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Die Lichter wurden spärlicher, als die Gruppe tiefer in den Südflügel vordrang. Korridore wechselten mit breiten Galerien, Sälen, Rotunden und scheinbar endlosen Treppen, bis die Männer schließlich vor dem Arsenal standen. Der Seneschall sperrte das hohe Portal auf und trat einen Schritt zur Seite, damit der König als Erster über die Schwelle treten konnte, aber einen Moment lang blieben alle unschlüssig stehen. Rupert starrte die Flügeltüren an und spürte ein leises Kribbeln, das eine Mischung aus Angst und Ehrfurcht in ihm hervorrief. Seit nunmehr fast vierzehn Generationen war das Arsenal die Waffenkammer der Waldkönige. Jenseits dieses Portals lagen alle jene geschichts- und legendenträchtigen Klingen, all jene Waffen der Helden, Schurken und besiegten Feinde des Reiches. Und irgendwo im Dunkel jenseits dieses Portals lagen die Schwerter der Hölle: Felsenbrecher, Blitzstrahl und Hundsgift.

Rupert musterte den König, der immer noch keine Anstalten traf, das Arsenal zu betreten. Seine Züge waren ernst und angespannt, und Schweißperlen drangen unter dem Stirnreif hervor. Ruperts Blicke streiften Harald, aber der verbarg seine Gefühle wie gewohnt hinter einer Maske kühler Gelassenheit. Und vielleicht bildete sich Rupert nur ein, in den Augen seines Bruders einen gierigen Glanz zu erkennen.

Rupert betrachtete wieder das einladende Portal, trat entschlossen vor und schob den linken Flügel auf, der lautlos nach innen schwang, obwohl er seit vielen Jahren nicht mehr bewegt worden war. Der Seneschall war im Nu an seiner Seite und hielt eine lodernde Fackel hoch, während Prinz Rupert die Schwelle zum Arsenal der Waldkönige überschritt.

Der Saal war so weitläufig, dass seine Grenzen im Dunkel jenseits des Fackelscheins verschwammen. Links und rechts und vor ihm ragten Klingen auf, von denen er sein Leben lang gehört hatte, ohne sich jedoch die Hoffnung zu machen, sie jemals zu Gesicht zu bekommen. Langsam ging Rupert durch den schmalen Mittelgang. Schwerter, Äxte und Streitkeulen füllten die Waffenregale und hingen stolz an den Wänden, das ziselierte Metall und die reich verzierten Lederhüllen dank der Magie des Arsenals makellos erhalten. Unter einem schlichten Messingschild, in dem der Name eingraviert stand, hing das berühmte Breitschwert Rechtsprecher, das sieben Waldkönige nacheinander gedient hatte, bis es schließlich so schartig und verbeult war, dass es keinen scharfen Schnitt mehr ausführen konnte. Nicht weit davon entfernt erhob sich die schlanke Silberklinge namens Verräter, die der schnöde Sternenlicht-Herzog während der kurzen Zeit seiner gewaltsamen Machtübernahme geschwungen hatte. Und mehr…

und mehr… Ein Gefühl von Alter und Geschichte überwältigte Rupert, als er langsam bis zum Ende des Arsenals vordrang. Das Waldkönigreich war sehr viel älter, als die meisten Leute ahnten oder sich vorstellen konnten.

Viele der Regale standen leer; man hatte sie ausgeräumt, um die Männer auszurüsten, die sich bereit erklärt hatten, die Burg gegen die Dämonen zu verteidigen. Andere Schwerter waren zurückgeblieben, weil sie so viele Einsätze gesehen hatten, dass sie nur noch als Erinnerungsstücke oder Zeremonienwaffen taugten. Dennoch enthielt das Arsenal tausende und abertausende von Waffen, die in langen Reihen geduldig auf den Tag warteten, da sie wieder zur Verteidigung des Waldkönigreichs benötigt würden. Manche Klingen kannte Rupert seinem Namen oder seiner Geschichte nach, während andere längst aus der Erinnerung getilgt waren. Mehr als einmal starrte er eine namenlose Waffe an und sann darüber nach, welcher Triumph oder welche Tragödie sich hinter dem glatten Stahl verbergen mochte. Doch die Schwerter der Hölle erkannte er auf den ersten Blick, obwohl er sie noch nie zuvor gesehen hatte.

