«Sie wissen ganz genau, daß wir möglicherweise ein beliebig größeres Risiko eingehen.«
«Sie sind nicht in Gefahr. Nicht, solange Sie fortfahren, sich normal zu verhalten. Wenn wir jetzt zuschlagen, geben wir zu, daß das Weekend eine Falle ist. Eine Falle, die nicht ohne Ihre Unterstützung aufgebaut werden konnte. Wir würden praktisch Ihr Todesurteil unterzeichnen.«
«Das verstehe ich nicht.«
«Dann glauben Sie es mir, ohne zu verstehen«, sagte Fassett scharf.»Omega muß zu uns kommen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.«
Tanner wartete und musterte Fassett aufmerksam.»Das stimmt nicht ganz, oder? Was Sie sagen, ist… Es ist zu spät.«
«Sie sind sehr scharfsinnig.«
Fassett nahm seine Tasse und ging zu dem Tisch, auf dem eine Thermosflasche mit Kaffee stand.»Wir haben nur noch einen Tag. Höchstens zwei. Bis dahin wird ein Teil von Omega zerbrechen. Wir brauchen nur einen. Einer der sich von ihnen löst. Dann ist es vorbei.«
«Und eine einzige Stange Dynamit in meinem Haus jagt uns alle in die Hölle.«
«Dazu wird es nicht kommen. Keine Gewalttätigkeiten. Keine, die sich gegen Sie richten. Um es ganz einfach auszudrücken,
Sie sind unwichtig. Die interessieren sich jetzt nur mehr füreinander.«
«Und was war gestern nachmittag?«
«Wir haben uns mit der Polizei getarnt. Ein Einbruch. Bizarr, zugegeben, aber nichtsdestoweniger ein Einbruchdiebstahl. Genau das, was Ihre Frau meint, daß passiert ist. So wie sie glaubt, daß es sich zugetragen hat. Sie brauchen überhaupt nichts zu leugnen.«
«Aber die wissen, daß es eine Lüge ist. Die werden unseren Bluff auffliegen lassen.«
Fassett blickte ruhig von der Thermosflasche auf.»Dann haben wir Omega ja, nicht wahr? Dann wissen wir, wer es ist.«
«Und was soll ich tun? Den Telefonhörer abnehmen und Sie anrufen? Die haben vielleicht andere Vorstellungen…«
«Wir werden jedes Wort hören, das in Ihrem Haus gesprochen wird, beginnend mit Ihrem ersten Gast morgen nachmittag. Im späteren Verlauf des heutigen Morgens werden zwei Fernsehmechaniker kommen, um die Geräte zu reparieren, die bei dem Einbruch beschädigt wurden. Während sie die Antennenanlage überprüfen, werden sie im ganzen Haus miniaturisierte Lauschmikrofone anbringen. Und sobald morgen Ihr erster Gast eintrifft, werden die Mikrofone eingeschaltet.«
«Sie wollen behaupten, daß Sie sie erst dann einschalten?«
Cole unterbrach ihn.»Ja, früher nicht. Wir interessieren uns nicht für Ihr Privatleben, nur für Ihre Sicherheit.«
«Sie sollten jetzt zurückgehen«, sagte Fassett.»Jenkins setzt Sie am Südende Ihres Grundstücks ab. Sie konnten nicht schlafen, also haben Sie einen kleinen Spaziergang gemacht. «Tanner ging langsam zur Türe. Dort blieb er stehen und sah sich zu Fassett um.»Es ist genauso, wie es in Washington war, nicht wahr? Sie lassen mir keine Alternative.«
Fassett wandte sich ab.»Wir treten mit Ihnen in Verbindung. An Ihrer Stelle würde ich mich entspannen, in den Club gehen, Tennis spielen, schwimmen. Das lenkt Sie ab. Dann fühlen Sie sich besser.«
Tanner sah Fassett ungläubig an. Er wurde entlassen, weggeschickt, so wie ein unwichtiger Untergebener weggeschickt wird, ehe eine wichtige Konferenz beginnt.
«Kommen Sie«, sagte Cole und stand auf.»Ich bringe Sie zum Wagen. «Während sie gingen, fügte er hinzu:»Ich glaube, Sie sollten wissen, daß der Tod jenes Mannes gestern nacht Fassetts Aufgabe wesentlich komplizierter macht, als sie je begreifen werden. Dieser Mord war gegen ihn gerichtet. Er war seine Warnung.«
Tanner musterte Cole scharf.»Was wollen Sie damit sagen?«
«Zwischen alten Profis gibt es gewisse Signale, und das ist eines davon. Sie sind jetzt unwichtig… Fassett ist brillant. Er hat die Kräfte in Bewegung gesetzt, jetzt kann nichts mehr sie aufhalten. Die Leute, die Omega ins Leben gerufen haben, erkennen, was geschehen ist. Und sie beginnen zu begreifen, daß sie vielleicht hilflos sein werden. Sie wollen, daß der verantwortliche Mann weiß, daß sie wiederkommen werden. Irgendwann. Ein abgeschnittener Kopf bedeutet ein Massaker, Mr. Tanner. Die haben seine Frau getötet. Jetzt hat er drei Kinder, um die er sich Sorgen machen muß.«
Tanner spürte, wie die Übelkeit wieder in ihm aufstieg.
