Q.: Sieht aus, als geht‘s in die letzte Runde! Habe versucht, ihn einzuholen, aber leider ganz knapp verfehlt. Bin im selben Augenblick hier gelandet, in dem der Mann, auf den Ks Beschreibung paßt, in eine Maschine nach Chicago gestiegen ist! Das war um sieben. Vor Viertel nach kriege ich keine Maschine. K. kommt zwischen Viertel vor neun und neun in Chi an. Schlage für den Fall, daß Sie vor Viertel vor neun hier angekommen sind, vor, der Chicagoer Polizei mitzuteilen, daß sie unseren »fliegenden Ausländer« direkt auf der Landebahn greifen sollen! Und schon bin ich wieder fort!
y.
»Mr. Yardley ist um Viertel nach sieben gestartet?« fragte Ellery säuerlich.
»Jawohl, Sir.«
»Dann wird er dort also voraussichtlich zwischen neun und Viertel nach neun landen?«
»Ja, Sir.«
Ellery drückte dem jungen Mann einen kleinen Schein in die Hand. »Führen Sie mich zu einem Telefon, und ich werde Ihnen mein Leben lang dankbar dafür sein!«
Der Mann lief grinsend los; Ellery sprang hinterher.
Im Terminal des Flughafens von Indianapolis angelangt, verlangte Ellery verzweifelt, nach Chicago durchgestellt zu werden. »Polizeihauptquartier? Den Commissioner, bitte ... Ja, den Commissioner! Schnell, Sie Idiot, es geht um Leben und Tod ... Commissioner? Was? ... Hören Sie, hier spricht Ellery Queen aus New York City, und ich habe dem Commissioner eine dringende persönliche Mitteilung zu machen. Absolut dringend!« Er stampfte -rasend vor Ungeduld -mit dem Fuß auf, während der übervorsichtige Mensch am anderen Ende ihm eine Frage nach der anderen stellte. So verstrichen fünf Minuten mit Beschimpfungen und Betteleien, bis die sonore Stimme des Herrn über die Chicagoer Polizei ertönte.
»Commissioner? Sie erinnern sich sicher an mich -Inspector Richard Queens Sohn ... Um die Aufklärung der Long-Island-Morde. Ja! ... Ein großer, brünetter Mann mit bandagiertem Handgelenk landet heute zwischen Viertel vor neun und neun in Chicago, in einer Maschine aus Indianapolis ... Nein! Nicht auf der Landebahn festnehmen! ... Da ist noch eine persönliche
Rechnung zu begleichen! Lassen Sie ihn beschatten, wohin auch immer er geht, und umstellen Sie den Ort ... Ja. Nur verhaften, wenn er versucht, die Stadt zu verlassen. Es ist möglich, daß er über die kanadische Grenze will ... ja, oder zur Pazifikküste ... Nein, er weiß nicht, daß er verfolgt wird ... Ach ja, wenn Sie bitte auch nach einem großen Mann mit Bart, Professor Yardley -ähnelt auffallend Abe Lincoln -Ausschau halten würden, der auf derselben Piste ankommen wird! Instruieren Sie Ihre Leute, ihn zuvorkommend zu behandeln ... Danke vielmals, auf Wiederhören!«
»Und nun«, rief Ellery dem grinsenden jungen Mann zu, der vor der Telefonzelle auf und ab ging, »besorgen Sie mir ein Flugzeug!«
»Wohin soll es denn gehen?«
»Nach Chicago.«
Um fünf vor halb elf umkreiste der Eindecker schließlich die hellerleuchtete Landepiste von Chicago. Ellery preßte die Stirn ans Fenster und konnte verstreute Gebäude, die Hangars, die Landebahn, eine Reihe von Maschinen und umherhuschende Gestalten erkennen. Als der Pilot im Sturzflug herunterging -Ellery hatte dem Piloten eine Sonderprämie für einen extra schnellen Flug zugesteckt -schwanden ihm plötzlich die Sinne. Als er wieder Luft bekam und das flaue Gefühl in der Magengegend sich gelegt hatte, waren sie schon nah am Boden und sausten auf die Piste zu. Er schloß die Augen und spürte, wie die Räder ruckartig aufsetzten, und als er die Augen wieder öffnete, rollten sie mit hoher Geschwindigkeit auf dem Beton entlang.
Ellery erhob sich unentschlossen und nestelte nervös an seiner Krawatte. Das Ende ... Der Motor schickte ein letztes Triumphgeheul in die Nacht, und die Maschine blieb stehen. Der Pilot drehte sich zu Ellery herum und brüllte. »Da wären wir, Mr. Queen! Schneller ging‘s nicht!«
»Hervorragend«, erwiderte Ellery mit einer Grimasse und taumelte zur Tür. Man konnte auch alles übertreiben ... Die Tür wurde von außen geöffnet, und Ellery sprang ungelenk auf die Landebahn. Obwohl das gleißende Licht der Scheinwerfer ihn blendete, sah er in etwa vier Metern Entfernung eine Gruppe von Männern, die ihre Blicke auf ihn richteten.