Sie standen gemeinsam in einer Nische, drei mächtige Langschwerter in Scheiden aus ziseliertem Silber. Die Griffe waren mit dunklem, fleckigem Leder umwickelt. Die Klingen hatten eine Länge von mindestens zwei Metern und am Ansatz eine Breite von etwa fünfzehn Zentimetern. Rupert betrachtete sie und wusste, weshalb er bereits vor dem Betreten des Arsenals einen Schauder gespürt hatte. Einen Moment lang drang ihm der Gestank von Blut in die Nase, aber der Eindruck verflog so rasch, dass Rupert ihn als Einbildung abtat. Die Klingen ragten vor ihm auf, kalt und majestätisch und allem Anschein nach nicht gefährlicher als jedes gewöhnliche Schwert. Dennoch spürte Rupert tief im Innern eine dumpfe Vorahnung, als wälze sich ganz in seiner Nähe eine uralte, Furcht erregende Kreatur unruhig im Schlaf. Ärgerlich verdrängte er diesen Gedanken und griff nach der erstbesten Klinge. Der Seneschall packte ihn rasch am Arm und zog ihn zurück.

»Vorsicht, Sire, die Schwerter sind geschützt! Wenn Sie eines davon berühren, ehe der Bann gelöst ist, können wir vermutlich Ihre Reste in einem Eimer wegtragen.«

»Natürlich, Sir Seneschall«, sagte Rupert. »Das hatte ich völlig vergessen.« Er merkte, dass seine Wangen brannten, und schalt sich insgeheim einen Trottel. Selbst ihm hätte klar sein müssen, dass so mächtige Waffen wie die Schwerter der Hölle nicht für jedermann zugänglich herumstanden. »Ich nehme an, dass es einen Gegenzauber gibt.«

»Ja«, warf der König ein. »Ich erfuhr ihn von meinem Vater, so wie er ihn von seinem Vater erfahren hatte. Allerdings hätte ich nie geglaubt, dass ich ihn eines Tages anwenden müsste.«

Rupert und der Seneschall gaben den Weg für König Johann frei. Harald hielt sich ein wenig im Hintergrund. Er trug immer noch die Maske der Gleichgültigkeit, beobachtete aber ganz genau, was sein Vater tat. Der König blieb eine Weile vor den drei großen Schwertern stehen und stieß schließlich drei Worte in einer rauen, gutturalen Sprache hervor, die Rupert noch nie zuvor gehört hatte. Die Worte hingen in der Luft, brachen sich an den Wänden und schienen endlos widerzuhallen. Und dann antworteten ihm die Schwerter.

Ruperts Nackenhaare sträubten sich, als ihn die leisen, unheimlichen Stimmen von überall und nirgends erreichten, anschwollen und verebbten und sich zu seltsamen, unnatürlichen Klängen verwoben, die er beinahe verstand und doch nicht ganz zu fassen bekam. Es hörte sich vieldeutig, fließend und ganz und gar fremdartig an. Der König antwortete hin und wieder, mit Worten, die sich hart und angestrengt von der sanften, fast verführerischen Sprache der Schwerter abhob.

Und dann verstummten die Klingen unvermittelt. Die Stimme des Königs nahm einen sonderbar unangenehmen Rhythmus an und senkte sich zu einem beinahe unhörbaren Flüstern. Im Saal wurde es merklich kälter. Rupert sah, dass sein Atem dampfte. Die in die Silberscheiden eingravierten Runen schienen sich zu winden, als seien sie zum Leben erwacht, und Rupert spürte plötzlich einen Druck ganz in der Nähe…

eine Kraft, die gegen ihre Fesseln ankämpfte. Die Luft roch nach frisch vergossenem Blut. Etwas bewegte sich in den Schatten jenseits des zuckenden Fackelscheins. Und dann presste der König erneut drei Worte hervor, und die Schwerter der Hölle lachten leise. Eine lauernde Gier schwang in ihrem Lachen mit. Rupert zuckte angewidert zusammen, als hätte ihn das Lachen irgendwie besudelt. Das letzte Echo verhallte, und im Saal herrschte wieder Stille. Die Fackel flackerte und zuckte, aber die Schatten waren nur noch harmlose Schatten. Die Luft erwärmte sich, und der überwältigende Gestank nach Blut verwehte zu einer unangenehmen Erinnerung. König Johann starrte die Schwerter der Hölle unbewegt an. Als er schließlich sprach, klang seine Stimme wieder gelassen.