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Was Katherine betraf, so fühlte sie dies genauso, aber sie war hilflos. Sie konnte nichts dagegen tun, vor allem aber wollte sie nicht, daß sie die Zuneigung eines Menschen zu ihrem Kind durch irgendwelche Eifersüchteleien störte. Schon einmal hatte sie es getan. Damals hatte sie Damien einer fröhlichen Gesellschafterin beraubt, wofür sie sich immer noch verantwortlich fühlte, und sie war nicht bereit, das noch einmal geschehen zu lassen.

So willigte Katherine ein, als Mrs. Baylock nach der zweiten Woche bat, in ein Zimmer, das direkt dem Zimmer Damiens gegenüberlag, einziehen zu dürfen. Vielleicht war das bei den reichen Leuten so üblich. Katherine selbst war in bescheidenen Familienverhältnissen großgeworden, und dort war es die Aufgabe der Mutter gewesen – ihre einzige Aufgabe übrigens –, liebevolle Erzieherin und Beschützerin ihres Kindes zu sein. Doch hier war das Leben ganz anders. Sie war die Herrin eines großen Hauses, und vielleicht war es in der Tat höchste Zeit, daß sie anfing, sich wie eine Herrin zu benehmen.

So verfügte Katherine über eine Menge freier Zeit. Sie unternahm dies und jenes, sie beschäftigte sich mit Dingen, die Jeremy mit Freuden guthieß. Den Vormittag zum Beispiel widmete sie wohltätigen Zwecken, nachmittags lud sie häufig Damen aus Diplomatenkreisen oder wichtige Leute aus der Politik zum Tee. Katherine war kein gesellschaftliches Mauerblümchen mehr, schon gar nicht jenes zerbrechliche Wesen früherer Jahre, sondern wahrhaftig ›eine Löwin voller Energie und Zuversicht, wie sie von Freunden scherzend genannt wurde. Und dies war genau die Frau, die Jeremy sich wünschte – Kathy war der Lebenspartner, von dem er immer geträumt hatte. Gewiß, die plötzliche Veränderung in ihrem Wesen war ein wenig beunruhigend, aber sollte er Katherine in ihren Aktivitäten deshalb hemmen? Sogar ihr Liebesleben hatte sich geändert. Es war erregender, leidenschaftlicher geworden. Jeremy kam allerdings nicht auf den Gedanken, daß dies möglicherweise eher ein Zeichen der Verzweiflung denn ungetrübte Lust war.

Jeremy Thorn war von seiner beruflichen Aufgabe restlos ausgefüllt, und seit der Ölkrise war er zur wichtigsten Stütze des Präsidenten geworden, wo immer es um Kontakte mit den arabischen Ölscheichs ging. Ein Flug nach Saudi-Arabien stand nun wieder bevor, und Jeremy mußte ohne Katherine fliegen, denn Frauenbegleitung hielten die Araber bei einem Mann stets für ein Zeichen der Schwäche.

»Das begreife ich nicht«, meinte Katherine, als er ihr die Situation erläuterte.

»Ist eine Angelegenheit ihrer Kultur«, erwiderte Thorn. »Ich bin ihr Gast, und ich muß ihre Sitten respektieren.«

»Müssen sie denn nicht auch die Gepflogenheiten des Gastes respektieren?«

»Natürlich tun sie das.«

»Nun, bin ich kein kultivierter Mensch?«

»Katherine –«

»Ich habe diese Scheichs gesehen. Und ich habe die Frauen gesehen, die sie kaufen. Wohin sie gehen, werden sie von Huren begleitet. Wollen sie vielleicht, daß du das auch tust?«

»Ehrlich, ich habe keine Ahnung.«

Sie waren im Schlafzimmer. Es war spät. Nicht gerade die rechte Zeit, um einen Streit anzufangen.

»Was soll das bedeuten?« fragte Katherine ruhig.

»Es ist eine wichtige Reise, Kathy.«

»So. Und wenn sie von dir verlangen, daß du mit einer Hure schläfst –«

»Wenn sie von mir verlangen, mit einem ihrer Eunuchen zu schlafen, dann werde ich mit ihrem Eunuchen schlafen. Weißt du überhaupt, was hier auf dem Spiel steht?«

Sie waren an einem toten Punkt angelangt; langsam fand Katherine ihre Sprache wieder.

