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Und dann sah er genauer hin. Die Gestalt trug einen Morgenrock. Es war Osterman.

Hatte Bernie etwas gesehen? Etwas gehört?

Tanner ging schnell und möglichst lautlos zur Schlafzimmertür, öffnete sie und trat ins Freie.

«Ich hab' mir schon gedacht, daß du auf sein könntest«, sagte Bernie, der in einem Liegestuhl saß und auf das Wasser im Pool blickte.»Dieser Abend war eine Katastrophe.«

«Da bin ich nicht so sicher.«

«Dann muß ich annehmen, daß du dein Hör- und Sehvermögen verloren hast. Das war eine nasse Nacht in Malibu. Wenn wir alle Messer gehabt hätten, würde dieser Pool jetzt rot sein.«»Deine Hollywood-Mentalität macht wieder einmal Überstunden. «Tanner setzte sich neben ihn.

«Ich bin Schriftsteller. Ich beobachte und destilliere.«

«Ich glaube, du hast unrecht«, sagte Tanner.»Dick hatte geschäftliche Sorgen; das hat er mir gesagt. Joe hat sich betrunken. Na und?«

Osterman schwang die Beine von der Fußstütze und setzte sich vor.»Du fragst dich, was ich hier mache. Das war so etwas wie eine Eingebung, ein Instinkt. Ich dachte, du würdest vielleicht herunterkommen. Du hast auch nicht so ausgesehen, als könntest du schlafen, ebensowenig wie ich.«

«Jetzt machst du mich neugierig.«

«Keine Witze bitte. Es ist höchste Zeit, daß wir miteinander reden.«

«Worüber?«

Osterman stand auf und stellte sich neben Tanner. Er zündete sich am Stummel der letzten eine frische Zigarette an.»Was wünschst du dir am meisten? Ich meine, für dich und deine Familie?«

Tanner konnte nicht glauben, daß er richtig gehört hatte. Osterman hatte mit der abgedroschensten Einleitung angefangen, die man sich vorstellen konnte. Trotzdem antwortete er, als nähme er die Frage ernst.

«Frieden, denke ich. Frieden, genug zu essen, ein Dach über dem Kopf; all die Grundbedürfnisse. Sind das die Worte, die du erwartest?«

«All das hast du. Für deinen augenblicklichen Bedarf jedenfalls.«

«Dann verstehe ich dich wirklich nicht.«

«Ist dir je in den Sinn gekommen, daß du nicht mehr über das Recht verfügst, irgend etwas auszuwählen? Dein ganzes Leben ist darauf programmiert, eine vorherbestimmte Funktion zu erfüllen; ist dir das klar?«

«Das ist eine ganz universelle Erscheinung, stelle ich mir vor. Ich streite es nicht ab.«

«Du kannst es nicht abstreiten. Das System wird es nicht zulassen. Du wirst für etwas ausgebildet; du erwirbst dir Erfahrung und das ist es, was du den Rest deines Lebens tust. Keine Einwände.«

«Ich wäre ein mieser Kernphysiker; und du würdest als Gehirnchirurg nicht gerade beliebt sein«, sagte Tanner.»Natürlich ist alles relativ; ich erzähle hier keine Märchen. Ich sage nur, daß wir von Kräften kontrolliert werden, die wir selbst nicht mehr kontrollieren können. Wir sind in das Zeitalter der Spezialisierung eingetreten, und das ist unsere Totenglocke. Wir leben und arbeiten in unseren vorgegebenen Kreisen; es ist uns nicht erlaubt, die Grenzen zu überschreiten, uns auch nur umzusehen. Du mehr als ich, fürchte ich. Ich zumindest habe ein gewisses Maß an Wahlmöglichkeit, was für ein Stück Kacke ich schreiben möchte. Aber Kacke ist es trotzdem. Das erstickt uns einfach.«

«Ich bin zufrieden; ich beklage mich nicht. Außerdem gehe ich ja gewisse Risiken ein.«

«Aber du hast nichts hinter dir, keine Stütze! Nichts! Du kannst es dir nicht leisten, dich hinzustellen und zu sagen, das bin ich! Nicht, wenn du damit dafür bezahlen mußt!«

Osterman machte eine weit ausholende Handbewegung, die Tanners Haus und sein Grundstück einschloß.

«Mag sein, daß ich das nicht kann. Wenn es auf das Geld ankommt. Aber wer kann das schon?«

Osterman zog sich den Stuhl heran und setzte sich. Er hielt Tanners Augen mit den seinen fest und sagte leise:»Es gibt einen Weg. Und ich bin bereit, dir zu helfen. «Er hielt einen Augenblick inne, als suchte er nach Worten, und fing dann wieder zu reden an.»Johnny…«wieder hielt Osterman inne. Tanner hatte Angst, er würde nicht fortfahren, würde den Mut dazu nicht aufbringen.

