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«Und Sie denken, daß man mir glauben wird?«

«Die haben doch gar keine Wahl! Verstehen Sie denn nicht? Sie haben sich einen Ruf als Reporter gemacht, als Mann, der den Dingen auf den Grund geht. Muß ich Sie denn wirklich daran erinnern, daß die Untersuchungen dann enden, wenn die beobachteten Personen kollidieren? Das ist doch eine uralte Binsenweisheit.«

«Und ich bin der unschuldige Katalysator?«»Das können Sie noch mal sagen. Je unschuldiger, desto besser.«

Tanner zündete sich eine Zigarette an. Er konnte dem anderen nicht länger widersprechen. Seine Logik war einwandfrei. Und die Sicherheit, das Leben von Ali und seinen Kindern lag in den Händen dieses eiskalten Profis.

«Also gut. Ich werde sie alle an der Türe begrüßen wie lang verschollene Brüder und Schwestern.«

«Genauso ist es richtig. Und wenn Ihnen danach ist, dann rufen Sie sie alle am Morgen an und vergewissern sich, daß sie auch kommen. Mit Ausnahme der Ostermans natürlich. Was Sie eben normal tun würden… Und denken Sie daran, wir sind da. Die besten Geräte der größten Firma der Welt arbeiten für Sie. Nicht einmal die winzigste Waffe könnte Ihre Haustüre passieren.«

«Stimmt das?«

«Wir würden es selbst erfahren, wenn jemand ein cfei Zoll langes Messer in der Tasche trägt. Ein vierzölliger Revolver — und Sie wären in sechzig Sekunden aus dem Haus.«

Tanner legte den Hörer auf und nahm einen langen Zug an seiner Zigarette. Als er die Hand vom Telefon nahm, hatte er das Gefühl — das physische Gefühl —, aufspringen, weglaufen zu müssen.

Es war ein seltsames, ein unangenehmes Gefühl der Einsamkeit.

Und dann erkannte er, was es war, und es beunruhigte ihn sehr.

Von einem Mann namens Fassett hing es nun ab, daß er den Verstand behielt. Er befand sich völlig in seiner Hand und unter seiner Kontrolle.

Kapitel 17

Das Taxi hielt vor dem Hause der Tanners an. Johns Hund, der drahtige Welsh Terrier, rannte in der Einfahrt auf und ab, kläffte jedesmal, wenn er vorrannte und wieder zurück, und wartete darauf, daß jemand ihn wissen ließ, daß die Besucher willkommen waren. Janet eilte über den Rasen. Die Taxitüre öffnete sich; die Ostermans stiegen aus. Sie trugen in Geschenkpapier gehüllte Schachteln. Der Fahrer holte einen großen Koffer heraus.

Tanner betrachtete sie beide aus dem Hause: Bernie in einem Palm-Beach-Jackett von teuerem Schnitt und hellblauen Hosen, Leila in einem weißen Kostüm mit einer Goldkette um die Hüften. Der Rock endete ein gutes Stück über den Knien, ein breitkrempiger, weicher Hut bedeckte ihre linke Gesichtsseite. Sie war das fleischgewordene Symbol kalifornischen Erfolgs. Und doch war an Bernie und Leila irgendeine Spur des Künstlichen; es war erst knapp neun Jahre her, daß sie wirklich zu Geld gekommen waren.

Oder war ihr Erfolg selbst nur eine Fassade, fragte sich Tanner, als er zusah, wie die beiden sich herunter beugten, um seine Tochter zu umarmen. Waren sie statt dessen all die Jahre Bewohner einer Welt gewesen, in der Drehbücher und Aufnahmetermine nur von sekundärer Bedeutung waren — eine Tarnung, wie Fassett vielleicht sagen würde?

Tanner sah auf die Uhr. Es war zwei Minuten nach sechs. Die Ostermans hatten sich verfrüht — nach ihrem ursprünglichen Plan. Vielleicht war das ihr erster Fehler. Oder sie rechneten vielleicht gar nicht damit, daß er da war. Er pflegte das Woodward-Studio früher zu verlassen, wenn die Ostermans kamen, aber nicht immer so früh, daß er schon um halb sechs zu Hause war. In Leilas Brief hatte ganz deutlich gestanden, daß ihr Flug aus Los Angeles in Kennedy eintreffen würde. Eine verspätete Maschine war verständlich, normal. Ein Flug, der zu früh eintraf, war unwahrscheinlich.

Sie würden das erklären müssen. Aber würden sie sich die Mühe machen?

«Jonny! Um Himmels willen! Ich hab' mir doch gedacht, daß ich den Hund gehört habe. Das sind Bernie und Leila. Was stehst du denn so herum?«Ali war aus der Küche gekommen.

