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Bewegungslos standen Thorn und Jennings da, während das Tier geduckt und langsam auf sie zukroch, bis sie seinen ganzen Körper sehen konnten. Der Hund war abgemagert bis auf die Knochen, und eine offene Wunde klaffte unter den vom Blut verklebten Haaren an seiner Seite. In den Büschen begann es zu rascheln. Ein weiterer Hund kam heran. Er war grau, die Schnauze mißgestaltet, Speichel tropfte von den Lefzen. Und der nächste Hund kam. Dann wieder einer. Der ganze Friedhof schien lebendig zu werden – lauter dunkle Gestalten, die aus dem Nichts auftauchten – ein ganzes Rudel tollwütiger und heißhungriger Bestien.

Wie betäubt standen Jennings und Thorn da. Sie hatten Angst, sich zu bewegen. Sie wagten nicht, einander anzusehen, während die heulenden Tiere sie nicht aus den Augen ließen.

»Sie riechen … die Kadaver«, flüsterte Jennings. »Wir müssen uns … ganz langsam … absetzen …«

Mit angehaltenem Atem begannen die beiden Männer zurückzuweichen. Sogleich kamen die Hunde näher, geduckt, die Köpfe kaum über dem Boden, als ob sie sich jeden Augenblick auf ihre Beute stürzen wollten. Thorns Magen zog sich zusammen, und unwillkürlich mußte er rülpsen. Sofort griff Jennings nach ihm und versuchte ihn zu beruhigen.

»Nicht rennen … sie wollen bloß … die Leichen …«

Aber als sie an den beiden geöffneten Gräbern vorbeigingen, folgten ihnen die Hunde; tief geduckt schlichen sie hinter ihnen her, ihre Augen waren nur auf die Männer gerichtet.

Nun waren sie ganz nahe. Verzweifelt suchte Jennings nach dem Zaun, aber bis dahin waren es mindestens noch dreißig Meter.

Wieder taumelte Thorn. Er mußte sich an Jennings festhalten. Die beiden Männer zitterten, während sie sich auf staksigen Beinen davonmachten.

Und dann stießen sie mit den Rücken gegen etwas Festes. Thorn zitterte. Sie standen an der Säule des großen steinernen Götzenbildes, umringt von den Hunden, die ihnen jeden Fluchtweg versperrten. So blieben sie wie erstarrt stehen – Jäger und Beute. Der Kreis der speichelnden Hunde hatte sich geschlossen. Sie waren gefangen.

Die Sonne war jetzt aufgegangen und warf ihren rötlichen Schein über den Friedhof. Thorn taumelte wieder und hielt sich an einem Grabstein fest. Still standen die Hunde, starr die Männer. Jeder schien auf ein Signal zu warten, um sich in Bewegung zu setzen. Die Sekunden vergingen, und sie drängten sich enger aneinander. Die Männer steif und aufrecht, die Hunde geduckt, sprungbereit.

Plötzlich stieß Jennings einen gellenden Schrei aus und schleuderte sein Eisenstück in die Meute. Er wollte den Rudelführer treffen. Auf einmal war der ganze Haufen in Aufruhr. Wie auf ein Zeichen sprangen die Hunde los, um sich auf die fliehenden Männer zu stürzen. Doch schon im nächsten Augenblick lag Jennings am Boden. Die Tiere warfen sich auf ihn. Er rollte beiseite, und dabei verwickelten sich die Riemen seiner Kamera. Sie schnürten ihm schier die Kehle zu. Sie schnitten ins Fleisch seines Halses. Jetzt umtanzten ihn die Ungeheuer wie besessen. Gleich würden sie nach einem fetten Bissen schnappen.

Jennings schlug wild um sich. Er spürte die Kamera unterm Kinn … die Linsen waren beim Angriff der wütenden Meute zerbrochen.

Thorn hatte inzwischen fast den Zaun erreicht, aber auf einmal war das Tier dicht hinter ihm. Das geifernde Maul biß ins Fleisch seines Rückens. Thorn versuchte sich zu wehren, indem er mit aller Gewalt dem Ausgang zustrebte, aber das Tier heftete sich an ihn, sprang mit erhobenen Vorderbeinen an ihm hoch, so daß er fiel. Ein kleines Stück kroch er so weiter, um sich alsbald wieder aufzurichten, doch die andern Hunde waren schon da – wie viele Hunde eigentlich? Er konnte kaum noch etwas sehen außer diesen Zähnen, die dicht vor seinen Augen aufblitzten … Speichel traf ihn, ekliger Hundespeichel, und noch einmal kämpfte er in wilder Wut gegen diese höllische Meute, nur um den Zaun zu erreichen. Es schien unmöglich.

