«Wer ist denn unten?«fragte sie.
«Die Fernsehleute. Sie schließen die Geräte wieder an, aber die Antenne ist irgendwie beschädigt. Sie müssen den Fehler suchen.«
«Also muß ich aufstehen.«
«Ja. Ich kann ja schließlich nicht riskieren, daß du dich zwei gut gebauten Männern in Overalls im Bett zeigst.«
«Du hast auch einmal einen Overall getragen. Erinnerst du dich noch? In deinem letzten Semester hattest du den Job an der Tankstelle.«
«Ich erinnere mich auch noch, wie schnell ich die Overalls los war, wenn ich nach Hause kam. So, und jetzt aufstehen!«Er war wirklich angespannt, dachte sie; er bemühte sich, die
Situation und sich selbst unter Kontrolle zu bekommen. Er erklärte, daß er trotz der vielen Arbeit, die er donnerstags immer hatte, an diesem speziellen Donnerstag zu Hause bleiben würde.
Seine Erklärung war ganz einfach. Nach dem, was gestern nachmittag geschehen war, würde er trotz der noch andauernden polizeilichen Untersuchung seine Familie nicht alleine lassen. So lange nicht, bis alles aufgeklärt war.
Er fuhr mit ihnen in den Club, wo er und Ali mit ihren Nachbarn, Dorothy und Tom Scanlan, ein Doppel spielten. Man sagte Tom nach, er wäre so reich, daß er schon zehn Jahre nicht mehr gearbeitet hätte.
Ali fiel auf, wie entschlossen ihr Mann war, das Spiel zu gewinnen. Es war ihr peinlich, als er Tom vorwarf, falsch gezählt zu haben, und sie war geradezu erschüttert, als er einen ungewöhnlich scharfen Schmetterball so placierte, daß der Ball Dorothys Gesicht nur um Haaresbreite verfehlte.
Sie gewannen den Satz, und die Scanlans lehnten einen zweiten ab. Also gingen sie zum Pool, wo John die Kellner schikanierte. Im späteren Verlauf des Nachmittags entdeckte er McDermott und bestand darauf, daß er mit ihnen einen Drink nahm. McDermott war in den Club gekommen — erklärte John seiner Frau —, um ein Mitglied darauf aufmerksam zu machen, daß sein Wagen an einer lange abgelaufenen Parkuhr in der Stadt stand.
Und dann ging Tanner die ganze Zeit zum Telefon im Clubhaus. Er hätte sich eines an den Tisch neben den Pool bringen lassen können, aber das wollte er nicht. Er behauptete, die Woodward-Besprechungen fingen an, hitzig zu werden, und er wolle nicht in der Öffentlichkeit reden.
Alice glaubte das nicht. Ihr Mann besaß viele Talente, und eines der ausgeprägtesten davon war seine Fähigkeit, unter Druck ruhig, ja kalt zu bleiben. Und doch war er heute ganz offensichtlich der Panik nahe.
Sie kehrten um acht Uhr zum Orchard Drive zurück. Tanner schickte die Kinder ins Bett; Alice rebellierte.
«Jetzt reicht's!«sagte sie entschieden. Sie zog ihren Mann ins Wohnzimmer und packte ihn am Arm.»Du bist unvernünftig, Darling. Ich weiß, wie dir zumute war. Ich habe es auch gespürt, aber du hast den ganzen Tag nur Befehle erteilt und Leute angefaucht: Tu dies! Tu das! Das paßt nicht zu dir. «Tanner erinnerte sich an Fassett. Er mußte ruhig bleiben, normal. Selbst mit Ali.
«Tut mir leid. Wahrscheinlich ist das eine Reaktion auf gestern. Aber du hast recht. Entschuldige bitte.«
«Ist schon vorbei«, meinte sie, ohne seine schnelle Entschuldigung wirklich zu akzeptieren.»Mich hat es wirklich erschreckt, aber jetzt ist alles gut. Es ist vorbei.«
Herrgott, dachte Tanner. Wollte Gott, daß es so einfach wäre.»Es ist vorbei, ich habe mich kindisch benommen, und ich möchte, daß meine Frau sagt, daß sie mich liebt, damit wir ein paar Drinks nehmen und dann zusammen ins Bett gehen können. «Er küßte sie leicht auf die Lippen.»Und das, gnädige Frau, ist die beste Idee, die ich den ganzen Tag hatte.«
«Hast lang gebraucht, bis du darauf kamst«, sagte sie und lächelte ihm zu.»Ich brauche noch ein paar Minuten. Ich habe Janet versprochen, daß ich ihr eine Geschichte vorlese.«
«Was wirst du ihr denn vorlesen?«
«>Die Prinzessin und der Drache<. Denk darüber nach. «Sie löste sich aus seinen Armen und strich ihm leicht über das Gesicht.»Gib mir zehn, fünfzehn Minuten.«
Tanner blickte ihr nach, wie sie die Treppe hinaufging. Sie hatte so viel durchgemacht und jetzt noch das. Omega.
