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»Wir?«, fragte Rupert.

»Der Mensch«, erklärte der Zauberer. »Der Mensch macht alles zunichte. Seine Logik und Vernunft werden letztlich der Tod der Magie sein. Die Magie wirkt nach ihren eigenen Gesetzen, und die scheren sich wenig um Ursache und Wirkung. Deshalb sind und waren alle wahrhaft großen Zauberer stets Exzentriker. Sie beherrschten ihr Fach, weil sie ebenso launisch und widersprüchlich waren wie die Magie, die sie studierten. Die Zauberei besitzt durchaus Struktur und Logik, aber es ist keine Menschenlogik. Die Prinzipien, denen sie gehorcht, sind eher Abkommen und Übereinkünfte als Naturgesetze. Ich verwirre Sie, nicht wahr? Die Magie ist ein verwirrendes Geschäft. Jahr für Jahr gibt es weniger Menschen, die ihren Verstand so verbiegen können, dass sie die Zauberkunst beherrschen. Jahr für Jahr gibt es weniger Menschen, die verrückt genug sind, um die Magie zu begreifen, und zurechnungsfähig genug, um ihren Fallstricken zu entgehen.

In nicht allzu langer Zeit wird die Magie aus dieser Welt verschwunden sein, Rupert. Verdrängt von der Menschheit mit ihrem Hang zur Logik und Vernunft und einfachen, leicht verständlichen Antworten. An die Stelle der Magie wird die Wissenschaft treten, und dann geht es uns vermutlich bei weitem besser. Auf die Wissenschaft ist immer Verlass. Alles, was uns dabei verloren geht, sind ein wenig Poesie, ein wenig Schönheit… und vielleicht ein wenig von den Wundern dieser Welt. Keine Drachen mehr. Keine Einhörner mehr. Keine Kobolde oder Feen.«

»Und keine Dämonen mehr«, ergänzte Rupert.

»Alles Schlechte hat irgendwo sein Gutes.« Der Zauberer wollte erneut die Flasche ansetzen und senkte sie mit einem Achselzucken, als er Ruperts Blick sah. »So ironisch es klingt

– das Einzige, was die Magie am Leben erhalten könnte, ist der Blaue Mond selbst. Aber das wäre Wilde Magie, und eine Welt unter der Herrschaft der Wilden Magie hätte keinen Platz für die Menschen. Für die Wilde Magie gibt es weder Vernunft noch Logik, weder Abwägen noch Kontrolle –

nichts außer schierer Macht. Die Macht, die Realität selbst zu verändern. Wenn wir diese Schlacht gegen den Dämonenfürsten verlieren, Rupert, dann ist alles zu Ende. Dann wird sich der Dunkelwald über die Welt ausbreiten und alles außer den Dämonen vernichten.

Alles menschliche Leben zumindest. Manche Kreaturen werden auch den Dunkelwald überdauern. Das ist immer so.

Im Burggraben gibt es ein solches Geschöpf, tief unter dem Eis. Ein faszinierendes Ding.«

»Das Burggraben-Ungeheuer!«, sagte Rupert.

»Nennt ihr es so?« Der Zauberer zog fragend die Augenbrauen hoch. »Es war einmal ein Mensch, den ich verwandelt habe, vor langer Zeit.«

»Ganz recht«, erklärte Rupert. »Und wenn ich sonst schon nichts erreichen kann, dann will ich wenigstens diese Sache in Ordnung bringen. Nehmen Sie Ihren Zauber zurück!«

»Wie bitte?«

»Nehmen Sie Ihren Zauber zurück!«, befahl Rupert kategorisch. »Das Ungeheuer wurde als Mensch geboren und sollte die Gelegenheit bekommen, als Mensch zu sterben, nicht als… als irgendeine Kreatur.«

»Aber es will nicht zurückverwandelt werden«, widersprach der Zauberer. »Es ist glücklich in seinem Burggraben.

Das hat es mir ausdrücklich versichert, als ich mich mit ihm unterhielt.«

Rupert warf ihm einen ungläubigen Blick zu. »Sie machen Witze!«

»Ich mache nie Witze«, sagte der Zauberer kühl. »Es war nur ein Bann auf Zeit. Er hätte sich jederzeit selbst zurückverwandeln können, nachdem die Frist abgelaufen war. Wenn er es nicht tat, dann deshalb, weil ihm seine neue Form besser gefiel.«

Rupert sah sein Gegenüber prüfend an, aber die Miene des Zauberers blieb ernst.

