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Schließlich gelangte er durch das große schmiedeeiserne Tor. Er blinzelte, um die Nachwirkungen des Marihuanas abzuschütteln, aber dann merkte er, daß dies keineswegs eine Illusion sein konnte, was er da sah.

Auf der großen Fläche vor dem Haus hatte man einen richtigen Rummelplatz aufgebaut. Ein buntes Treiben auf den Rasenflächen! Kinder rannten zwischen einem Zirkuszelt und einem Karussell hin und her, während Männer und Frauen sich durch die Menge schoben und Zuckerwatte oder andere Süßigkeiten verteilten. Ihre Stimmen gingen in dem Georgel unter, welches das Karussell veranstaltete, auf dem Kinder, teils auf rosa Pferdchen, teils auf Riesenschwänen schaukelnd, unermüdlich kreisten. Es gab ein Wahrsagerzelt, vor dem sogar höchst prominente Herrschaften Schlange standen; es gab Shetlandponys, die frei umhertummelten; sogar ein junger Elefant war da, den man mit einem roten Stoffsattel geschmückt hatte und der aus den Händen quiekender Kinder Erdnüsse entgegennahm. Und natürlich Fotografen überall, die nicht genug Schnappschüsse kriegen konnten. Nur Haber Jennings schien nichts Lohnenswertes entdeckt zu haben. Immer noch betrachtete er kritisch die Fassade des alten Hauses.

»Was ist denn los, Mann? Hast keine Filme mehr?«

Es war Hobie vom News Herald, der ihn ansprach und der in fieberhafter Eile am Würstchentisch einen Film einlegte, als Jennings sich gerade etwas zu essen holen wollte.

»Ich warte bloß noch auf seine Heiligsprechung«, erwiderte Jennings mißmutig.

»Wie … wie meinen Sie das?«

»Ich weiß nicht, ob wir hier bloß den Erben der Thorn-Millionen haben oder den Erlöser höchstpersönlich.«

»Sie sind ein Narr, wenn Sie sich das entgehen lassen, Mann. So ’ne Sache kriegen Sie doch höchstens alle Jubeljahre vor die Linse.«

»Was soll’s. Was ich brauche, kann ich von Ihnen kaufen.«

»Ach so, Sie wollen Exklusivaufnahmen, was?«

»Was anderes bestimmt nicht.«

»Dann viel Glück. Sie scheinen nicht zu wissen, daß das hier eine Familie ist, die sich noch privater benimmt als unser Pärchen in Monaco.«

Exklusivaufnahmen. Das war’s, wovon Haber Jennings träumte. Durch den Privateingang in die geheiligten Gefilde. Eine aufregende Sache, auf diese Weise auf die Pirsch zu gehen. Wenn er es schaffen könnte, irgendwie ins Haus zu gelangen … es könnte sich auszahlen.

»Hey, Mädchen! Mädchen!« hörte er Hobies Stimme in der Ferne. »Hierher schauen!« Die ganze Aufmerksamkeit konzentrierte sich plötzlich auf den riesigen Geburtstagskuchen, der auf einem fahrbaren Tisch aus dem Inneren des Hauses gerollt kam. Das Kindermädchen Chessa kam im Clownskostüm mit weißgepudertem Gesicht und einem knallroten Oval um den Mund. Die Fotografen umtanzten sie sofort, und Chessa war überglücklich, ganz im Mittelpunkt des Geschehens zu stehen. Immer wieder drückte sie den kleinen Damien an sich und küßte ihn, bis sein Gesichtchen um und um beschmiert mit Puder und Schminke war.

»Kann er die Kerzen ausblasen?« brüllten die Fotografen. »Lassen Sie’s ihn mal versuchen.«

Langsam wanderten Jennings’ Augen über die Menge; er entdeckte Katherine Thorn, die ein Stückchen entfernt stand und um deren Mund ein mißbilligendes Lächeln spielte. Für den Bruchteil einer Sekunde zeigte sie ein völlig fremdes Gesicht. Jennings griff instinktiv nach seiner Kamera und drückte auf den Auslöser. Langsam ging Katherine weiter, als sie den Applaus und das Geschrei der Leute hörte, die sich um die Geburtstagstorte Damiens geschart hatten.

