Und das war Seevers Job.
„Ich habe noch immer kein Argument gefunden, das dich ganz von der Arbeit befreit und dich andererseits stundenlang tauchen lassen würde“, sagte der Arzt langsam. „Mit Ausnahme des einen, das du ablehnst. Aber vielleicht gelingt es mir, dich von schwerer körperlicher Arbeit freizustellen. Die Blutuntersuchung hat genügend seltsame Abweichungen ergeben, um eine eindrucksvolle Monographie darüber schreiben zu können. Mit deinem Kalzium stimmt etwas nicht. Der Jäger achtet auch nicht richtig auf deinen Zuckerspiegel. Ich glaube, ohne ihn würdest du an einem Nadelstich verbluten, und Adrenalin scheinst du überhaupt nicht zu haben. Er muß dir anscheinend etwas geben oder etwas tun, um das auszugleichen, denn sonst wärst du längst tot, aber es ist kein Adrenalin. Ich kann also wahrheitsgemäß berichten, daß der Test recht eigenartige Ergebnisse gebracht hat, aber…“ Seevers Stimme erstarb.
„Aber PFI könnte darin einen Grund sehen, mich nach Tahiti zu schicken, oder sogar nach Japan oder in die Staaten, um gründlichere Untersuchungen durchführen zu lassen, nicht wahr?“
„Richtig.“
„Könnten Sie ihnen nicht nur einen Teil davon berichten? Daß die Blutuntersuchungen einige Anomalitäten ergeben hätten, die weitere Tests erforderlich machten, und daß man mir einen Schreibtischjob oder so was geben soll, damit ich immer für Sie erreichbar bin? Wenn ich keine schwere körperliche Arbeit machen muß, kommt es vielleicht gar nicht mehr zu diesen Erschöpfungszuständen; oder zumindest könnte ich sie tarnen, und auch die Gelenkschmerzen.“
„Das ist alles, was wir im Moment tun können“, stimmte Seever ihm zu. „Ich werde meinen Bericht in diesem Sinn abfassen, und du meldest dich morgen zur Arbeit und wirst sehen, was passiert. Auf jeden Fall ist es einen Versuch wert. Was die andere Sache betrifft, so sehe ich keine Möglichkeit, etwas zu unternehmen, bevor die Tauchausrüstungen eintreffen, da du es ablehnst, Maeta mit hinzuzuziehen.“
„Da bin ich anderer Meinung.“ Jenny meldete sich zum erstenmal zu Wort, seit sich das Gespräch um das medizinische Problem gedreht hatte. Beide Männer blickten sie fragend an, und ihr Vater wollte wissen, was sie damit sagen wollte.
„Meinst du, wir könnten etwas tun, damit die Ausrüstung eher hier eintrifft? Oder weißt du, daß es auf der Insel schon so etwas gibt?“
„Weder — noch. Ich glaube, ich habe eine Idee, wie wir etwas tun können, bevor die Tauchausrüstung hier eintrifft.
Aber ich bin noch nicht ganz sicher und will noch etwas darüber nachdenken. Bob, wenn du morgen nach der Arbeit herkommst — du mußt ohnehin zu Dad, damit er sieht, wie es dir geht —, habe ich mir vielleicht etwas überlegt, womit wir eine Weile auch ohne die Tauchausrüstungen weitermachen können.“
„Warum kannst du es uns nicht gleich sagen?“
fragte Bob. „Wir könnten so einen Tag gewinnen!“
„Weil ich die Sache noch nicht genau durchdacht habe und keine Lust habe, mich lächerlich zu machen.“ Bob blickte ihren Vater an, der aber nur die Schultern zuckte.
„Ich denke, wir können die Tagung abschließen“, sagte er. „Bob, geh jetzt nach Hause und versuche, möglichst viel zu schlafen. Jäger, dir kann ich nichts weiter sagen. Jenny, setze deinen Denkapparat in Schwung, und wenn ich dir irgendwie helfen kann, ohne mich in dein Geheimnis zu drängen, sage mir Bescheid. Noch etwas, Bob: Komm bei mir vorbei, bevor du zur Arbeit gehst und hole dir meinen Bericht ab. Ich werde mein Bestes tun, aber erwarte nicht zu viel. Der alte Toke neigt zu der Ansicht, daß man den Graduierten so bald wie möglich klarmachen sollte, daß sie nicht unersetzlich sind, und nicht einmal besonders wichtig.“
Sie trennten sich. Bob fuhr nach Hause, ohne sich vorher die Mühe gemacht zu haben, die Fahrradlenkstange gerade zu richten, und aus der Ruhe, die Seever ihm verordnet hatte, wurde vorerst nichts, weil Daphne über ihn herfiel, als er ins Haus trat.
Nachdem sie endlich zu Bett gegangen war, berichtete er seinen Eltern von den Ereignissen dieses Tages, verschwieg jedoch den Sturz mit dem Fahrrad.
