Was geschehen war, erfuhren sie vor der Haustür, wo Jennys Mutter sie erwartete.
„Ich dachte schon, ihr würdet überhaupt nicht mehr kommen“, rief sie. „Du bist sicher gerade mit der Arbeit fertig geworden, Bob. Hört zu, ihr werdet jetzt zu Jennys Boot gehen und euch dort sehr genau nach irgendeinem scharfen Gegenstand umsehen. Wir müssen feststellen, was es war.“
Bob und Maeta wollten die auf der Hand liegenden Fragen stellen, doch die Frau hob ihre Hand, um sie zu stoppen. „Entschuldigt. Ich weiß, daß ich unhöflich war, aber ich bin völlig durcheinander.
Als Jenny vor etwa einer Stunde zu ihrem Boot ging — sie ist vorher eine Weile im Haus gewesen —, ist sie in etwas getreten, das unter dem Sand verborgen war und ihr den Fuß dicht hinter dem Ballen der großen Zehe bis auf den Knochen aufgeschnitten hat. Ihr Vater ist immer noch dabei, die Sehnen zusammenzunähen. Zwei junge Leute haben sie nach Hause gebracht, und sie hat viel Blut verloren, so daß sie uns nicht viel erzählen konnte.
Ben und ich wollen wissen, in was sie getreten ist.
Und ihr sicher auch. Wir sind hier schließlich nicht in den Staaten, wo alle Strände mit zerbrochenen Flaschen gepflastert sind; dies ist eine zivilisierte Gemeinde.“
„Kommt sie wieder in Ordnung?“ fragte Bob.
Und Maeta setzte hinzu: „Hat sie viel Blut verloren?“
„Ja, als Antwort auf deine Frage, Bob, und was die deine betrifft, Maeta, so glaube ich nicht, daß es eine allzu große Menge war. Und jetzt geht zum Strand und stellt fest, in was sie getreten ist, bitte.“
Ohne ein weiteres Wort wandten sich die beiden um und liefen zum Strand, wobei sie die Straße vermieden und die Abkürzung über Trampelpfade zwischen Häusern und Gärten nahmen. Immer wieder stießen sie auf Flecken von getrocknetem Blut; offensichtlich war Jenny auf diesem Weg nach Hause gebracht worden.
Es waren noch einige Dutzend Menschen am Strand, obwohl die Sonne fast untergegangen war.
Die meisten Boote waren jetzt an Land gezogen worden oder lagen vor Anker. Niemand schien jedoch etwas von Jennys Unfall bemerkt zu haben; jedenfalls hatte sich keine Menschenmenge um ihr Boot versammelt, und nirgends sahen sie diskutierende Gruppen herumstehen, wie es für solche Gelegenheiten typisch ist. Es war ein völlig normaler Samstagabend auf Ell, kurz vor der Dinnerzeit.
Bob und Maeta trugen solides Schuhwerk, also zögerten sie nicht, auf Jennys Kajak zuzugehen. In einer Entfernung von einem Yard oder so war der Sand blutdurchtränkt, und das schien die Stelle zu sein, an der sie logischerweise mit der Suche beginnen sollten. Bob sagte: „An die Arbeit, Jäger, und spar dir große Reden“, als er sich neben den braunen Blutfleck kniete und im losen Sand zu graben begann. Der Jäger mußte zugeben, daß sein Gastgeber dabei unter Berücksichtigung der Umstände einigermaßen vorsichtig zu Werke ging, doch er behielt es für sich und machte sich an seine Arbeit, das heißt, er bereitete sich auf die notwendigen Hilfsmaßnahmen vor, falls Bob den Gegenstand, den er suchte, auf schmerzhafte Weise finden sollte.
Etwa eine Minute später, als Bob die unmittelbare Umgebung des Blutflecks in einer Tiefe von sechs oder acht Zoll durchwühlt hatte, begann auch Maeta zu graben. Nachdem sie Bobs Einspruch zurückgewiesen hätte, der so ähnlich klang wie der, den der Jäger gegenüber seinem Gastgeber anwandte, wenn er das Gefühl hatte, daß Bob unvorsichtig oder leichtsinnig handelte, durchwühlte sie den Sand entlang der Bootsseite, die geflickt werden sollte. Dann begann sie auf Bob zuzuarbeiten. Sie hatte ihn noch längst nicht erreicht, als die Sonne unterging.