»Man soll ihm die Zukunft weissagen!« rief ein Reporter. »Bringt ihn doch zur Wahrsagerin!« Und wie ein einziger Körper begann sich die Menge zu bewegen, sie schob das Kindermädchen mit dem Geburtstagskind über den Rasen.

»Ich werde ihn nehmen«, sagte Katherine und griff nach Damien, als sie vorbeigingen.

»Ich kann das schon, Ma’am«, sagte Chessa und lachte.

»Nun – laß mich nur«, entgegnete Katherine mit einem bittersüßen Lächeln.

Und in der Sekunde, da sich ihre Blicke trafen, ließ das Mädchen den kleinen Damien los. Es war ein Augenblick, der im allgemeinen Tumult von keinem bemerkt worden war – es sei denn von Jennings, der seine Sucher auf die Gruppe gerichtet hielt. Chessa war inzwischen allein zurückgeblieben. Wie verlassen sie aussah, vor dem Hintergrund der mächtigen Hausfront, und vielleicht war’s dieses kuriose Clownskostüm, das ihre Verlassenheit noch unterstrich! Jennings knipste zweimal. Jetzt aber hatte sich Chessa umgedreht. Langsam ging sie aufs Haus zu.

Vor dem Zelt der Wahrsagerin bat Katherine die Reporter, draußen zu bleiben. Sie ging mit Damien hinein und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Die Ruhe und das Halbdunkel im Raum waren wohltuend.

»Hallo, kleiner Junge.«

Die Stimme der Gestalt, die hinter einem kleinen grünen Tisch saß, gab sich große Mühe, geisterhaft zu klingen. Als Damien dieses sonderbare Wesen entdeckte, klammerte er sich noch fester an seine Mutter.

»Aber, aber, Damien«, lachte Katherine. »Es ist doch eine nette Hexe. Sind Sie nicht eine nette Hexe?«

»Natürlich«, lachte die Wahrsagerin. »Ich werde dir bestimmt nichts tun, mein Kind.«

Aber Damien drängte fort. Er ließ Katherine nicht los. Die Wahrsagerin schob ihre Gummimaske hoch, und das strahlende Gesicht eines hübschen Mädchens tauchte auf.

»Siehst du? Ich bin ein ganz normaler Mensch. Wie könnte ich dir etwas antun?«

Beruhigt streckte Damien die Hand aus. Katherine setzte sich mit ihm an den Tisch, auf dem Spielkarten lagen.

»Oh, was für eine hübsche, zarte Hand. Das bedeutet viel, viel Glück.«

Doch dann schwieg sie und starrte verwirrt auf Damiens Hand.

»Zeig mir doch mal die andere.«

Als Damien die andere Hand ausstreckte, betrachtete das Mädchen ziemlich verstört die beiden Handflächen.

»Ist irgend etwas?« fragte Katherine.

»Ich habe so etwas noch nie gesehen«, antwortete das Mädchen. »Ich mache seit drei Jahren bei Kinderpartys mit, aber so etwas habe ich noch nie vorher gesehen.«

»Was gesehen?«

»Schauen Sie her. Ihm fehlen die Charakterlinien.«

»Was?«

Katherine schaute auch hin. »Aber ich kann nichts sehen«, sagte sie.

»Hat er sich mal verbrannt?« fragte das Mädchen.

»Nein, natürlich nicht.«

»Betrachten Sie mal Ihre eigene Hand. Sehen Sie alle diese Linien? Sie sind bei jedem Menschen verschieden. Es sind Zeichen der Identität.«

Es entstand eine peinliche Pause. Das Kind starrte auf seine Hände. Was sollte da wohl falsch sein?

»Schauen Sie mal, wie glatt seine Fingerspitzen sind«, sagte das Mädchen. »Ich glaube, man könnte gar keine Fingerabdrücke machen!«

Katherine senkte den Kopf und schaute genau hin. Und sie sah, daß das Mädchen recht hatte.

»Na so etwas«, sagte das Mädchen. »Wenn er eine Bank ausraubt, dann können sie ihn gar nicht schnappen.« Und dann lachte sie laut, während Katherine schweigend und verstört die kleinen Hände betrachtete.