Eine Weile lag er da und spürte nur noch den brennenden Schmerz der Bisse in seinem Rücken. Nicht weit von ihm kauerte Jennings am Boden – ebenfalls von diesen Bestien umringt, die fortwährend nach seinem Hals schnappten. Auf einmal spürte Thorn keinen Schmerz mehr. Sein Körper spannte sich. Es gab jetzt nur eines: laufen, laufen, laufen! Er stützte sich auf die Hände, auf die Knie, er kroch auf allen vieren. Die Hunde ihm nach. Da berührte er etwas Kaltes: das Eisen, welches Jennings geworfen hatte! Mit diesem Eisen schlug er um sich – blindlings, und mit einem Mal sah er, daß er getroffen hatte, denn Blut floß, ein Hund vollführte einen irren Tanz; ein Augapfel baumelte an blutigen Sehnen aus seiner Höhle … und das war Thorns große Chance. Noch einmal stieß er zu. Noch einmal schwang er das Eisen im Kreis. Endlich stand er auf den Beinen.

Jennings rollte am Boden, bis er einen Baum erreicht hatte. Er tastete nach einem Ast. Er versuchte sich hochzuziehen, während die Hunde sich an ihm festbissen und an den Riemen seiner Fototasche zerrten. Und während er mit ihnen kämpfte, löste irgendeine Bewegung das Blitzgerät aus. Die Tiere duckten sich, als das grelle Licht sie blendete.

Nun war Thorn auf den Füßen. Immer noch schlug er wild mit dem Eisen zu. Er traf Köpfe und Mäuler, während er rückwärts dem Zaum entgegentaumelte.

Jennings war nicht weit vom Baum. Er hielt sein Blitzgerät vor sich und löste es jedesmal aus, wenn die Hunde herankamen. Er trieb sie zurück, bis er endlich die Einfriedung erreicht hatte.

Sofort rannte er zu Thorn. Immer noch hielt er mit seinen Blitzen die Hunde in Schach, während Thorn hinüberzuklettern begann. Seine Kleider waren zerrissen, sein Gesicht blutete. Mühsam zog er sich hoch, dann ließ er sich einfach fallen. Er hatte es geschafft, als er jenseits des Zauns hart auf die Erde fiel. Jennings folgte ihm, und immer wieder flammte sein Blitzlicht auf. Schließlich warf er es gegen die heulenden Hunde, während er mit einem Satz hinuntersprang.

Thorn taumelte. Jennings hielt ihn fest und zog ihn zum Auto, in dem der Fahrer ihnen müde entgegensah und dann erschrocken aufstöhnte. Er griff nach der Zündung, aber die Schlüssel waren nicht da. Dann riß er die Tür auf und half Jennings, Thorn auf den Rücksitz des Wagens zu schaffen.

Als Thorn im Wagen lag und Jennings zum Kofferraum rannte, um die Wagenschlüssel zu holen, schaute er zu den Hunden zurück, die sich wie wahnsinnig gebärdeten. Heulend vor Wut rasten sie immer wieder gegen das Tor. Einer versuchte darüber zu springen, und er hätte es beinahe geschafft, doch er wurde am Hals aufgepfählt und das Blut spritzte wie eine Fontäne aus der Wunde. In ihrer wilden Wut warfen sich die anderen Hunde auf ihn und zerfleischten ihn. Seine Beine zuckten wild. Sein Heulen war markerschütternd.

Die Hintertür des Taxis war noch geöffnet, als der Wagen bereits davonraste. Fassungslos schaute der Fahrer in den Rückspiegel. Thorn und Jennings sahen nicht mehr wie Menschen aus, sie lagen da wie eine unförmige Masse aus Blut und Kleidern. Sie hielten sich umklammert und weinten wie Kinder.

11

Der Taxifahrer hatte sie zu einer Unfallstation in einem Krankenhaus gebracht. Danach hatte er ihr Gepäck aus dem Wagen geladen und war davongefahren. Thorn war wie in Trance, aber Jennings beantwortete alle Fragen. Er nannte falsche Namen und erzählte eine Geschichte, die die Leute im Hospital ihm sogar glaubten.

Er berichtete ihnen, sie seien betrunken gewesen und über ein Privatgrundstück gegangen. Gewiß – Warnschilder habe es gegeben, daß die Schuppen von bissigen Hunden bewacht wurden. Irgendwo in den Außenbezirken Roms sei’s gewesen, doch er könne sich nicht mehr daran erinnern, wo … nur daß es dort auch einen hohen Zaun mit spitzen Gittern gegeben habe – ja, auf die sei sein Freund gefallen …

Die Wunden der beiden Männer wurden behandelt, man gab ihnen eine Tetanusspritze, man sagte, sie sollten in einer Woche wiederkommen und sich einer Blutuntersuchung unterziehen, damit man sicher sei, daß die Spritzen gewirkt hätten. Sie zogen sich um und gingen.