«Oh, tut mir leid… Ich wollte nur, daß Janet sie einen Augenblick lang allein begrüßen kann.«

«Geh schon hinaus. Ich will nur noch die Uhr stellen.«

Seine Frau ging wieder in die Küche, während Tanner auf die Haustüre zuging. Er starrte den Messingknopf an und fühlte sich so, wie ein Schauspieler sich vielleicht fühlt, ehe er zum erstenmal in einer schwierigen Rolle auftritt. Unsicher — völlig unsicher —, wie man ihn aufnehmen wird.

Er befeuchtete sich die Lippen und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Dann drehte er den Kopf und zog die Tür schnell nach innen. Mit der anderen Hand schob er den Riegel der Gittertüre in ihrem Aluminiumrahmen zurück und trat hinaus.

Das Osterman-Weekend hatte begonnen.

«Willkommen, ihr Drehbuchschmierer!«rief er und grinste breit. Das war seine übliche Begrüßung; Bernie empfand sie als höchst schmeichelhaft.

«Jonny!«

«Tag, Darling!«

Aus dreißig Metern Entfernung erwiderten sie seinen Gruß und lächelten ihr breites Lächeln. Und doch konnte John Tanner selbst auf dreißig Meter Entfernung ihre Augen sehen, die nicht lächelten. Seine Augen suchten die seinen kurz, aber unverkennbar. Den Bruchteil einer Sekunde lang hörte Bernie sogar zu lächeln auf, im nächsten Augenblick war es vorüber. Es war, als gäbe es eine wortlose Übereinkunft zwischen ihnen, den unausgesprochenen Gedanken nicht nachzugehen.

«Johnny, prima, dich wieder mal zu sehen!«Leila rannte über den Rasen.

John Tanner und Leila umarmten sich, und er ertappte sich dabei, wie er mit mehr Zuneigung auf sie reagierte, als er für möglich gehalten hätte. Er wußte, weshalb das so war. Er hatte den ersten Test bestanden, die ersten Sekunden des Osterman-Weekends. Langsam begann er zu begreifen, daß Laurence Fassett vielleicht trotz alledem recht hatte. Vielleicht würde er es schaffen.

Tun Sie, was Sie ganz normal tun würden; verhalten Sie sich so, wie Sie sich normalerweise verhalten. Denken Sie an nichts anderes.

«John, prima siehst du aus, wirklich prima!«

«Wo ist Ali denn, Süßer?«fragte Leila und trat zur Seite, damit Bernie seine langen, dünnen Arme um Tanner legen konnte.

«Drinnen. Das Essen. Kommt herein! Da, ich nehm' den Koffer. Nein, Janet, Honey, du kannst Onkel Bernies Koffer nicht tragen.«

«Ich wüßte nicht, warum sie das nicht könnte«, lachte Bernie.»Es sind doch bloß Handtücher aus dem Plaza drin.«

«Dem Plaza?«fragte Tanner unwillkürlich.»Ich dachte, euer Flugzeug wäre gerade angekommen.«

Osterman sah ihn an.»Mm-mm. Wir sind schon vor zwei Tagen angekommen. Ich erzähl's dir später… «

Auf eine seltsame Art war es wie in alten Zeiten, und Tanner wunderte sich, daß er das einfach akzeptierte. Da war immer noch das Gefühl der Erleichterung beim Wiedersehen, bei dem Wissen, daß Zeit und Entfernung für ihre Freundschaft ohne Bedeutung waren. Da war immer noch das Gefühl, daß sie Gespräche wieder aufgreifen, Anekdoten fortsetzen, Geschichten zu Ende erzählen konnten, die sie vor Monaten angefangen hatten. Und da war immer noch Bernie, der nachdenkliche, sanfte Bernie mit seinen stillen, vernichtenden Bemerkungen über den von Palmen gesäumten Drugstore. Vernichtend, aber irgendwie nie herablassend; Bernie lachte ebenso über sich, wie über seine Berufswelt, denn es war seine Welt.

Tanner erinnerte sich an Fassetts Worte.

… Sie werden feststellen, daß Sie ganz bequem auf zwei Ebenen funktionieren können, das ist immer so.

Wieder hatte Fassett recht. In allen Punkten; in allen Punkten.

Während Tanner Bernie beobachtete, fiel ihm auf, daß Leilas Blick von ihrem Mann weg und zu ihm wanderte. Einmal erwiderte er ihren Blick, und sie senkte die Augen, so wie ein Kind, das man getadelt hat.

In seinem Arbeitszimmer klingelte das Telefon. Alle, mit Ausnahme von Alice, zuckten zusammen. Auf dem Tisch hinter dem Sofa stand ein Nebenapparat, aber John tat so, als sähe er ihn nicht und ging an den Ostermans vorbei auf die Tür seines Arbeitszimmers zu.