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Isham schluckte und folgte dem Inspector tapfer in die Hütte. Vaughn wies stumm auf die Axt, auf die Schere und auf eine große Flasche aus undurchsichtigem blauen Glas, die neben der Stelle lag, an der Vaughn den benutzten Verband gefunden hatte. Die Flasche hatte kein Etikett; ihr Inhalt war zum größten Teil auf den Boden ausgelaufen. Der Verschlußkorken lag neben einer angebrochenen Rolle frischen Verbandszeugs. »Jod«, sagte Vaughn. »Damit wäre der Hergang klar. Er hat die Flasche von dem Medizinregal da drüben genommen, als er sich verletzt hatte, und sie dann einfach auf dem Tisch stehenlassen. Später hat er sie dann aus Versehen umgeworfen oder einfach fallen lassen -was kümmerte ihn schon die Jodflasche. Das dicke Glas hat standgehalten und ist nicht zerbrochen.«

Sie gingen zusammen zu der Wand hinüber, an der der Tote hing; einen guten Meter neben ihm, in einer Ecke, befand sich über dem Waschgestell mit Pumpvorrichtung jenes Regal, das Isham bereits bei seinem ersten Besuch aufgefallen war. Bis auf zwei leere Stellen war das Regal voll; darauf standen eine große blaue Packung mit Watte, eine Tube Zahnpasta, Pflaster, je eine Rolle Verbandszeug und Mullbinde, zwei kleine Fläschchen ­eines mit der Aufschrift »Jod«, das andere mit der Aufschrift »Mercurochrom«; diverse weitere Flaschen und Dosen ­Abführmittel, Aspirin, Zinksalbe, Vaseline und ähnliches.

»Klarer Fall«, sagte Vaughn, »er hat Vans Hausapotheke geplündert. Das Verbandszeug und die große Jodflasche hat er aus dem Regal genommen - und war mit Wichtigerem beschäftigt, als die Sachen wieder zurückzuräumen.«

»Augenblick mal«, protestierte Isham. »Ist es nicht voreilig anzunehmen, daß es Krosac war, der verletzt worden ist? Könnte es nicht auch der arme Kerl an der Wand gewesen sein? Ich meine -wenn nicht Krosac sich verletzt hätte, wäre es doch ziemlich sinnlos, nach einem Mann mit einer Wunde am Handgelenk zu suchen.«

»Gar nicht so dumm«, murmelte Vaughn. »Auf diese Möglichkeit war ich gar nicht gekommen. Aber -« Er warf seine kräftigen Schultern zurück. »Das läßt sich leicht feststellen. Wir müssen dafür allerdings die Leiche runterholen.« Er ging mit forschen Schritten zur Wand.

»Oh, Inspector«, winselte Isham. »Ich -ich glaube, ich meine, mir ist schon so schlecht -«

»Hören Sie«, schnauzte Vaughn. »Ich mache das genauso ungern wie Sie, aber es ist Teil unserer gottverdammten Pflicht! Jetzt kommen Sie schon!«

Zehn Minuten später lag der verstümmelte Körper auf dem Boden. Die Nägel hatten sie ihm aus Handflächen und Füßen gezogen und dem Toten die Lumpen vom Leib gerissen. Nun lag er nackt und fahl vor ihnen -Gottes Ebenbild war zur Farce geworden. Isham lehnte an der Wand und preßte die Hände gegen seinen Bauch. Allein der Inspector brachte die Kraft auf, das nackte Fleisch nach Wunden abzusuchen und das starre Ding schließlich umzudrehen, um seine Untersuchungen fortzusetzen.

»Nein«, sagte er, als er wieder aufstand. »Keine Wunden außer den Löchern in Händen und Füßen. Die Verletzung am Handgelenk hat Krosac sich zugezogen.«

»Bitte, Vaughn, ich muß hier raus!«

Die Männer kehrten in tiefem Schweigen nach Arroyo zurück und schnappten gierig nach der frischen Luft. Vaughn suchte ein Telefonhäuschen, ließ sich mit der Bezirkshauptstadt Weirton verbinden und sprach fünf Minuten mit Staatsanwalt Crumit. Dann hängte er ein und gesellte sich wieder zu Isham.

