Выбрать главу

»Er kam einfach und ging wieder, nicht wahr?«

»Ja

»Und Sie haben ihn nie wiedergesehen?«

Thorn preßte die Zähne aufeinander, und Jennings sah es. Nun war es klar, daß der Botschafter irgend etwas zu verbergen hatte.

»Nie wieder.«

»Ich dachte, er könnte … vielleicht … vielleicht könnte er bei einem Ihrer Vorträge anwesend gewesen sein.«

Ihre Blicke begegneten sich. Thorn wußte, daß er nun mitspielen mußte.

»Wie war doch Ihr Name?« fragte Thorn.

»Jennings. Haber Jennings.«

»Mr. Jennings …«

»Haber …«

»Haber …«

Thorn betrachtete das Gesicht des Fotografen, dann glitt sein Blick an ihm vorbei, und er sah wieder zum Fenster hinaus.

»Sir?«

»Ich habe großes Interesse daran, den Mann zu finden. Den Priester, der hier war. Ich fürchte, ich war ziemlich kurz angebunden und ich möchte gern Abbitte leisten.«

»In welcher Weise waren Sie kurz angebunden?«

»Ich habe ihn ziemlich rüde entlassen. Eigentlich habe ich gar nicht richtig gehört, was er mir zu sagen hatte.«

»Ich bin sicher, daß er daran gewöhnt ist. Wenn Leute Sie um Spenden angehen …«

»Ich möchte ihn zu gern finden. Es ist wichtig für mich.«

Nach dem Gesichtsausdruck Thorns war es bestimmt wichtig für ihn. Jennings wußte, daß er da in irgendeine Sache hineingeschlittert war, doch er hatte keine Ahnung, was es sein könnte.

»Wenn ich ihn entdecke, melde ich mich sofort«, sagte er.

»Würden Sie das bitte tun?«

»Natürlich.«

Thorn nickte ein paarmal und Jennings verstand. Er stand auf, ging zu Thorn und schüttelte ihm die Hand.

»Sie sehen sehr besorgt aus, Herr Botschafter. Ich hoffe nur, die Welt geht nicht gleich jetzt in die Luft.«

»O nein«, erwiderte Thorn lächelnd. »Keine Sorge.«

»Ich bin einer Ihrer Bewunderer. Darum besuche ich möglichst alle Veranstaltungen, bei denen Sie zugegen sind.«

»Vielen Dank.«

Jennings ging auf die Tür zu, doch dann hielt ihn Thorn zurück.

»Mr. Jennings?«

»Sir?«

»Ich wollte nur noch fragen … Sie haben den Priester persönlich eigentlich nie gesehen?«

»Nein.«

»Sie haben da eine Bemerkung gemacht, daß er bei einem meiner Vorträge gewesen sei. Ich dachte vielleicht …«

»Bedaure – gesehen hab’ ich ihn nicht …«

»Na schön. Macht nichts.«

Es entstand eine Verlegenheitspause, dann ging Jennings wieder zur Tür.

»Gibt es vielleicht mal eine Möglichkeit, ein paar Bilder von Ihnen zu machen? Ich meine, zu Hause? Mit Ihrer Familie?«

»Ach, das ist im Moment nicht möglich. Leider …«

»Vielleicht rufe ich Sie mal in ein paar Wochen an.«

»Tun Sie das.«

»Sie werden von mir hören.«

Er ging, und Thorn sah ihm nach. Es war klar, daß der Mann etwas wußte, über das er nicht sprechen wollte. Aber was konnte er möglicherweise von dem Priester wissen?

War es nur ein Zufall, daß ein Mann, mit dem er, Thorn, Kontakt aufgenommen hatte, den Priester suchte, der ihn verfolgte und jagte? Doch so sehr Thorn auch darüber nachdachte – er konnte sich keinen Reim darauf machen. Wie so viele andere Ereignisse in der letzten Zeit, schien auch das wieder nur ein Zufall zu sein, dennoch hatte er das Gefühl, daß in diesen Zufällen irgend etwas Gesetzmäßiges steckte.

8

Für Edgardo Emilio Tassone konnte dieses Leben auf Erden nicht schlimmer sein als das im Fegefeuer. Aus diesem Grunde hatte er, wie so viele andere, bei dem Hexensabbat in Rom mitgemacht. Tassone war portugiesischer Abstammung, Sohn eines Fischers, der auf den großen Bänken vor Neufundland umgekommen war, während die Mannschaft nach Kabeljau fischte. Wenn er an seine Kindheit zurückdachte, stieg ihm der Geruch von Fisch in die Nase. Wie ein Krankheitsgeruch hatte er an seiner Mutter gehangen, und in der Tat war sie an einem Parasiten gestorben, als sie rohen Fisch gegessen hatte, weil sie zu schwach gewesen war, um Holz zum Feuern zu holen.

