ELLERY QUEEN - Der Kosmopolit und Sonderbeauftragte mit dem Pincenez auf der Nase schwört auf seine bewährte Methode, hat aber alle Mühe, T-förmigen Kreuzen ihren Sinn zu entlocken
ANDREW VAN - Der menschenscheue, korrekte Schulmeister aus Arroyo führt ein zurückgezogenes Leben, hat jedoch mehr zu verbergen als seine mit Dollarnoten vollgestopfte Matratze
OLD PETE - Der leicht verwirrte, in Lumpen gekleidete Eremit verschanzt sich hinter Stacheldraht, weil er die Einsamkeit liebt, verteidigt mit seiner Schrotflinte jedoch etwas anderes
HARACHT - Der zottelbärtige Guru führt eine Schar von nackten Jüngern zum Heil und verkauft das »Elixier der Jugend« - einen tödlichen Cocktail?
VELJA KROSAC - Der unbekannte »Ausländer« mit Rachegelüsten ist dringend verdächtig: An jedem Tatort finden sich Spuren des hinkenden Mannes
PROFESSOR YARDLEY - Ellerys ehemaliger Lehrer wagt sich aus seinem Elfenbeinturm - und muß sich von seinem berühmten Schüler so manche Lektion erteilen lassen
MARGARET BRAD - Der üppigen, attraktiven Matrone ist die Vergangenheit ihres Mannes gleichgültig - an ihrer eigenen Zukunft liegt ihr deutlich mehr
HELENE BRAD - Margarets hübsche Tochter hält sich einen Verehrer an Land und einen auf See - bis die beiden aufeinanderprallen
JONAH LINCOLN - Der nüchterne Neuengländer hat ein Auge auf Helene geworfen und eines aufs Geld -doch seine Brötchengeber verlieren zu früh den Kopf
PAUL ROMAINE - Der braungebrannte, muskulöse Adonis hat bei Frauen leichtes Spiel. Die Polizei interessiert sich jedoch mehr für seine männlichen Gefährten
HESTER LINCOLN - Jonahs Schwester reißt sich die Kleider vom Leib und schließt sich der Nudistenkolonie an. Nur in Sachen Mord hält sie sich an Konventionen
VICTOR TEMPLE - Der ehemalige Militärarzt verfolgt tagsüber seine Angebetete und lauscht des Nachts unter offenen Fenstern
STEPHEN MEGARA - Der Segler und Globetrotter zögert, seine Vergangenheit preiszugeben -aus Angst vor einer mörderischen Zukunft
Vorwort
Unter den vielfältigen Rätseln, die »Das ägyptische Kreuz« aufgibt, findet sich auch ein unbedeutenderes, das - wenn überhaupt - wenig mit der Geschichte selbst zu tun hat, dafür jedoch um so mehr mit seinem irreführenden Titel. Der Autor mein Freund Ellery Queen - hatte seinem Manuskript, das er mir auf wiederholtes Anfragen seines treuen Dieners Djuna hin von seinem Refugium in Italien aus zukommen ließ, eine Notiz beigefügt und sich zu diesem Mißverhältnis geäußert:
»Mach ihnen den Mund wäßrig, J. J.! Das hier ist kein Pyramidenschund! Ich langweile niemanden mit koptischen Dolchen, die um Mitternacht in gruseligen Museen zustoßen! Mit Pharaonen, Fellachen oder billigem orientalischem Klimbim! - Nein: In meiner Geschichte spielt Ägypten nicht einmal eine Rolle! Warum, wirst Du Dich fragen, habe ich ihr dann diesen Titel gegeben? Lies, und Du wirst es herausfinden! Natürlich ist der Titel provokant gewählt - ich konnte einfach nicht anders. Aber so ganz ohne ägyptischen Hintersinn? Meine Antwort: Das ist es ja gerade! Wart‘s ab!«
Ellery war offenbar gerade wieder in seinem Element; Sie wissen ja, er spricht gern in Rätseln!
Die abscheulichen Morde gehörten zu den letzten Fällen, die mein Freund gelöst hat; und der Roman, den er darüber verfaßt hat, ist sein fünfter. Schon die bloßen Zutaten klingen äußerst verheißungsvolclass="underline"
Ein Irrer, der sich für einen reinkarnierten Gott aus dem alten Ägypten hält; eine Nudistenkolonie; Kreuzigungen; ein unglücklicher Seefahrer; ein Amokläufer aus Osteuropa, der Urheimat von Gewalt und Aberglauben ...
Oberflächlich betrachtet eine verrückte Zusammenstellung; in Wirklichkeit jedoch der Hintergrund, vor dem sich eines der zugleich widerwärtigsten und raffiniertesten Verbrechen der amerikanischen Kriminalgeschichte abgespielt hat.
