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»Falsch«, entgegnete Ellery kühl. »Ihre lange Kette von Ungereimtheiten und Widersprüchen reichte nur bis zum vierten Mord. An diesem Punkt jedoch klärte sich alles von selbst. Wissen Sie«, fuhr er mit zusammengezogenen Brauen fort, »ich hatte ständig das Gefühl, ich brauchte nur ein einziges Detail in die zentrale Position zu rücken, und alle anderen - so rätselhaft und zusammenhanglos sie auch erscheinen mochten ­würden sich wie von selbst zu einem klaren Muster ordnen. Dieses eine Detail sprang mir sofort ins Auge, als ich Old Petes Hütte nach dem vierten Mord betrat.«

»Das sagten Sie gestern abend bereits«, sagte der Professor. »Nur sehe ich immer noch nicht -«

»Können Sie auch nicht. Sie waren nie in der Hütte.«

»Ich allerdings schon!« fauchte Vaughn. »Nur müßten Sie mir freundlicherweise noch verraten, welches verdammte Ding -«

»Eine Herausforderung, die ich gern annehme.« Ellery blies Rauch an die niedrige Decke des Abteils. »Lassen Sie uns ein wenig ausholen. Bevor Dienstag nacht der zweite Mord in Arroyo geschah, konnte ich mir selbst auf kaum etwas einen Reim machen. Der erste Mordfall von Arroyo war mir ein vollständiges Rätsel -bis Andrew Van auftauchte und uns erzählte, sein Faktotum Kling sei damals irrtümlich einem rachebesessenen Mann namens Velja Krosac zum Opfer gefallen. Thomas Brad, Vans Bruder, starb durch die Hand des Rächers; Stephen Megara, ebenfalls Vans Bruder, wurde das nächste Opfer. Megara und die jugoslawische Polizei hatten Vans Geschichte bestätigt. In seinen groben Zügen schien der Fall klar zu sein: Ein Einzeltäter mit Vergeltungsmanie, der nun gegen die Mörder seines Vaters und seiner Onkel Amok lief. Als wir erfuhren, daß die Tvars ihn auch noch um sein Erbe gebracht hatten, stützte ein zusätzliches Motiv unsere Annahme. Professor Yardley hatte ich bereits dargelegt, daß sich aus den Umständen, unter denen Brad gestorben ist, zwei zwingende Folgerungen ergeben: erstens, daß er seinen Mörder kannte, und zweitens, daß Brads Mörder nicht hinkte. Richtig, Professor?« Yardley nickte, und Ellery faßte kurz zusammen, was sich aus der Position der Damesteine auf dem Brett und anderen Beobachtungen ergab, die auch Vaughn und Isham gemacht hatten.

»Aber damit war nichts gewonnen; wir waren ohnehin von dem ausgegangen, was ich nun -überflüssigerweise -auch bewiesen hatte. Bevor ich den Toten in der Hütte fand, konnte ich mir den bizarren Charakter der ersten drei Morde -das Abtrennen der Köpfe, die Ts aus verschmiertem Blut, die T­förmigen Kreuzigungsinstrumente -nur mit Krosacs biografisch bedingter T-Manie erklären.«

Ellery lächelte beinahe nostalgisch und betrachtete versonnen die Zigarette in seiner Hand. »Erstaunlicherweise war mir sehr früh schon -vor sieben Monaten nämlich, als ich die entsetzlich zugerichtete Leiche im Gerichtsgebäude von Weirton besichtigte -ein Gedanke gekommen, den ich nur hätte weiterspinnen müssen, um den Fall vielleicht schon damals lösen zu können: eine alternative Erklärung der Ts. Es war nur so eine vage Idee, eine Folge meiner logischen Schulung vielleicht. Damals jedoch schien mir der Gedanke so abwegig, daß ich ihn vorläufig verwarf; und als nichts geschah, was auch nur entfernt in diese Richtung wies, verwarf ich ihn endgültig. Und doch rumorte er weiter in meinem Hinterkopf ...«

»Wie bitte?« fragte der Professor irritiert. »Sie erinnern sich doch, junger Mann, als wir das ägyptische ...«

»Das gehört jetzt nicht hierher«, fiel Ellery ihm hastig ins Wort. »Dazu komme ich noch. Lassen Sie uns erst noch einmal die Umstände des vierten Mordes ins Gedächtnis rufen.« Er schilderte plastisch und detailliert, was er vorgefunden hatte, als er am Vortag über die Schwelle der eingezäunten Waldhütte getreten war. Yardley und Inspector Queen lauschten ihm mit äußerster Konzentration; doch als Ellery sein Wortgemälde vollendet hatte, blickten sie einander ratlos an.

»Fehlanzeige, soweit es mich betrifft«, gestand der Professor.

»Mir ist auch nichts aufgefallen«, sagte der Inspector.

Vaughn und Isham beäugten Ellery argwöhnisch.