Mit acht Jahren war Tassone Waise, und man brachte ihn in ein Kloster. Dort, von den Mönchen so lange geschlagen, bis er seine Sünden bekannte, wurde er ›errettet‹. Er hatte sich Christus hingegeben, als er zehn Jahre alt war, aber sein Rücken trug immer noch die Narben von unzähligen Schlägen, denn es hatte lange gedauert, bis ER ihm endlich leibhaftig erschienen war.

So hatte man die Gottesfurcht buchstäblich in ihn hineingeprügelt, und er weihte sein Leben der Kirche, blieb acht Jahre im Seminar und studierte Tag und Nacht die Bibel. Er las von Gottes Liebe und Gottes Zorn, und im Alter von fünfundzwanzig Jahren wagte er den Schritt in die Welt hinaus, um andere vor dem Höllenfeuer zu erretten.

Er wurde Missionar. Er predigte zuerst in Spanien, dann in Marokko das Wort des Herrn. Von Marokko aus ging er in die Südostecke Afrikas, um dort Heiden zu bekehren, und er bekehrte sie auf die gleiche Weise, wie man ihn bekehrt hatte. Er schlug sie, wie er geschlagen worden war, und er entdeckte, daß er in der religiösen Ekstase ein sexuelles Lustgefühl empfand.

Unter den jungen afrikanischen Bekehrten war einer, der zu ihm kam, um ihn anzubeten, und sie teilten die fleischliche Lust miteinander, indem sie die einfachen Gesetze von Mensch und Gott befleckten.

Der Name des Jungen war Tobu. Er war ein Angehöriger des Kikuyu-Stammes.

Als man ihn mit Tassone erwischte, wurde der Junge in einer Zeremonie verstümmelt, sein Hodensack geöffnet und die Testikel entfernt; der junge Mann wurde gezwungen, sie zu essen, während seine Stammesbrüder zusahen. Tassone selbst war es gerade noch gelungen zu entkommen, aber im Somaliland erfuhr er, daß die Kikuyus einen Mönch der Franziskaner ergriffen und lebend an seiner Stelle gehäutet hatten. Nach der Häutung mußte er laufen, bis er tot umfiel.

Tassone war nach Aden und schließlich nach Djakarta geflohen, aber er spürte Gottes Zorn auf sich, wohin er auch immer ging. Ständig schien der Tod um ihn zu sein. Er traf diejenigen, in deren Gesellschaft oder Begleitung er sich befand, und er fürchtete jeden Augenblick, daß er nun an der Reihe sein müsse. Aus den biblischen Texten wußte er sehr gut, was der Zorn Gottes bedeutete. Er reiste schnell und suchte Schutz vor dem, was, wie er wußte, unvermeidlich kommen mußte. In Nairobi lernte er Pater Spilletto kennen und gestand ihm seine Sünden; Spilletto versprach ihm Schutz und Hilfe, und er nahm ihn sogar mit nach Rom. Und dort, in den Gewölben Roms, wurde er mit dem Dogma der Hölle vertraut gemacht. Die Satanisten hatten sich hier eine Freistätte geschaffen, in der das Urteil Gottes nichts galt. Sie beschäftigten sich mit den Vergnügungen, die ihnen ihr Körper ermöglichte, und Tassone teilte seinen Körper mit anderen, denen dieses verworfene Spiel Vergnügen bereitete. So waren sie eine Gemeinschaft der Ausgestoßenen, die einmütig andere ausstießen. Sie trieben Gotteslästerung und Teufelsanbetung in einem.

In ihrem Geheimbund befanden sich in der Mehrzahl Arbeiter, aber auch einige sehr angesehene Männer. In der Öffentlichkeit führten alle ein respektables Leben, und dies war ihre wertvollste Waffe gegen diejenigen, die Gott anbeteten.

Es war ihre Mission, Furcht und Verwirrung zu stiften, die Männer gegeneinander aufzuhetzen, bis die Zeit des Unheiligen, des Satans, gekommen war. Kleine Gruppen, die Task Forces genannt wurden, versuchten wie Terroristen Chaos zu schaffen, wo es nur möglich war. Die Satanisten Roms zogen Vorteile aus den Unruhen in Irland, indem sie die Katholiken und die Protestanten aufeinander hetzten und das Feuer des Religionskrieges schürten. Zwei irische Nonnen, die in dem Geheimbund als B’aalock und B’aalam bekannt waren, hatten sich als Bombenleger in Irland betätigt, aber eine von ihnen, B’aalam, war dann durch eigene Hand umgekommen. Man fand ihre Leiche nach einer Explosion auf dem Marktplatz, schaffte die sterbliche Hülle nach Italien und bestattete sie in dem heiligen Boden von Cerveteri, dem alten etruskischen Friedhof, der heute Cimitero di Sant’ Angelo heißt und sich in den Außenbezirken Roms befindet.