«Nur weiter.«

«Ich brauche gewisse — Versicherungen, das ist sehr wichtig!«Osterman sprach schnell, seine Worte überstürzten sich. Plötzlich wurde die Aufmerksamkeit beider Männer auf das Haus gezogen. Das Licht in Janet Tanners Schlafzimmer war aufgeflammt.

«Was ist das?«fragte Bernie, ohne den Versuch, seine Unruhe zu verbergen.

«Nur Janet. Das ist ihr Zimmer. Wir konnten es ihr endlich eintrichtern, daß sie das Licht einschalten soll, wenn sie ins Badezimmer geht. Sonst stößt sie gegen alles mögliche, und wir sind dann zwanzig Minuten wach.«

Und dann hallte der Schrei durch die Nacht. Schrecklich, ohrenbetäubend. Der Schrei eines Kindes.

Tanner rannte um den Pool herum und durch die Küchentüre. Die Schreie hielten an, und jetzt flammten in den drei anderen Schlafzimmern die Lichter auf. Bernie Osterman wäre fast mit Tanner zusammengestoßen, als die beiden Männer zum Zimmer des kleinen Mädchens rannten. Sie waren so schnell gerannt, daß Ali und Leila erst in diesem Augenblick aus ihren Zimmern kamen. John stieß gegen die Tür, machte sich gar nicht erst die Mühe, den Türknopf zu drehen. Die Türe flog auf, und sie rannten alle vier hinein.

Das Kind stand mitten im Zimmer, über den Kadaver von Tanners Welsh Terrier gebeugt. Es konnte nicht zu schreien aufhören.

Der Hund lag in einer Blutlache da.

Man hatte ihm den Kopf vom Leib getrennt.

John Tanner hob seine Tochter auf und rannte in den Korridor hinaus. Sein Verstand funktionierte nicht mehr, es war wie ein Vakuum. Da war nur das erschreckende Bild der Leiche im Wald, mit der sich das Bild des kleinen Hundes abwechselte. Und die schrecklichen Worte des Mannes auf dem Parkplatz hinter dem Howard Johnson's Motel.

«Ein abgeschnittener Kopf bedeutet ein Massaker.«

Er mußte die Dinge in die Hand bekommen, das mußte er.

Er sah, wie Ali Janet ins Ohr flüsterte, sie hin und her wiegte. Er merkte, daß sein Sohn ein paar Schritte von ihm entfernt wartete, und sah die Silhouette von Osterman, der ihn tröstete. Und dann hörte er die Worte von Leila.

«Ich nehme Janet, Ali. Geh zu Johnny.«

Tanner sprang wütend auf.»Wenn du sie anrührst, bringe ich dich um! Hast du gehört, ich bringe dich um!«

«John!«schrie Ali ihn ungläubig an.»Was sagst du da?«

«Sie war auf der anderen Flurseite! Begreifst du denn nicht? Sie war auf der anderen Flurseite!«

Osterman schoß auf Tanner zu, stieß ihn zurück, preßte seine Schultern gegen die Wand. Dann versetzte er ihm eine kräftige Ohrfeige.

«Dieser Hund ist seit Stunden tot! Und jetzt hör auf!«

Seit Stunden. Es konnte nicht seit Stunden sein. Es war gerade geschehen. Die Lichter gingen an und der Kopf wurde abgeschnitten. Der Kopf des kleinen Hundes abgeschnitten. Und Leila auf der anderen Seite des Flurs. Sie und Bernie. Omega! Ein Massaker!

Bernie hielt seinen Kopf fest.»Ich mußte dich schlagen. Du hast durchgedreht… Komm jetzt. Reiß dich zusammen. Es ist schrecklich, wirklich schrecklich, ich weiß. Ich hab' auch eine Tochter.«

Tanner versuchte klarzusehen. Zuerst was seine Augen anging, dann in bezug auf seinen Verstand. Alle sahen ihn jetzt an, selbst Raymond, der immer noch schluchzend neben der Tür seines Zimmers stand.

«Ist denn niemand hier?«Tanner konnte einfach nicht anders. Wo waren Fassetts Männer? Wo in Gottes Namen waren sie?

«Wer, Darling?«Ali legte ihm den Arm um die Hüften, für den Fall, daß er noch einmal stürzte.

«Niemand hier. «Das war eine Feststellung, die kam ganz leise.

«Wir sind hier. Und wir rufen die Polizei. Jetzt gleich rufen wir sie!«Bernie legte Tanners Hand auf das Treppengeländer und führte ihn hinunter.

Tanner sah den schlanken, kräftigen Mann an, der ihm über die Treppe hinunterhalf. Verstand Bernie denn? Er war Omega. Seine Frau war Omega! Er konnte nicht die Polizei anrufen!