bezeichnenderweise war der Mörder jedoch später stets mit Reisetasche unterwegs. Warum hatte Krosac das erste -und für ihn einzige -Mal keine Tasche dabei? Weil er nicht die Absicht hatte, sein Opfer zu Hackfleisch zu verarbeiten; wahrscheinlich war er ein zu allem entschlossener, aber keinesfalls geisteskranker Rächer, dem der bloße Tod seiner Erzfeinde genügt hätte. Wäre Krosacs Plan an jenem Heiligabend nicht vereitelt worden, dann hätten wir die Leiche des Lehrers von Arroyo in unversehrtem Zustand gefunden -wahrscheinlich erschossen.
Doch es kam anders. Van, der Initiator dieser Kette von Grausamkeiten, lag auf der Lauer, um seinen arglosen Todfeind zu erschlagen, sobald er das Haus betrat. Den armen Kling hatte Van zuvor gefesselt und lebend an einen geheimen Ort gebracht. Nach vollendeter Tat zog er Krosac seine eigenen Kleider an, schlug dem Toten den Kopf ab und so weiter und so fort. Van -oder Andreja Tvar -mußte alles von Beginn an im voraus geplant und viel Zeit darauf verwendet haben, seine Morde als Blutrache jenes Krosac zu tarnen, der in Jahren einsamen Brütens wahnsinnig geworden war. Kling versteckte er, um am Schluß mit dessen Leiche seine eigene Ermordung vortäuschen zu können. Es sollte so aussehen, als habe Krosac, nachdem er zunächst den Falschen erwischt hatte, zwei der Tvar-Brüder und schließlich -nachdem er seinen Fehler erkannt hatte -auch den dritten umgebracht. Van, der dem Psychopathen Krosac scheinbar doch noch zum Opfer gefallen war, konnte unbehelligt -da tot -mit seinen Ersparnissen und der stattlichen Summe, die er seinem Bruder Stephen abgeluchst hatte, entkommen, während die Polizei bis in alle Ewigkeit einem Phantom nachjagte ... Er war nicht sonderlich schwer, die Toten so zu präparieren, daß sie für jemand anders gehalten wurden; denken Sie nur daran, daß Van sich seinen Hausangestellten Kling selbst im Waisenhaus ausgesucht hatte aufgrund seiner physischen Ähnlichkeit mit sich selbst. Auch Krosac muß ihm einigermaßen ähnlich gesehen haben Voraussetzung dafür, daß er als Van identifiziert werden konnte. Wahrscheinlich hat ihn diese oberflächliche Ähnlichkeit -die er entdeckte, als er auf Stryker und seinen Begleiter stieß, noch bevor er den anonymen Brief abschickte -erst auf die entscheidende Idee gebracht.«
»Du sagtest vorhin«, bemerkte der Inspector, während er sich eine weitere Prise Schnupftabak genehmigte, »du hättest am Anfang den richtigen Riecher gehabt, wärst aber nicht drangeblieben oder so ähnlich. Wie hast du das gemeint?«
»Zu meiner Schande nicht nur am Anfang«, erwiderte Ellery beschämt. »Immer wieder kam mir der Gedanke, aber jedesmal habe ich ihn verworfen, weil die alternative Erklärung die plausiblere zu sein schien ... Denn schau: Schon beim ersten Mord fiel doch eines sofort auf -der Kopf war abgetrennt worden und blieb verschwunden. Warum? Es schien die spezielle Marotte des Geisteskranken zu sein, seine Opfer zu köpfen. Später erfuhren wir die Geschichte der Tvars, interpretierten die Ts folgerichtig als Rachesymbole und nahmen an, der Mörder hätte seine Opfer enthauptet, um ihre gekreuzigten Leichen T-förmig zu machen. Doch letzte Zweifel wollten nicht verstummen ... Es gab nämlich auch eine andere Erklärung dafür: Daß die T-förmige Leiche, die T-Kreuzung, der Wegweiser, das T an der Haustür im ersten Mord; der Totempfahl im zweiten und der Antennenmast im dritten (auch die hingeschmierten Ts kehrten regelmäßig wieder) -, daß der jeweilige Tatort nur zu einem Zweck so verschwenderisch mit T-Symbolen dekoriert worden war: um davon abzulenken, daß der Leiche jedesmal der Kopf fehlte. Der Kopf, das Gesicht, ist oft der einzige Körperteil, anhand dessen sich eine Leiche identifizieren läßt. Also, sagte ich mir, war es theoretisch möglich, daß wir es nicht mit den Verbrechen eines T Besessenen zu tun hatten, sondern mit jemandem, der trotz aller Mordlust sachlich genug vorging, die Toten zu köpfen, um ihre Identität zu verschleiern. Ein Umstand schien für diese Variante zu sprechen: Keiner der Köpfe war je gefunden worden. Warum hatte der Mörder die Köpfe nicht einfach am Tatort oder in unmittelbarer Nähe liegenlassen, um die schaurigen Zeugen seiner Taten so bald wie möglich los zu sein -was gewöhnlichen Mördern, ob wahnsinnig oder nicht, erfahrungsgemäß ein Bedürfnis ist? Die T-Manie hätte ja auch so ihre Befriedigung gefunden. Aber die Köpfe blieben verschollen; und ich hatte stets das ungute Gefühl, daß hier etwas nicht stimmte.