»Ich glaube, ich sollte noch ein paar Worte mit meinem Einhorn wechseln«, sagte der Prinz schließlich. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden…«

Der Zauberer lachte leise vor sich hin, als Rupert mit einem verwirrten Kopfschütteln in der Menge untertauchte, und nahm einen tiefen Zug aus seiner Flasche. Als er sie wieder senkte, stand König Johann vor ihm. Er gab sich keine Mühe, seine Abscheu zu verbergen. Fackellicht schimmerte rötlich auf dem Kettenpanzer, der ihn von Kopf bis Fuß einhüllte, und dem Zauberer entging auch der lederumwickelte Schwertgriff nicht, der hinter der linken Schulter des Königs aufragte.

»Hallo, Johann«, sagte er höflich. »Du siehst sehr… imposant aus. Ich böte dir gern einen Schluck, aber dies ist meine letzte Flasche.«

»Kannst du keine Sekunde auf das Zeug verzichten?«, fragte der König scharf.

Der Zauberer zuckte mit den Schultern. »Ich brauche den Alkohol.«

»Das war schon immer so.«

Der Zauberer musterte den König eingehend. »Ich sehe, dass du dich mit Felsenbrecher ausstaffiert hast. Wessen Einfall war das?«

»Meiner«, erklärte der König knapp. »Die Schwerter der Hölle sind unsere letzte Hoffnung gegen die Finsternis.«

Der Zauberer lächelte grimmig. »Ich dachte, ich sei deine letzte Hoffnung gegen die Finsternis.«

»Nein.« Der König starrte die Flasche in der Hand des Großen Zauberers an. »Nicht mehr.«

»Lass die Finger von der Waffe, Johann«, sagte der Zauberer ruhig. »Du kannst den Schwertern der Hölle nicht trauen.

Zusammen haben sie die Macht, die Welt zu vernichten.

Wenn du diese Macht erst einmal entfesselt hast, wird es verdammt schwer sein, sie zu beherrschen.«

»Wir benutzen die Schwerter«, erklärte der König. »Wir haben keine andere Wahl.«

Der Zauberer seufzte leise und wandte den Blick ab. »Du hast ganz Recht«, sagte er schließlich. »Ich sollte nicht so viel trinken. Es verwirrt meinen Verstand, verzerrt die Wirkung meiner Zaubersprüche und bringt mich langsam aber sicher um.«

»Dann hör auf damit!«, knurrte der König.

»Ich kann nicht«, sagte der Zauberer hilflos. »Glaubst du, ich hätte es nicht versucht? Ich trinke nicht, weil es mir Spaß macht, Johann. Ich trinke, weil ich sonst den Tag nicht durchstehe.«

»Immer die gleiche Ausrede«, sagte der König.

Der Zauberer warf ihm einen flehenden Blick zu. »Du hast mich nie verstanden, Johann. Aber du wolltest mich auch nicht verstehen. Du selbst hast nie im Leben einen Schluck gebraucht. Du hast nie etwas gebraucht. Zum Henker damit!

Wir können nicht alle vollkommen sein.«

»Du bist ein ganz gewöhnlicher Säufer!«

»Ich bin das, was du aus mir gemacht hast, Johann. Du und deine verdammte Familie! Immer musste ich eure kostbare Haut retten, aus einer Katastrophe nach der anderen! Ich war nicht immer ein Säufer.«

»Aber meistens, wenn es darauf ankam.«

»Ich habe deine Wünsche erfüllt, betrunken oder nüchtern.«

»Alle bis auf einen«, sagte der König. »Bis auf den einen, der mir wirklich am Herzen lag.«

»Hör auf!«, flüsterte der Zauberer. »Bitte!«

»Eleanor lag im Sterben, und du warst nirgends zu finden.

Ich musste meine Männer in die Wirtshäuser und Kneipen schicken. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie dich auf die Burg brachten. Und während all der Zeit saß ich an ihrem Bett…

an Eleanors Bett… Du hättest sie retten können!«

»Ich kam zu spät.«

»Du warst betrunken!«

»Ja«, sagte der Große Zauberer. »Ich war betrunken.«

Er starrte die Flasche in seiner Hand an und begann zu weinen.

Prinz Harald stand ungeduldig vor dem geschlossenen Hauptportal und verbarg seinen wachsenden Ärger hinter einer gewohnt lässigen Maske, während ein Diener an ihm herumzupfte und die Riemen seiner Rüstung festzog. Die sich überlappenden Schichten des Kettenpanzers waren heiß, schwer und sehr beengend, aber Harald schwor nun einmal auf Rüstungen. Ganz gleich, wie gut man mit Schwert und Schild umgehen konnte, früher oder später traf man auf einen Gegner, der mehr Geschick oder mehr Glück im Nahgefecht besaß, und dann war eine gute Rüstung von entscheidendem Vorteil. Haralds Miene verdüsterte sich, als er an seinen letzten Kampf gegen Rupert hier auf dem Burghof dachte.