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Tanner mußte zugeben, daß es das nicht war. Und außerdem mußte jetzt seine Neugierde befriedigt werden.

«Sie haben vorher gesagt, diese Sache — was auch immer das sein mag — hat nichts mit meiner Familie zu tun? Nichts mit meiner Frau? Oder mir?«

«Das habe ich beschworen, auf Band. «Fassett fiel auf, daß Tanner das >Oder mir?< nachträglich hinzugesetzt hatte. Er wollte seine Frau schützen.

«Gut, dann machen Sie weiter.«

Fassett erhob sich aus seinem Sessel und ging auf das Fenster zu.»Übrigens, Sie brauchen nicht sitzen zu bleiben. Das sind Mikrofone mit hoher Impedanz. Miniaturisiert, natürlich.«

«Ich werde sitzen bleiben.«

«Wie Sie meinen. Vor einigen Jahren hörten wir Gerüchte über eine Aktion des sowjetischen NKWD, die umfangreiche nachteilige Auswirkungen auf die Wirtschaft Amerikas haben könnten, sofern etwas daraus würde. Wir versuchten, den Spuren nachzugehen, etwas darüber zu erfahren. Aber es gelang uns nicht. Es blieb bei den Gerüchten. Das Geheimnis wurde viel besser gehütet als das russische Weltraumprogramm.

Dann lief 1966 ein ostdeutscher Abwehrbeamter über. Von ihm stammen die ersten konkreten Angaben. Er teilte uns mit, daß die ostdeutsche Abwehr Kontakte mit Agenten im Westen unterhielt — einer Zelle, besser gesagt, die nur unter der Bezeichnung Omega bekannt war. Die geographische Codebezeichnung gebe ich Ihnen gleich — oder vielleicht nicht. Das kommt in der zweiten Stufe. Das liegt bei Ihnen. Omega sollte regelmäßig Akten an die ostdeutsche Abwehr liefern. Zwei bewaffnete Kuriere flogen sie dann unter strengster Geheimhaltung nach Moskau.

Die Funktion von Omega ist so alt wie die Spionage selbst und in dieser Zeit der großen Firmen und der mächtigen multinationalen Konglomerate ungemein wirksam. Omega ist ein Buch der Vernichtung.«

«Ein was?«

«Ein Buch der Vernichtung. Listen mit Hunderten, inzwischen vielleicht sogar Tausenden von Individuen, die für die Pest ausersehen sind. In diesem Fall nicht die Schwarze Pest, sondern Erpressung. Die Männer und Frauen auf diesen Listen sind Leute an entscheidungsbefugten Positionen in Dutzenden mächtiger Firmen in wichtigen Branchen. Viele verfügen über ungeheuere wirtschaftliche Macht. Sowohl die Macht, Käufe zu tätigen, als auch Käufe abzulehnen. Vierzig oder fünfzig, die abgestimmt handeln, könnten ein wirtschaftliches Chaos herbeiführen.«

«Das verstehe ich nicht. Warum würden sie das tun? Warum sollten sie es tun?«

«Das sagte ich doch. Erpressung. Jeder dieser Menschen ist verletzbar, aus irgendeinem von tausend Gründen erpreßbar. Sex, außerehelich oder abnorm; geschäftliche Verfehlungen; Preisabsprachen; Aktienmanipulationen; Steuerhinterziehung. Das Buch betrifft eine große Zahl von Leuten. Männer und Frauen, deren Ruf, deren Geschäft, deren Beruf, ja sogar deren Familien vernichtet werden könnten. Außer, sie gehorchen.«

«Das deutet auf eine ziemlich niedrige Meinung von der Geschäftswelt, und ich bin nicht sicher, ob diese Meinung zutrifft. Nicht in dem Maße, wie Sie das beschreiben. Nicht in solchem Maße, daß es zu wirtschaftlichem Chaos führen könnte.«

«So? Die Crawford Foundation hat eine ausführliche Studie über die wirtschaftliche Macht in den Vereinigten Staaten in den Jahren von 1925 bis 1945 angestellt. Die Ergebnisse sind noch heute, ein Vierteljahrhundert später, Verschlußsache. Die Studie ergab, daß während dieser Periode zweiunddreißig Prozent der finanziellen Macht in diesem Lande durch fragwürdige, wenn nicht illegale Mittel erzielt wurde. Zweiunddreißig Prozent!«