«In was für einer Art Welt leben denn Leute wie Sie?«
«In derselben Welt wie Sie.«
Kapitel 16
Donnerstag — 10.15 Uhr
Als Alice am Donnerstag um Viertel nach zehn aufwachte, war ihre erste Reaktion, auf alle Ewigkeit im Bett bleiben zu wollen. Sie konnte die Kinder im Erdgeschoß streiten hören und im Hintergrund die unverständlichen, aber geduldigen Worte ihres Mannes, der die Auseinandersetzung schlichtete. Sie dachte über seinen bemerkenswerten Sinn für kleine Freundlichkeiten nach, aus denen, wenn man sie zusammenrechnete, echte Besorgtheit wurde. Nach so vielen Ehejahren war das nicht schlecht.
Vielleicht war ihr Mann nicht so schnell und nicht so dramatisch wie Dick Tremayne oder so spürbar mächtig wie Joe Cardone oder so witzig und clever wie Bernie Osterman, aber sie hätte um nichts in der Welt mit Ginny, Betty oder Leila tauschen wollen. Selbst wenn alles noch einmal von vorne beginnen würde, würde sie auf John Tanner warten. Er war eine seltene Art Mann. Er wollte teilen, mußte teilen. Alles. Keiner der anderen war so. Nicht einmal Bernie, obwohl er John am ähnlichsten war. Selbst Bernie hatte seine Geheimnisse, die er für sich behielt, so sagte Leila wenigstens.
Am Anfang hatte sich Alice gefragt, ob das Bedürfnis ihres Mannes, alles zu teilen, nur die Folge des Mitleids war, das er für sie empfand. Sie hatte den größten Teil ihres Lebens, ehe sie John Tanner begegnet war, auf der Flucht oder auf der Suche nach einem Zufluchtsort verbracht. Ihr Vater, ein Mensch, der stets darum bemüht war, all die Unbilden der Welt ins rechte Lot zu setzen, hatte nie lang an einem Ort bleiben können.
Ein zeitgenössischer John Brown.
Die Zeitungen hatten ihn am Ende als einen — Verrückten bezeichnet.
Und ganz am Ende hatte ihn die Polizei von Los Angeles getötet.
Sie erinnerte sich noch an die Worte.
Los Angeles, 10. Februar 1945. Jason McCall, von dem die Behörden annehmen, daß er im Sold der Kommunisten stand, wurde heute außerhalb seines Hauptquartiers im Canyon erschossen, als er herauskam und mit etwas herumfuchtelte, das wie eine Waffe aussah. Die Polizei von Los Angeles und Agenten des Federal Bureau of Investigation machten McCalls Aufenthaltsort nach umfänglichen Suchoperationen ausfindig… Die Polizei von Los Angeles und die Agenten des FBI hatten sich freilich nicht die Mühe gemacht festzustellen, daß Jason McCalls Waffe ein verbogenes Stück Metall war, das er seine >Pflugschar< nannte.
Zum Glück war Alice bei einer Tante in Pasadena gewesen, als man ihren Vater erschossen hatte. Sie hatte den jungen Studenten der Journalistik, John Tanner, bei der öffentlichen Untersuchung nach dem Tode ihres Vaters kennengelernt. Die Behörden von Los Angeles wollten, daß die Untersuchung öffentlich durchgeführt wurde. Sie wollten keinen Märtyrer schaffen. Sie wollten klarstellen, daß der Tod McCalls unter gar keinen Umständen Mord gewesen war.
Was er natürlich war.
Der junge Journalist, der gerade aus dem Krieg zurückgekehrt war, wußte das und bezeichnete es auch so. Und obwohl seine Geschichte der Familie McCall keinen Nutzen brachte, brachte es ihn dem traurigen, verwirrten Mädchen näher, das dann später seine Frau wurde.
Alice hörte zu denken auf und drehte sich im Bett herum. Das alles gehörte der Vergangenheit an. Sie war jetzt, wo sie sein wollte.
Einige Minuten später hörte sie unten in der Halle fremde Männerstimmen. Sie wollte sich aufsetzen, als die Tür sich öffnete und ihr Mann hereinkam. Er lächelte, beugte sich über sie und küßte sie leicht auf die Stirn. Sie spürte trotz all seiner Beiläufigkeit, daß irgend etwas an ihm angespannt war.