Doch solche Gedanken waren reine Spekulation; die anderen Indizien verwiesen so eindeutig auf einen besessenen Rächer, daß ich immer wieder von der richtigen Spur abkam. Als ich jedoch den vierten Mord untersuchte, fand ich heraus, daß Andrew Van hinter allem steckte -und auf einmal lösten sich auch alle Widersprüche in Wohlgefallen auf. Bei seinem ersten Mord -dem an Krosac -war er gezwungen gewesen, sein Opfer zu köpfen, um eine Identifizierung zu verhindern und gleichzeitig plausibel zu machen, daß es sich um seine eigene, respektive Klings Leiche handele beziehungsweise gehandelt habe, je nach dem von ihm selbst manipulierten Erkenntnisstand der Ermittler. Es reichte jedoch nicht aus, einfach nur den Kopf abzuhacken -die Polizei hätte sofort Verdacht geschöpft und wäre Van möglicherweise auf die Schliche gekommen. Also tüftelte Van die schreiend irrationale T-Symbolik aus, um vorzugaukeln, es handelte sich um das Werk eines Wahnsinnigen mit T-Manie. Das Fehlen der Köpfe ging im Gesamtszenarium unter und lenkte die Polizei zuverlässig von seinem wahren Zweck ab, der darin bestand, jeden Zweifel an der Identität der ersten und der letzten Leiche im Keim zu ersticken. Als er einmal damit angefangen hatte, war er natürlich gezwungen, die Schreckensprozedur jedesmal zu wiederholen; auch seine Brüder Brad und Megara mußte er enthaupten, um die Kontinuität der T-Manie zu wahren. Als er das letzte Mal mordete, diente die Enthauptung jedoch wieder einem echten Zweck. Wir hatten es mit einem Teufelsplan zu tun, der in Entwurf und Ausführung gleichermaßen genial war.«
»Ich würde gern noch einmal auf den letzten Mord zu sprechen kommen«, sagte Isham und schluckte. »Habe ich mir das nur eingebildet, oder waren die - äh - Fußspuren, die zur Hütte führten, tatsächlich tiefer als diejenigen, die von ihr fortführten?«
»Alle Achtung, Mr. Isham!« erwiderte Ellery. »Wie gut, daß Sie mich daran erinnern! Diese Beobachtung hat mir als Bestätigung gedient, als ich den ganzen Fall im Geiste noch einmal rekapitulierte. Ich hatte beobachtet, daß sich -wie Sie gerade sagten -die Fußspuren, die von der Hütte wegführten, weniger tief eingeprägt hatten als diejenigen, die zu ihr hinführten. Die Erklärung? Ein einfacher Syllogismus. Warum sollten die gleichen Abdrücke im gleichen Boden einmal tiefer sein als ein anderes Mal? Weil der Mörder im ersten Fall etwas Schweres transportierte und im zweiten nicht -die einzig logische Erklärung dafür, daß derselbe Mensch in so kurzer Zeit plötzlich schwerer geworden war. Das paßte außerdem wunderbar. Ich wußte, daß es sich bei dem letzten Toten, den wir gefunden hatten, um Kling handelte. Wo hatte Van Kling gefangengehalten? In der Hütte selbst nicht, also irgendwo in der Umgebung. Constable Luden hatte einmal erwähnt, daß es in den Bergen von West Virginia zahlreiche Höhlen gibt; und Van selbst hatte uns erzählt, er sei auf die verlassene Hütte während einer Höhlenexpedition gestoßen, die er vermutlich nur zu diesem Zweck unternommen hatte. Van holte Kling aus der Höhle, in der er ihn monatelang gefangengehalten hatte, und trug ihn zur Hütte. Der Regen mußte aufgehört haben, nachdem er sich zur Höhle aufgemacht hatte, aber bevor er mit seiner lebendigen Last zurückgekehrt war; der Regen hatte die Abdrücke fortgewaschen, die er auf dem Hinweg hinterlassen hatte, diejenigen aber, die sich nach seiner Rückkehr in den nassen Boden eingeprägt hatten, waren erhalten geblieben. Die tiefen Abdrücke waren also entstanden, als er Kling in die Hütte schleppte, und die weniger tiefen, als er sie nach dem Mord zum letzten Mal verließ.«