»Herr im Himmel«, rief Ellery und warf seine Zigarettenkippe mit Verve aus dem Fenster. »Klarer geht‘s doch nicht mehr! Diese Hütte erzählt einen ganzen Roman! Wie lautet noch einmal das Motto in den Seminarräumen der Polizeiakademie im Palais de Justice, Dad? ›Das Auge sieht nur, wonach es sucht, und es sucht nur nach dem, was es schon zu wissen glaubt.‹ Die amerikanische Polizei sollte sich das endlich einmal hinter die Ohren schreiben, Inspector Vaughn! Die Fußspuren außerhalb der Hütte haben Sie doch sicher gründlich untersucht, nicht wahr?«

Vaughn und Isham nickten.

»Dann muß Ihnen auch sofort klargewesen sein, daß nur zwei Personen an diesem Mord beteiligt waren. Es gab lediglich zwei Spurenabschnitte -einer führte in die Hütte hinein, der andere hinaus. Form und Größe der Abdrücke waren beide Male gleich, stammten also von denselben Schuhen. Ebenfalls war es möglich, ungefähr zu ermitteln, wann die Abdrücke entstanden waren. Der heftige Regen hatte am Abend zuvor um elf aufgehört. Wären die Spuren entstanden, bevor es zu schütten aufhörte, wären sie bis zur Unkenntlichkeit vom Regen fortgewaschen worden. Also kam nur ein Zeitraum um oder nach elf in Frage. Der Zustand der Leiche an der Hüttenwand nun ließ darauf schließen, daß der Tod vor etwa vierzehn Stunden eingetreten war -ungefähr um elf. Die Fußspuren -die einzigen, wohlgemerkt -waren also um die Tatzeit herum entstanden.«

Ellery steckte sich eine neue Zigarette in den Mund. »Was also verrieten uns die Spuren? Daß im fraglichen Zeitraum nur eine Person die Hütte betreten und wieder verlassen hatte, die wiederum nur einen Ein-beziehungsweise Ausgang aufwies ­die Tür; während das Fenster mit Stacheldraht gesichert war.«

Ellery zündete sich die Zigarette mit einem Streichholz an und nahm einen tiefen Zug. »Es gab einen Mörder und ein Opfer. Das Opfer hatten wir gefunden. Also stammten die Fußspuren im aufgeweichten Boden vom Mörder, der offenbar hinkte. So weit, so gut. Auf dem Steinfußboden der Hütte lagen einige höchst aufschlußreiche Gegenstände.

Beweisstück Nr. 1: Mit Jodflecken durchtränktes, offenbar gebrauchtes Verbandszeug, das nach Form und Umfang nur um ein Handgelenk gewickelt worden sein konnte. Daneben teilweise abgewickeltes, unbenutztes Verbandszeug.

Beweisstück Nr. 2: Eine große Jodflasche aus blauem Glas, deren Verschlußkorken nicht weit entfernt davon auf dem Boden lag. Das Glas war undurchsichtig, und die Flasche hatte kein Etikett.

Ich fragte mich: Um wessen Handgelenk war der Verband gewickelt worden? Zwei Personen kamen in Frage: Opfer und Täter. Hätte das Opfer den Verband getragen, dann hätten wir an einem seiner Handgelenke eine Verletzung finden müssen. Ich habe die Leiche untersucht und keine derartigen Verletzungen gefunden. Schlußfolgerung: Der Mörder war am Handgelenk verletzt worden -während er mit der Axt den Kopf seines Opfers abhackte, oder möglicherweise auch, während er mit dem sich verzweifelt wehrenden Opfer rang. Wenn nun der Mörder verletzt worden war, dann muß er es auch gewesen sein, der Jod und Verbandszeug gebraucht hatte. Die Tatsache, daß er seinen Verband später entfernt hat, spielt keine Rolle. Die Wunde muß, wie der Verband zeigte, stark geblutet haben, und er hat ihn lediglich erneuert, bevor er die Hütte verließ.«

Ellery fuchtelte mit seiner brennenden Zigarette in der Luft herum. »Das aber brachte eine bedeutungsvolle Tatsache zutage! Wenn er nämlich das Jod benutzt hatte, was folgte dann daraus? Kommen Sie, das ist doch jetzt wirklich nur noch ein Kinderspiel! Noch immer nichts? Keiner?«

So sehr sie sich auch die Köpfe zermarterten, die Stirn in Falten legten und auf ihren Nägeln herumkauten -am Ende mußten sie alle passen.

Ellery ließ sich in den Sitz zurückfallen. »Das gibt es doch nicht! Für mich ist das sonnenklar. Durch welche Eigenschaften zeichnete sich denn die Jodflasche aus, die der Mörder auf dem Boden zurückgelassen hatte? Erstens: Sie war aus undurchsichtigem blauem Glas. Zweitens: Ihr fehlte ein Etikett. Woher wußte der Mörder dann, daß sie Jod enthielt?«