Er sah auf die Uhr. Es war zwanzig Minuten nach acht, und Alice würde wenigstens zehn Minuten oben sein, wahrscheinlich doppelt so lange. Er beschloß, Fassett im Motel anzurufen.
Es würde nicht das übliche Gespräch mit Fassett werden. Nicht eines, in dem ihm herablassende Anweisungen erteilt wurden, Predigten. Jetzt war der dritte Tag vorbei, drei Tage, an denen die Verdächtigen von Omega bedrängt wurden.
John Tanner wollte jetzt Einzelheiten wissen. Er hatte ein Recht darauf.
Fassett war erschreckt und über die präzisen Fragen Tanners verärgert.
«Ich kann mir nicht die Zeit nehmen, Sie jedesmal anzurufen, wenn jemand über die Straße kommt.«
«Ich will Antworten hören. Das Wochenende fängt morgen an, und wenn Sie von mir wollen, daß ich damit weitermache, werden Sie mir jetzt sagen, was geschehen ist. Wo sind sie jetzt? Wie waren ihre Reaktionen? Ich muß das wissen.«
Ein paar Augenblicke lang herrschte Schweigen. Als Fassett wieder sprach, klang seine Stimme resigniert.»Also gut… Tremayne ist letzte Nacht in New York geblieben. Das habe ich Ihnen ja gesagt, erinnern Sie sich? Im Biltmore begegnete er einem Mann namens Townsend. Townsend ist ein bekannter Aktienspekulant, der in Zürich arbeitet. Cardone und seine Frau sind heute nachmittag nach Philadelphia gefahren. Sie hat ihre Familie in Chestnut Hill besucht, und er ist nach Bala Cynwyd gefahren, um sich mit einem Mann zu treffen, von dem wir wissen, daß er ein hochrangiger Kapo in der Mafia ist. Sie sind vor einer Stunde nach Saddle Valley zurückgekehrt. Die Ostermans sind im Plaza. Sie essen heute mit einem Ehepaar namens Bronson zu Abend. Die Bronsons sind alte Freunde. Sie stehen auch auf der Liste des Generalstaatsanwalts unter dem Verdacht subversiver Aktivitäten.«
Fassett hielt inne und wartete, daß Tanner etwas sagte.
«Und sie sind nicht zusammengekommen? Haben nicht einmal miteinander telefoniert? Keine Pläne gemacht? Ich will die Wahrheit hören!«
«Wenn sie miteinander gesprochen haben, dann über kein Telefon, das wir kontrollieren können, und das würde bedeuten, daß sie gleichzeitig in öffentlichen Telefonzellen hätten sein müssen, und das war nicht der Fall. Wir wissen, daß sie sich nicht getroffen haben — einfache Überwachung. Wenn einer von ihnen Pläne hat, dann sind das individuelle, nicht koordinierte
Pläne. Wir rechnen darauf, wie ich Ihnen das ja auch sagte. Das ist alles, was es zu sagen gibt.«
«Es scheint also keinerlei Beziehung zu geben. Zu keinem von ihnen?«
«Das ist richtig. Zu dem Schluß sind wir auch gelangt.«
«Das ist aber nicht, was Sie erwartet haben. Sie sagten, die würden in Panik geraten. Omega würde jetzt schon in Panik sein.«
«Ich glaube auch, daß sie das sind. Jeder einzelne von ihnen. Jeder für sich. Unsere Vorhersagen sind da sehr präzise.«
«Was zum Teufel soll das jetzt wieder heißen?«
«Überlegen Sie doch. Ein Ehepaar rast zu einem mächtigen Mafioso. Ein anderes trifft sich mit einem Mann und seiner Frau, die als Fanatiker gelten. Und der Anwalt trifft sich plötzlich mit einem internationalen Aktienspekulanten aus Zürich. Das ist Panik. Das NKWD hat viele Tentakel. Jeder einzelne von ihnen steht am Rande der Panik. Wir brauchen jetzt nur abzuwarten.«
«Von morgen an wird es gar nicht so leicht sein, einfach abzuwarten.«
«Seien Sie ganz natürlich. Sie werden feststellen, daß Sie ganz bequem auf zwei verschiedenen Ebenen funktionieren können. So ist das immer. Es besteht überhaupt keine Gefahr, selbst wenn Sie es nur zur Hälfte schaffen. Sie sind jetzt viel zu sehr miteinander befaßt. Vergessen Sie nicht, Sie brauchen das, was gestern nachmittag war, nicht zu verheimlichen. Reden Sie darüber. Ausführlich. Tun und sagen Sie, was sich ganz natürlich ergibt.«