»Und wo ist mein Platz in dieser ganzen Geschichte?«

»Du bist hier. Was du hier tust, ist genauso wichtig.«

»Sprich nicht so herablassend mit mir.«

»Ich habe nur versucht, dir verständlich zu machen …«

»Daß du die Welt retten kannst, indem du tust, was sie sagen.«

»So kann man es auch ausdrücken.«

Sie sah ihn an, wie sie ihn niemals zuvor angesehen hatte. Hart. Haßerfüllt. Dieser Blick machte ihn unsicher.

»Ich glaube, daß wir alle irgendwie Huren sind, Jeremy«, sagte sie. »Du bist ihre Hure und ich bin deine. Und nun laß uns zu Bett gehen.«

Er verbrachte lange Zeit im Badezimmer, weil er hoffte, sie würde schlafen, wenn er herauskam. Aber sie schlief nicht.

Sie war wach und wartete. Es kam ihm ein Hauch feinsten Parfüms entgegen. Er setzte sich aufs Bett und sah sie lange an. Sie erwiderte sein Lächeln.

»Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich verstehe es wirklich.«

Sie nahm sein Gesicht und drückte es an ihre zarten Brüste. Dann zog sie ihn über sich und umarmte ihn fest. Ihr Atem wurde immer stärker, und er begann sie zu liebkosen, doch sie rührte sich nicht unter ihm.

»Mach’s doch«, drängte sie. »Mach’s mir einfach. Geh nicht weg.«

Und sie liebten sich auf eine Weise, wie sie es noch nie zuvor getan hatten. Katherine weigerte sich, sich zu bewegen, aber sie weigerte sich auch, ihn loszulassen. Es war, als liebte sie ihn nur mit ihrer Stimme, als drängte diese Stimme ihn zur äußersten Hingabe.

Auf einmal war es zu Ende. Sie ließ ihn los, und er glitt von ihr herunter und starrte sie verletzt und verwirrt an.

»Geh jetzt und rette die Welt«, flüsterte sie. »Geh hin und tu, was sie sagen, deine Ölscheichs.«

*

In dieser Nacht konnte Jeremy Thorn nicht schlafen. Er saß am Fenster des Schlafzimmers und starrte in die Vollmondnacht hinaus. Da lag der Wald – ein dunkles, unbewegliches Etwas. Eine schlafende Welt? Doch nein, dieses Etwas schlief nicht, Jeremy hatte vielmehr das deutliche Gefühl, daß auch er beobachtet wurde aus dem Dunkel heraus. Draußen auf der Veranda lag ein Feldstecher, mit dem sie bisweilen die Vögel beobachteten. Thorn ging also hinaus, nahm den Feldstecher und suchte damit die Umgebung ab. Plötzlich entdeckte er zwei Augen, die ihn anzustarren schienen … zwei feurige gelbe Kugeln, zwei dicht beieinanderliegende, stechende Punkte, die unverwandt aufs Haus gerichtet waren. Schaudernd setzte Jeremy den Feldstecher ab und ging wieder hinein. Einen Augenblick stand er da wie eine Steinsäule, dann raffte er all seine Energie zusammen und schlich auf bloßen Füßen zum Hauseingang. Ruhig öffnete er die Tür und trat ins Freie.

Es war ganz still, sogar das Zirpen der Grillen war verstummt.

Wieder begann er sich zu bewegen, als ob ihn irgend etwas zum Waldrand hinzöge. Dann blieb er stehen und lauschte.

Aber da war nichts. Nicht ein Laut. Die beiden glühenden Kugeln waren verschwunden. Er drehte sich um, und da trat er mit seinen nackten Füßen auf etwas Weiches, Nasses. Er hielt den Atem an. Er tat einen Schritt zur Seite. Es war ein totes Kaninchen, das er anfaßte – noch warm, und sein Blut strömte ins Gras, strömte aus einem Rumpf, dem der Kopf fehlte.

*

Am folgenden Morgen stand er früh auf und fragte Horton, ob er immer noch Fallen für Kaninchen oder Wildhasen aufstelle. Doch Horton verneinte dies, und Thorn nahm ihn zu dem Platz mit, wo das tote Tier lag. Es war nun von Fliegen über und über bedeckt. Horton scheuchte sie fort, als er sich hinkniete, um den Kadaver genauer zu betrachten.

»Was meinen Sie?« fragte Thorn. »Haben wir hier vielleicht einen Wilddieb?«

»Könnte ich nicht sagen, Sir. Aber ich bezweifle es.« Er hob den steifen Körper hoch und deutete mit dem Finger darauf.