Sollten Sie ein wenig enttäuscht sein, weil der liebenswerte alte Inspector Richard Queen sich zu früh verabschiedet - ich werfe Ellery ständig vor, daß er seinem Vater nie so viel Platz einräumt, wie ihm eigentlich gebührt -, seien Sie unbesorgt. Es gibt ein Wiedersehen! Im »Ägyptischen Kreuz« jedoch ist Ellery aufgrund geographischer Gegebenheiten fast ganz auf sich selbst gestellt. Ich war versucht, dem Herausgeber vorzuschlagen, dem Leser die Benutzung eines Atlasses zu empfehlen oder als Frontispiz eine Karte der Vereinigten Staaten abzudrucken. Denn es begann in West Virginia ...
Aber genug der Worte; schließlich ist es Ellerys Roman. Erzählen soll er ihn selbst.
J. J. McC.
Rye, New York
August 1932
ERSTER TEIL
Die Kreuzigung eines Schulmeisters
»Psychiatrische Grundkenntnisse sind für mich als Kriminologen immer von unschätzbarem Wert gewesen.«
JEAN TURCOT
1. Weihnachten in Arroyo
Es begann in West Virginia, an einer Straßenkreuzung, die eine halbe Meile außerhalb des kleinen Fleckens Arroyo lag. Eine Nebenstraße, die nach Arroyo führte, traf hier auf die Schnellstraße zwischen New Cumberland und Pughtown.
Ellery Queen sah sofort, daß die Geographie der Gegend von Bedeutung war. Beim ersten Hinsehen war ihm jedoch auch vieles aufgefallen, was nur Verwirrung bei ihm ausgelöst hatte; noch fehlte ihm der Abstand, der nötig war, um einen klaren Gedanken zu fassen.
Wie es nun kam, daß der Kosmopolit Ellery Queen um zwei Uhr nachmittags an einem kalten Tag Ende Dezember in der grauen Einöde des westvirginischen Panhandles neben einem verbeulten alten Duesenberg stand, bedarf der Erklärung. Mehrere Faktoren hatten zusammengewirkt, die Ellery in die Provinz verschlugen; unter anderem hatte Ellerys Vater, Inspector Queen, beschlossen, eine Art Arbeitsurlaub einzulegen. Der alte Herr war bis über beide Ohren in einer Polizeikonferenz engagiert; in Chicago herrschten die üblichen Zustände, und der Commissioner hatte ranghohe Kollegen aus verschiedenen Großstädten eingeladen, um mit ihnen zusammen ausgiebig über den Mangel an Recht und Ordnung in seinem Amtsbereich zu lamentieren.
Während der Inspector in seltener Hochform zwischen Hotel und Polizeihauptquartier hin-und hereilte, hörte Ellery, der ihn begleitet hatte, zum ersten Mal von jenem rätselhaften Verbrechen, das bei Arroyo verübt worden war -ein Verbrechen, das die United Press pikanterweise »T-Mord« getauft hatte. Die Zeitungsberichte stachelten Ellerys Neugier derart an -ein gewisser Andrew Van war am Morgen des ersten Weihnachtstages enthauptet und gekreuzigt worden -, daß er seinen Vater energisch aus den verrauchten Konferenzräumen von Chicago herauszerrte und mit seinem Duesenberg -einem gebrauchten Sportwagen, der ungeheure Geschwindigkeiten erreichte - in Richtung Osten preschte.
Der lnspector, der an sich ein pflichtbewußter Vater war, hatte, wie zu erwarten, seine gute Laune auf der Stelle eingebüßt. Die ganze Fahrt über -von Chicago über Toledo, Sandusky, Cleveland, Ravenna, Lisbon, eine Reihe von Städten in Illinois und Ohio, bis nach Chester, West Virginia -hatte der alte Herr ein bedrohliches Schweigen bewahrt, und nur Ellerys kluge Sprüche und das Dröhnen des Auspuffs unterbrachen die Stille.
Sie waren durch Arroyo, ein winziges Nest von etwa zweihundert Seelen, hindurch, bevor sie merkten, daß sie überhaupt dagewesen waren. Doch da ... die Kreuzung.
Der Wegweiser mit dem Querbalken an der Spitze hatte sich schon aus einiger Entfernung, bevor der Wagen schließlich anhielt, scharf vor dem Hintergrund abgezeichnet. Die Straße nach Arroyo endete hier und traf im rechten Winkel auf die Schnellstraße. Folglich stand der Wegweiser der Einmündung der Arroyo Road gegenüber; einer seiner Arme wies in nordöstliche Richtung nach Pughtown, der andere in südwestliche nach New Cumberland.