«Das glaube ich nicht. Wenn das zutrifft, sollte man es veröffentlichen.«

«Unmöglich. Das würde ein juristisches Massaker auslösen. Die Beziehung zwischen Gerichten und Geld ist nicht makellos… Heute sind es die Multis. Sie brauchen doch bloß eine Zeitung aufzuschlagen. Sehen Sie sich den Wirtschaftsteil an und lesen Sie, was dort über die Manipulationen dieser Leute steht. Sehen Sie sich die Vorwürfe und die Erwiderungen an. Omega braucht da nur zuzugreifen. Das ist geradezu eine Liste von Kandidaten. Keiner dieser Leute lebt isoliert. Kein einziger. Da wird ein Darlehen ohne Sicherheiten gewährt, eine Kreditlinie erweitert — kurzfristig —, einem guten Kunden werden

Mädchen zur Verfügung gestellt. Omega braucht nur bei den richtigen Leuten ein wenig nachzubohren und schon hat sie eine Menge Material, Dreck! Das ist nicht besonders schwierig. Man muß nur genau sein. Genügend genau, um Angst zu machen.«

Tanner wandte den Blick von dem blonden Mann ab, der mit solcher Präzision sprach. Mit so viel entspanntem Selbstvertrauen.»Ich will einfach nicht glauben, daß Sie recht haben.«

Plötzlich ging Fassett zu dem Tisch zurück und schaltete das Bandgerät ab. Die Spulen kamen zum Stillstand.

«Warum nicht? Es geht nicht nur um die Informationen, die hier zutage kommen — die könnten relativ harmlos sein —, sondern wie sie eingesetzt werden. Nehmen Sie doch zum Beispiel sich selbst. Nehmen Sie an — das soll wirklich nur eine Annahme sein —, eine Geschichte, die auf Vorgängen basiert, die sich vor etwa zwanzig Jahren außerhalb von Los Angeles ereignet haben, würde in der Zeitung von Saddle Valley abgedruckt. Ihre Kinder gehen dort zur Schule, Ihre Frau fühlt sich in der Gemeinde wohl… Wie lange, glauben Sie wohl, daß Sie dort bleiben würden?«

Tanner erhob sich taumelnd aus seinem Sessel und sah den anderen an. Er war so wütend, daß seine Hände zitterten. Als er schließlich sprach, war er so erregt, daß seine Stimme kaum zu hören war.

«Das ist schmutzig!«

«Das ist Omega, Mr. Tanner. Beruhigen Sie sich, es sollte ja nur ein Beispiel sein. «Fassett schaltete das Gerät wieder ein und fuhr fort, während Tanner zögernd zu seinem Stuhl zurück ging.»Omega existiert. Und das bringt mich zum letzten Teil von Stufe eins… «

«Und was ist das?«

Laurence Fassett setzte sich hinter den Schreibtisch. Er drückte seine Zigarette aus, während Tanner ein Päckchen aus der Tasche holte.»Wir wissen jetzt, daß es einen Zeitplan für Omega gibt. Ein Datum, an dem das Chaos beginnen soll… Ich sage Ihnen nichts, das Sie nicht wissen, wenn ich zugebe, daß meine Dienststellen häufig mit dem Austausch von Personal mit den Sowjets befaßt ist.«

«Nichts, das ich nicht wüßte.«

«Einer von unseren Leuten gegen zwei bis drei von den ihren ist das übliche Verhältnis…«

«Das weiß ich ebenfalls.«

«Vor zwölf Monaten fand an der Grenze zu Albanien ein solcher Austausch statt. Fünfundvierzig Tage des Feilschens. Ich war dort, das ist der Grund, daß ich jetzt hier bin. Während des Austausches sind einige Mitglieder des sowjetischen Außenamtes an unser Team herangetreten. Man könnte sie wohl am besten als Gemäßigte bezeichnen. Ähnlich unseren Gemäßigten.«

«Mir ist bekannt, wogegen unsere Gemäßigten auftreten. Wogegen stellen sich die Gemäßigten der Sowjets?«

«Gegen genau das gleiche. Nur, daß das bei ihnen nicht das Pentagon und ein schwer zu fassender militärisch-industrieller Komplex ist. Bei ihnen sind es die Falken im Präsidium. Die Militaristen.«

«Ich verstehe.«

«Man hat uns davon informiert, daß die Sowjet-Militaristen einen Termin für die letzte Phase der Operation Omega festgelegt haben. An diesem Tag soll der Plan in die Tat umgesetzt werden. Hunderte mächtiger leitender Persönlichkeiten in der amerikanischen Wirtschaft werden mit persönlicher Vernichtung bedroht werden, falls sie nicht den Anweisungen nachkommen, die man ihnen erteilt. Die Folge könnte eine größere finanzielle Krise sein. Eine Wirtschaftskatastrophe ist nicht unmöglich… Und das ist die Wahrheit. - Das ist das Ende von Stufe eins.«

Tanner erhob sich aus seinem Stuhl und zog an seiner Zigarette. Er ging vor dem Schreibtisch auf und ab.»Und mit dieser Information habe ich jetzt die Option, hier wegzugehen?«