Der Jäger verbrachte die Nacht mit biochemischen Arbeiten, die nutzvoll sein mochten oder auch nicht; Bob hatte am nächsten Morgen jedenfalls keine Gliederschmerzen mehr. Seevers Bericht schien seine Wirkung getan zu haben, denn Bob und sein Gast verbrachten den nächsten Tag in der Raffinerie, und ihre einzige Aufgabe bestand darin, Kontrollgeräte zu überwachen und ab und zu ein Ventil zu betätigen.
Die Arbeit war nicht zu anstrengend. Bobs Muskeln hielten durch und trugen ihn am späten Nachmittag ohne Schwierigkeiten zum Haus des Arztes.
Jennys Idee war eine von der Sorte, bei der man sich am liebsten in den Hi ntern treten möchte, daß sie einem nicht selbst eingefallen war.
8
Routine, leicht abgeändert
Es mochte nicht ganz sicher sein, doch der Jäger fand es durchaus erträglich. Ein Rohr von drei Zoll Durchmesser und einer Länge von eineinhalb Fuß war mit Draht an einer Seite des Zementgehäuses festgebunden worden, in dem der Metalldetektor steckte. Das obere Ende des Rohrs war mit einem Holzpfropfen verschlossen. An der Innenseite dieses Pfropfens befand sich ein improvisierter elektrischer Schalter, der den Stromkreis eines aus zwei Leitungen bestehenden Kabels schloß, das an dem Halteseil des Geräts befestigt war. Der Jäger konnte auf diese Weise elektrische Signale nach oben senden, doch bis jetzt war dazu noch kein Anlaß gewesen.
Das untere Ende des Rohrs war offen und erlaubte dem Jäger, den Meeresboden zu beobachten; dazu verwandte er ein Auge, das er aus seiner Körpersubstanz geformt hatte. Sie hatten ihm ein Auge aus einer Linse und einem kurzen Zylinder aus einem undurchsichtigen Material machen wollen, doch das war noch nicht fertig geworden. Es würde auf jeden Fall gewisse Vorteile haben; die Substanz des Jägers war nicht völlig transparent, also ließ sich aus ihm keine wirklich gute Linse formen, und es war auch nicht völlig opak, so daß das ›Auge‹ Streulicht nicht ganz abschirmen konnte. Er konnte auf diese Weise zwar sehen, bevorzugte jedoch im allgemeinen die Augen anderer als Medium.
Der Meeresboden war sehr unregelmäßig geformt, und der Korallenbewuchs sogar noch mehr, also mußte er ständig ›Aufwärts‹- und ›Abwärts-Signale‹ nach oben geben. Das Störendste aber war, daß sich auch die Kopfhörer des Detektors im Boot befanden, und Bob und Jenny keine Möglichkeit hatten, dem Jäger Nachricht zu geben, wenn das Gerät ansprach. Sie hatten versucht, einen Eisenring, der an einer langen Schnur hing, in der Substanz des Jägers zu befestigen, doch hatte sich herausgestellt, daß mechanische Signale äußerst unzuverlässig waren, da sich jede Bewegung des Bootes auf so eine Verbindung übertrug, also hatte man den Versuch aufgegeben. Bob hatte vorgeschlagen, eine Taschenlampenbirne in der Röhre zu befestigen, die mit einem Schalter und über, eine zweite Leitung betätigt werden konnte, doch die Anlage war noch nicht fertig.
Über eine Woche war vergangen, seit Jenny diesen Vorschlag gemacht hatte. Aufgehalten von der Arbeit und von schlechtem Wetter, hatten sie nur wenige Stunden mit der Suche verbringen können.
Es gab eine ungenaue Karte des Seebodens jenseits des Riffs, doch stellte sie nur einen schmalen Ausschnitt der Riffkarte dar, die Arthur Kinnaird im Büro der Gesellschaft kopiert hatte.
Die Überprüfung der Position des Bootes, die sie alle ein oder zwei Minuten vornehmen mußten, um das Gebiet abzustecken, das sie bereits untersucht hatten, war äußerst lästig, obwohl bei einer Besprechung dieses Themas, an der alle Beteiligten teilgenommen hatten, eine relativ simple Technik der Positionsbestimmung entwickelt worden war, die die horizontalen Winkel bestimmter Tankpaare in der Lagune als Meßpunkte verwendete. Der Jäger gab über die Leitung eine Ziffer nach oben, wenn er einigermaßen deutlich erkennbare markante Punkte am Meeresboden entdeckte, und notierte Einzelheiten mit einem Stück Graphit auf ein Stück Papier, das an die Innenseite des Rohrs geklebt worden war; bei jedem Signal berechneten die Menschen im Boot die Position. An den Abenden der Tage, an denen sie überhaupt zum Arbeiten kamen, trugen Bob und der Jäger die entspreche nden Daten in die Karte ein.