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Er packte Damien am Kragen seines Pyjamas und zog ihn über den Sitz, doch der Junge wehrte sich und schrie. Seine Füße trafen Thorns Leib. Er fiel rückwärts auf die Straße. Mühsam stand er auf. Er packte einen Fuß und zog das Kind heraus, doch Damien entkam seinem Griff und begann zu rennen. Thorn raste hinter ihm her, er hielt ihn am Pyjama fest und warf ihn aufs Pflaster. Über ihnen schien der Himmel zu explodieren. Damien rutschte über das nasse Pflaster und versuchte wieder, Thorns Händen zu entkommen. Aber Thorn warf sich auf den Jungen, er schob sich über ihn, legte die Hände um seine Brust; er zog das schreiende, tretende Kind mit sich zur Kirche.

Auf der anderen Straßenseite wurde ein Fenster geöffnet und ein Mann schrie etwas, aber Thorn ging weiter durch den prasselnden Regen. Sein Gesicht war eine Maske des Schreckens, als er die breiten Stufen der Kirche hinaufstieg.

Ein heulender Wind schlug Thorn so ins Gesicht, als wolle er ihn vernichten. Mit letzter Kraft bäumte sich Thorn gegen die bösen Elemente auf.

Da erklang die Sirene eines Polizeiwagens, und aus dem Fenster jenseits der Straße brüllte der Mann, Thorn solle das Kind loslassen. Doch er wollte nichts hören. Er kämpfte sich durch den heulenden Sturm, während der Junge sich im Fleisch seiner Wangen verkrallte und ihm die Finger in die Augenhöhle drückte. Thorn ging in die Knie, doch bald hatte er sich wieder aufgerafft. Jetzt zerrte er das schreiende Kind zum Kirchenportal.

Wieder ein Blitz.

Thorn hatte die Treppe erreicht. Mit letzter Kraft zog er Damien nach, und während seine Kräfte mehr und mehr versagten, wuchsen die Kräfte des Jungen. Damien schlug, kratzte, stieß und spuckte um sich, als er den Eingang zum Gotteshaus unter seinen Füßen spürte.

Thorn drückte den Entfesselten mit übermenschlicher Anstrengung zu Boden, dann holte er aus der Manteltasche die Dolche. Ein markerschütternder Schrei aus Damiens Mund, ein Schlag gegen Thorn, und die Dolche flogen auf die Kirchenstufen. Thorn packte den nächstbesten, während er mit der andern Hand den Jungen festhielt …

Die Polizeisirene wird immer lauter. Auf einmal ist es still.

Jetzt ein Schrei. Thorn hebt den Dolch …

»Halt!« brüllt eine Stimme von der Straße her. Zwei Polizisten kommen, einer mit gezücktem Revolver. Thorn sieht sie, dann betrachtet er das Kind, und mit einem fürchterlichen Gebrüll stößt er zu …

Im selben Augenblick, so wird später berichtet, ist der Schuß gefallen. Thorns Welt schien stillzustehen, schien zu enden an dieser Schwelle: hinter ihm das Portal der Kirche, vor ihm der Körper des Kindes und die Ewigkeit.

Dann öffneten sich weit die Kirchentüren. Ein Priester trat heraus. Er sah hinter einem dichten Regenschleier drei Männergestalten. Ein Kind …

13

Die Nachricht von der Tragödie verbreitete sich schnell durch London und alsbald über die ganze Welt. Es war eine verwirrende Geschichte, die Details widersprachen sich, und zwei Tage lang strömten die Reporter ins City Hospital, um die Ärzte zu befragen – um herauszubekommen, was geschehen war. Und wie es geschehen war.

Am Morgen des zweiten Tages kam eine Gruppe von Ärzten und Schwestern in das Zimmer und warteten auf die Fernsehkameras, damit sie ihre Meinung zu dem Fall loswerden konnten.

Es war ein südafrikanischer Arzt, der vom Groote-Schuur-Hospital in Capetown eingeflogen worden war und der als letzter sprach.

»Ich möchte Ihnen gern mitteilen … daß der Tod um 8 Uhr 30 heute vormittag eintrat. Unsere Bemühungen, das Leben zu retten, waren zwecklos, denn die Verletzungen waren so stark, daß nichts mehr getan werden konnte.«

Die versammelten Reporter begannen zu murmeln und der Doktor wartete, bis es wieder still geworden war.