Er schaute genauer hin und erkannte die gewollt düstere Silhouette des Professors, während die fast horizontale Ausrichtung seines Kinnbarts auf schamlosestes Grinsen schließen ließ; er erkannte die untersetzte Gestalt des Commissioners von Chicago und besann sich auf den kleinen Ausflug zur Windy City, den er mit seinem Vater sieben Monate zuvor gemacht hatte und der ihn mit dem spektakulären Mord von Arroyo in Verbindung gebracht hatte; er sah weitere unbekannte Gesichter, die er Polizisten zuordnete, und ... Wer war denn das? Dieser kleine Mann im adretten grauen Anzug mit dem adretten grauen Hut auf dem Kopf und den adretten grauen Handschuhen -der zierliche Mann mit dem zerfurchten Gesicht und dem notorisch schief gehaltenen Kopf ...?
»Dad!« rief er, machte einen Satz nach vorn und ergriff die behandschuhten Hände seines Vaters Inspector Richard Queen. »Wie in aller Welt bist du denn hierhergekommen?«
»Tach, Junge«, erwiderte der Inspector trocken, konnte jedoch ein Schmunzeln nicht unterdrücken. »Willst der größte Detektiv der Welt sein und kriegst nicht einmal das heraus! Dein Freund Hardy von der Polizei Zanesville hat mich, nachdem du ihn aufgescheucht hattest, in New York angerufen, um sicherzugehen, daß du auch wirklich mein Sohn bist. Da habe ich zwei und zwei zusammengezählt, mir gedacht, daß du mal wieder einen Fall gelöst hast, weiter kombiniert, daß dein Mann entweder nach Chicago oder St. Louis geht, bin um zwei in New York in so ‘ne Kiste gestiegen und vor einer
Viertelstunde hier gelandet - und da bin ich!«
Ellery schlang seine Arme um die knochigen Schultern seines Vaters. »Du wirst mir ewig ein Rätsel bleiben! Mein Gott, was bin ich froh, daß du hier bist! Das faßt man ja nicht, auf welchen Schleichpfaden ihr alten Krieger noch unterwegs seid ... N‘ Abend Professor!«
Yardley zwinkerte Ellery zu, während sie sich die Hand gaben. »Ich nehme an, Sie zählen mich ebenfalls zu den rüstigen Alten? Ihr Vater und ich haben uns länger über Sie unterhalten, junger Mann, er glaubt, daß Sie noch einen Trumpf im Ärmel haben.«
»Ah«, sagte Ellery, während er langsam zu sich kam. »Glaubt er das, ja? Wie geht‘s, Commissioner? Tausend Dank noch einmal, daß Sie mir trotz meines Benehmens am Telefon Gehör geschenkt haben. Aber ich hatte es auch entsetzlich eilig ... Nun, Sir, wie sieht es aus?«
Sie verließen die Landebahn und betraten das Terminal. »Sieht gut aus«, sagte der Präsident. »Ihr Mann ist um fünf vor neun gelandet; wir hatten Mühe, ihn rechtzeitig ins Visier zu nehmen. Aber er ist vollkommen arglos.«
»Ich war nur zwanzig Minuten zu spät«, klagte der Professor, »und habe mich zu Tode erschreckt, als ich mit meinen müden alten Knochen aus der Maschine stieg und einer Ihrer Leute mich beim Arm packte und in wenig einladendem Ton ›Yardley?‹ brüllte. Aber, mein Junge, wie Sie sehen ...«
»Hmm, ja«, sagte Ellery. »Commissioner, wo ist -ähm -Krosac jetzt eigentlich?«
»Er hat sich Zeit gelassen; erst um fünf nach neun hat er sich per Taxi zu einem drittklassigen Hotel im Loop, dem Rockford, bringen lassen und nicht im geringsten bemerkt, daß ihm eine Polizeieskorte von vier Wagen gefolgt ist. Er ist jetzt auf seinem Zimmer.«
»Und es gibt keine Fluchtmöglichkeit?«
»Mr. Queen«, protestierte der Commissioner.
Der Inspeetor schmunzelte. »Soweit ich informiert bin, hecheln dir Vaughn und Isham von Nassau County hinterher, mein Sohn. Willst du nicht wenigstens auf sie warten?«
Ellery war wie vom Donner gerührt. »Himmel, die hab‘ ich ja ganz vergessen! Commissioner, wären Sie bitte so freundlich, einige Männer abzustellen, um sich um Inspector Vaughn und Bezirksstaatsanwalt Isham zu kümmern? Sie müßten in etwa einer Stunde hier sein. Bitte lassen Sie sie zum Rockford-Hotel bringen. Es wäre eine Schande, wenn sie den letzten Akt verpaßten!«