jungen.“ Die Wortwahl war interessant, da Malmstrom etwa drei Jahre älter war als Maeta.

„Ich weiß nicht viel von ihm. Ich jedenfalls habe mich nicht um einen Studienplatz in irgendeinem College beworben und konnte deshalb auch nicht abgelehnt werden. Ich bin hier restlos glücklich.

Ich lerne gerne etwas Neues, und in dieser Bibliothek habe ich ein Leben lang zu tun, um all das zu lesen, was uns zur Verfügung steht. Es gibt außerhalb dieser Insel nichts, was mich von hier forttreiben könnte. Aber Jenny ist da anders, also sei bitte vorsichtig bei allem, was du zu ihr sagst.“

„In Ordnung. Danke, daß du mich darauf hingewiesen hast.“

Bob nahm Maetas Hinweis so, wie sie ihn geäußert hatte, doch der Jäger hatte das Gefühl, daß etwas anderes dahintersteckte. Er versuchte, mehrere sich bietende Möglichkeiten gegeneinander abzuwägen, als sie wieder nach oben gingen. Vielleicht hatte Maeta wirklich das Gefühl, das andere Mädchen beschützen zu müssen; Jenny war jünger als sie, wenn auch nur um ein oder zwei Jahre. Andererseits mochte sie sich Gedanken um Bobs Neigung machen, ein wenig zu stolz auf seinen neuerworbenen akademischen Grad zu sein, eine Neigung, die dem Jäger durchaus bewußt war. Er sah jedoch keinen Grund dafür, daß Maeta sich für Bob besonders interessieren sollte — oder vielmehr, er sah schon einen Grund, hielt ihn jedoch nach einer so kurzen Bekanntschaft für unwahrscheinlich. Er hatte gehört, daß die weibliche Form der menschlichen Spezies allgemein dazu neigte, jeden greifbaren Mann umzuformen, oder es zumindest zu versuchen, doch da diese Behauptung stets von Mä nnern aufgestellt worden war, hatte er ihr wenig Wert beigemessen. Er hatte es aus biologischen Gründen für unwahrscheinlich gehalten, daß es entscheidende psychologische Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern der Menschen geben könnte, mit Ausnahme der kulturell gewachsenen.

Wahrscheinlich hätte er diese Frage ohnehin als unwichtig und unlösbar beiseite geschoben, selbst wenn seine Aufmerksamkeit nicht abgelenkt worden wäre.

Bob war mit seinem Rad zur Bibliothek gefahren.

Maeta begleitete ihn bis zur Haustür, als er sich verabschieden wollte, obwohl sie sofort zurückgehen und beim Sortieren der Bücher weitermachen wollte, und Bob wandte den Kopf, um die üblichen Abschiedsworte zu murmeln, als er sich auf sein Rad schwang. Eine Sekunde später lag er auf dem Beton der Straße.

Der Jäger kategorisierte sofort die Schäden: schwere Abschürfungen am linken Knie, an der linken Schulter und am linken Ellbogen. Nicht ganz so schnell ging es zu entscheiden, welche Schutz- und Heilmaßnahmen zu treffen waren. Wenn Bob allein gewesen wäre, hätte er nicht einen einzigen Tropfen Blut verloren; doch Maeta und ein paar andere Menschen, die sofort herbeigelaufen waren, würden sich vielleicht Gedanken darüber machen, daß jemand einen solchen Sturz ohne Verletzungen überstehen konnte. Vielleicht sollte ich ihn ein wenig bluten lassen, überlegte der Jäger; nicht so stark, daß irgendwelche Schäden auftreten könnten, sondern nur so viel, daß es natürlich wirkt.

Andererseits, überlegte er, war das Konzept von ›Glück‹ bei den Menschen sehr verbreitet, und er hatte beobachtet, daß viele Mitglieder dieser Spzies die unglaublichsten Vorkommnisse mit einem Schulterzucken abtun konnten, indem sie dieses Wort gebrauchten. Der Jäger beschloß, es darauf ankommen zu lassen. Er folgte seiner natürlichen Neigung, versiegelte alle offenen Blutgefäße und nahm sich dann die Mikroorganismen vor, die in die Wunden eingedrungen waren.

Sein Partner war trotz der Überraschung sofort wieder auf den Beinen, bevor einer der anderen in seine unmittelbare Nähe gekommen war. Er fühlte sich vor allem beschämt und verlegen, und diese Gefühle wurden durch die Bemerkung eines der jugendlichen Zuschauer nicht gerade gemildert.

„Man sollte annehmen, daß einer sieht, wohin er fährt, auch wenn ein Mädchen in der Nähe steht, meint ihr nicht auch?“

„Ich habe nur…“ Bob brach den Satz sofort ab, weil er erkannte, daß alles, was er sagen mochte, für einen zehnjährigen Jungen nur neue Munition war.

„Was ist passiert, Bob?“ Maeta war zurückgekehrt. „Bist du verletzt?“

„Nicht physisch. Mein Ego wird allerdings einige Pflaster brauchen. Ich kann mir überhaupt nicht erklären, was passiert ist. Das Rad ist einfach unter mir weggerutscht.“ Alle Kinder drängten sich jetzt um ihn und betrachteten prüfend sein Fahrrad. Es schien völlig in Ordnung zu sein, doch als Bob vorsichtig wieder aufstieg, sah er, was los war: Vorderrad und Lenkstange standen nicht im rechten Winkel zueinander; wenn er die Lenkstange geradeaus richtete, wich das Vorderrad ein ganzes Stück nach rechts ab. Normalerweise hätte das nichts ausgemacht; die Reflexe eines Radfahrers werden vom Input der Intertialsinne und dem allgemeinen visuellen Eindruck des Geländes geste uert. Er starrt nicht ständig auf das Vorderrad, um zu sehen, in welche Richtung es rollt. In diesem Fall aber hatte Bob das Fahrrad noch nicht richtig in Bewegung gesetzt, als er sein Körpergewicht auf das linke Pedal verlagerte und das rechte Bein über den Sattel schwang. Natürlich hatte er das Vorderrad sofort scharf nach links gerissen, als er zu fallen begann, doch das Rad rollte noch viel zu langsam, um darauf zu reagieren, und so war es einfach unter ihm weggerutscht, wie er es gesagt hatte.

„Wenn einer Grips im Kopf hat, richtet er seine Lenkstange aus“, sagte der Junge, der schon früher eine Bemerkung gemacht hatte.

„Du hast völlig recht“, stimmte Bob zu. „Alles in Ordnung, Maeta. Auf bald.“ Er schwang sich wieder auf sein Rad und fuhr die Straße hinab, diesmal ohne sich umzublicken.

„Solltest du die Lenkstange nicht lieber festziehen?“ fragte der Jäger. „Du hast doch Werkzeug, nicht wahr?“