»Es werden keine weiteren Verlautbarungen mehr herausgegeben. In der All Saints Church, vor der sich die Tragödie ereignete, wird eine Messe für den Toten gelesen werden, dann soll der Leichnam zur Bestattung in die Vereinigten Staaten gebracht werden.«

In New York City wartete die Reihe der Limousinen am JFK. Die beiden Särge standen auf einem Wagen und wurden über den Highway zum Friedhof gefahren. Polizisten auf Motorrädern machten den Weg frei. Der Friedhof war überfüllt, als die Wagen ihn erreichten; die Neugierigen und die Trauernden wurden von Sicherheitsbeamten zurückgehalten, als die Trauergäste zum offenen Grab geführt wurden.

Ein Priester in einer weißen Robe trat an die Särge, die mit der amerikanischen Flagge bedeckt waren. Musik erklang, als die Särge zu den offenen Gräbern gebracht wurden. Ein Beauftragter prüfte die Tragriemen, in denen die Särge hingen, und ließ sie ein wenig herunter, ehe die Lobpreisung begann.

»Wir betrauern heute gemeinsam«, intonierte der Priester. »den vorzeitigen Tod unseres Bruders und unserer Schwester, die einen Teil von uns auf ihre Reise in die Ewigkeit mitnehmen. Laßt uns nicht um sie trauern, die jetzt in die ewige Ruhe eingegangen sind. Trauern wir um uns, denn wir werden sie vermissen. Ganz gleich, wie kurz ein Leben ist, es ist ein erfülltes Leben, und wir müssen für die kurze Zeit dankbar sein, in der sie unter uns weilten.«

Die Menge schwieg; einige weinten, andere beschatteten ihre Augen vor der Sonne.

»Wir verabschieden uns von einem großen Manne … der in Wohlstand und Sicherheit geboren wurde … dem alles gegeben war, was sich Menschen nur ersehnen können. Aber gerade hier sehen wir, daß irdische Wohltaten nicht genügen.«

Draußen vor den Toren des Friedhofs beobachteten und fotografierten die Reporter unermüdlich. Eine kleine Gruppe unter ihnen stand abseits. Man unterhielt sich über die Tragödie des Ehepaars Thorn.

»Sonderbar, was?«

»Was ist daran sonderbar? Es sind ja nicht zum erstenmal Leute auf der Straße ermordet worden.«

»Was ist eigentlich mit dem Burschen, der gesehen hat, wie sie auf der Treppe miteinander kämpften? Der Kerl, der die Polizei anrief?«

»Ach, der war besoffen. Sie machten einen Blutalkoholtest, und er hatte eine ganze Menge intus.«

»Ich weiß nicht«, sagte der dritte. »Für mich ist das alles ein bißchen merkwürdig. Was machen sie um diese Zeit an der Kirche?«

»Seine Frau starb doch vor ihm. Vielleicht wollten sie beten.«

»Was für ein Verrückter würde wohl einen Mord auf den Stufen einer Kirche begehen?«

»Die Welt ist voll davon. Glauben Sie’s mir.«

»Ich weiß nicht«, meinte der erste. »Sieht fast so aus, als ob irgend etwas vertuscht werden sollte.«

»Wäre ja nicht das erstemal.«

»Und bestimmt nicht das letztemal.«

Langsam wurden die beiden Särge ins Grab hinuntergelassen. Der Priester hob beide Arme zum Himmel. Unter den versammelten Trauergästen war ein Paar, das abseits der anderen stand und das von Männern in Zivil umgeben war, die die Menge scharf beobachteten.

Da war ein Mann, würdevoll und stattlich, und eine Frau mit einem schwarzen Schleier vor dem Gesicht. Sie hielt einen vier Jahre alten Jungen an der Hand, dessen Arm in einer Schlinge lag.

»Und während wir Jeremy und Katherine Thorn zur ewigen Ruhe betten«, sagte der Priester. »wenden wir uns ihrem Kind Damien zu, dem einzigen Überlebenden dieser einstmals großen Familie, das nun in einer anderen Familie leben wird. Möge er die Liebe erwidern, die sie ihm schenken werden, möge er der rechte Nachfolger seines Vaters werden. Ein leuchtendes Vorbild für uns alle – für die Menschheit.« Damien lächelte.

Damien beobachtete, wie die beiden Särge hinabgelassen wurden. Er umklammerte fest die Hand der Frau an seiner Seite.

»Möge Gott dir, Damien Thorn, seinen Segen und seine Gnade schenken … möge dich Christus ewig lieben.«

Aus dem wolkenlosen Himmel kam ein entferntes Donnergrollen, und die Menge begann sich langsam zu zerstreuen. Die Leute, die von den Polizisten in Zivil umgeben waren, warteten, bis alle gegangen waren, dann näherten sie sich dem Grab, und das Kind kniete sich hin, um zu beten. Es lächelte.