»Crumit hält dicht«, sagte Vaughn voller Hohn. »Der ist aus allen Wolken gefallen! Aber er hält dicht, und das ist alles, was mich interessiert. Er kommt mit Colonel Pickett und dem Coroner runter. Ich hab‘ ihm gleich gesagt, das wir uns, was die neueste Leiche von Hancock County angeht, ein paar Freiheiten herausgenommen haben.« Er lachte sarkastisch, während sie auf dem Weg zu der kleinen Garage Arroyos Hauptstraße hinuntergingen. »Jetzt müssen sie den Tod Andrew Vans zum zweiten Mal gerichtlich untersuchen.«

Isham sagte nichts, noch immer hatte die Übelkeit seinen Magen fest im Griff. Sie mieteten einen schnellen Wagen und jagten -etwa anderthalb Stunden später als Ellery -aus der Stadt in Richtung Ohio, der Brücke und Steubenville. Auch sie hinterließen nichts als eine Wolke aus Staub.

HERAUSFORDERUNG AN DEN LESER

Wer ist der Mörder? Ich habe es in meinen Romanen bislang immer so gehalten,

den Leser an jenem Punkt zum geistigen Duell herauszufordern, an dem er im Besitz sämtlicher Informationen ist, die er benötigt, um den Fall -oder die Fälle -zu lösen. Das ägyptische Kreuz ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme: Leiten Sie aus den gegebenen Fakten die logischen Schlußfolgerungen ab, und Sie sind in der Lage, die Identität des Mörders nicht nur zu erraten, sondern zu beweisen -und zwar ohne Wenn und Aber!

Die einzig mögliche Lösung erfahren Sie im Schlußkapitel.

Die hohe Kunst des logischen Deduzierens erfordert zwar das Wohlwollen Fortunas nicht -dennoch wünsche ich Ihnen viel

Glück bei der Auflösung!

ELLERY QUEEN

29. Umwege

Dieser Mittwoch war der Auftakt zu einer beispiellosen Menschenjagd; in keinem der vier beteiligten Bundesstaaten hatte man hei der Aufklärung eines Serienmordes je ein solches Finale erlebt. Die Strecke, die dabei mit Autos, Schnellzügen und Flugzeugen im Zickzackkurs zurückgelegt wurde, umfaßte fast tausend Kilometer. Fünf Männer nahmen daran teil -und ein sechster, mit dem niemand gerechnet hatte. Neun Stunden dauerte sie von dem Augenblick an, in dem Ellery Steubenville erreichte, neun Stunden, die allen -außer dem Anführer -wie neun Jahrhunderte erschienen.

Es war eine Jagd in dreifachem Sinne ... Kurios, wie sie sich gegenseitig verfolgten, während der Gejagte immer knapp außer Reichweite blieb und keiner es sich leisten konnte, zu schlafen oder seinen Hunger zu stillen.

Am Mittwoch nachmittag um halb zwei - während Staatsanwalt Isham und Inspector Vaughn zum Rathaus von Arroyo trotteten - brauste Ellery in seinem Duesenberg in das geschäftige Steubenville, erkundigte sich bei einem Schutzmann nach dem Weg und fuhr schließlich vor dem Fort-Steuben-Hotel vor.

Sein Pincenez saß schief auf seiner Nase, und sein Hut war weit in den Nacken gerutscht; offenbar kam er dem Filmklischee eines Reporters so nahe, daß der Mann an der Rezeption sich auf ein Grinsen beschränkte und keine Anstalten machte, ihm das Gästebuch zur Unterschrift zu reichen.

»Sie sind nicht zufällig Mr. Ellery Queen, oder?« fragte er, bevor Ellery Luft holen konnte.

»Doch! Aber - woher wissen Sie?«

»Mr. Yardley hat Sie mir beschrieben«, klärte ihn der Mann an der Rezeption auf, »und mir mitgeteilt, daß Sie heute nachmittag hier eintreffen würden. Er hat eine Nachricht für Sie hinterlegt!«

»Sie sind ein Goldstück!« rief Ellery. »Her damit!«

Die Nachricht war, soweit die Schrift verriet, in großer Eile höchst unprofessoral zu Papier gebracht worden:

Queen: Halten Sie sich nicht damit auf den Mann an der Rezeption zu befragen. Hier alle Informationen, die Sie brauchen: Mann, der Ks Beschreibung entspricht, um Mitternacht hier abgestiegen und um halb acht mit Mietwagen wieder losgefahren. Hat das Hinken gegen bandagierten Arm ausgetauscht (Kopfzerbrechen!). Scheint sich nicht verfolgt zu fühlen, hat sogar verlauten lassen, er führe nach Zanesville. Werde ihm mit Auto folgen. Vage Beschreibung von K. liegt vor. Hinterlasse im Clarendon-Hotel, Zanesville, weitere Nachrichten für Sie.

Yardley

Als Ellery die Nachricht in seiner Westentasche verstaute, strahlte er übers ganze Gesicht. »Wann, bitte, ist Mr. Yardley von hier aufgebrochen?«