„Wir müssen morgen früh weitermachen“, sagte Bob und richtete sich stö hnend auf. „Ich frage mich nur, wann wir Zeit haben werden, das Schiff zu untersuchen, oder was es sonst sein mag, das ihr gefunden habt.“
„Bleibe hier“, sagte Maeta. „Ich gehe nach Hause und hole eine Lampe. Unser Haus liegt näher als das des Doktors.“
„Glaubst du, daß es die Mühe wert ist? Bis mo rgen früh wird sich bestimmt niemand verletzen.“
„Ja, das glaube ich“, sagte das Mädchen mit fester Stimme, und der Jäger, ziemlich überrascht über Bobs Begriffsstutzigkeit, fügte hinzu: „Natürlich ist es die Mühe wert, Bob. Erinnere dich an den Stolperdraht, in den du hineingefahren bist. Wir müssen entweder feststellen, in was Jenny hineingetreten ist, oder sicher sein, daß es wirklich verschwunden ist.“ Maeta war gegangen, bevor der Jäger den Satz zu Ende gesprochen hatte, doch Bob antwortete trotzdem laut.
„Oh — natürlich. Daran habe ich nicht gedacht.
Ich bin von der Annahme ausgegangen, daß ich das einzige Opfer sei, falls es überhaupt so etwas wie ein Opfer geben sollte. Wenn dies wirklich nicht nur ein Unfall gewesen sein sollte — und darauf scheint Jennys Mutter hingedeutet zu haben —, wo könnte es dann vergraben worden sein?“
„Unmittelbar neben dem Boot, wo jeder, der den Flicken aufkleben wollte, unfehlbar hineintreten mußte“, sagte der Jäger ein wenig ungeduldig.
„Oh, deshalb also hat Maeta auf der anderen Seite zu graben begonnen.“
„Das ist wohl anzunehmen.“ Der Jäger hielt sich zurück, doch es kostete ihn erhebliche Mühe, obwohl er einsah, daß sein Gastgeber sich nicht in einem normalen Zustand befand, und außerdem hatte er offen zugegeben, daß er manchmal ein wenig begriffsstutzig war.
Sie setzten die Suche fort, bis Maeta zurückkam, doch obwohl die Venus das Licht des abnehme nden Mondes verstärkte, kamen sie nur sehr langsam voran. Glücklicherweise war das Mädchen wenige Minuten später wieder zurück und brachte eine starke Taschenlampe mit; und zu Bobs Erleichterung war sie bereit, zu leuchten und ihm die Arbeit des Grabens zu überlassen. Er arbeitete umsichtig und gründlich, wobei die Sehkraft des Mädchens und des Jägers seine eigene verstärkte, und eine Stunde später waren alle drei bereit zu schwören, daß sich innerhalb eines Fünfzehn-Fuß-Radius um die schadhafte Stelle im Bootsleinen nichts befand, das die Haut eines Menschen durchbohren konnte, mit Ausnahme von ein paar kleinen Meeresmuscheln, und an denen konnte keiner von ihnen auch nur die geringste Blutspur entdecken, nicht einmal der Jäger.
Dieses Resultat war äußerst interessant, da menschliche Haut erwiesenermaßen durchbohrt worden war.
„Wenn er klug gewesen wäre, hätte er das Ding hier liegen lassen“, sagte Bob. „Dann hätte es tatsächlich nur ein Unfall sein können.“
„Es war genauso dumm, wie deine Lenkstange wieder festzuschrauben“, bemerkte Maeta. „Es muß jemand sein, der nicht allzu clever ist, und das läßt mich sofort an André denken, oder vielleicht hat er einen Grund, auf den wir bisher noch nicht gekommen sind, um uns klarzumachen, daß es keine Unfälle sind.“
An diese Möglichkeit hatte Bob noch nicht gedacht und konnte Maeta deshalb auch keine Antwort geben. Sie waren sehr nachdenklich, als sie zu Seevers Haus zurückgi ngen, um über ihre vergebliche Suche zu berichten.
Der Arzt hatte seine Arbeit beendet, und Jenny lag auf der Couch, den verletzten Fuß dick bandagiert und geschient, damit sie Zehen und Knöchel nicht bewegen konnte. Während der folgenden Diskussion, an der sich der Jäger kaum beteiligte, erfuhren Bob und er zum erstenmal von der defe kten Bremse an Jennys Fahrrad. Jeder von ihnen war der Überzeugung, daß es ein wenig zuviel verlangt sei, jetzt noch an Zufälle zu glauben. Bob sträubte sich am heftigsten gege n die Erkenntnis, daß hier planmäßig versucht wurde, das Projekt zur Rettung seines Lebens zu sabotieren, doch selbst er meinte seine Frage nicht ganz ernst, als er sich bei Seever erkundigte, ob auch bei anderen Inselbewohnern eine höhere Unfallrate festzustellen gewesen sei.
Die Antwort war ein qualifiziertes Nein; wie Seever es ausdrückte, habe er nichts davon bemerkt.
„Natürlich ist bei einer so kleinen Bevölkerungszahl…“ begann Bob, als Jenny sich zum erstenmal in das Gespräch einmischte.