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Damals hatte ihm sein Kettenpanzer nichts genützt. Aber gleich darauf lächelte Harald wieder. Diesmal war alles anders. Diesmal hatte er Blitzstrahl. Immer wieder spähte er aus dem Augenwinkel nach dem langen Griff des Höllenschwerts, der über der linken Schulter aufragte. Blitzstrahl war unheimlich leicht für eine so gewaltige Klinge, und doch spürte Harald die Waffe bei jeder Bewegung. Es ging eine schwache, unangenehme Wärme von dem Schwert aus, als glühe das Metall in der Scheide. Und manchmal durchzuckte Harald ohne jeden Grund der Gedanke, wie schön es wäre, die Klinge zu ziehen und seine Feinde niederzumähen, einen nach dem anderen…

Der Diener war endlich fertig, und Harald schickte ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung weg. Er holte sein gewöhnliches Schwert, das er umgegürtet hatte, und begann mit den gewohnten Aufwärmübungen. Der schwere Stahl in seiner Hand beruhigte ihn, und er merkte, wie sich seine Muskeln lockerten, während er elegant die Hieb- und Stichfolgen durchexerzierte. Er hatte sein Fechttraining seit der Niederlage gegen Rupert sehr viel ernster genommen und spürte den Unterschied. Harald war immer ein guter Kämpfer gewesen, aber jetzt war er nahezu vollkommen. Ruperts triumphierende Miene stand ihm vor Augen, als er auswich und parierte und zum Angriff überging, immer und immer wieder. Blitzstrahl schlug bei jeder Bewegung gegen seine Schulter, als wolle es Harald an seine Kampfbereitschaft erinnern. Harald stampfte mit den Füßen, warf sich herum, schwang das im Fackelschein blitzende Schwert – und wusste doch, dass sein ganzes Geschick und seine ganze Übung nicht ausreichen würden, sobald er sich in die lange Nacht hinaus begab. Seine einzige Hoffnung im Kampf gegen die Dämonen war das Schwert der Hölle, aber irgendwie war er nicht so erpicht darauf, es einzusetzen, wie er gedacht hatte.

Er sah, dass sein Vater auf ihn zukam, setzte die Übungen aber bewusst fort. Erst als der König ihn fast erreicht hatte, schaute er auf und schob das Schwert mit einer einzigen fließenden Bewegung in die Scheide zurück. Dann lehnte er sich lässig gegen das geschlossene Tor. Er tupfte sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn und verneigte sich leicht vor dem König, der ihm kurz zunickte.

»Einsatzbereit, Harald?«

»Natürlich, Vater.«

König Johann stand einen Moment lang schweigend da, als warte er darauf, dass Harald weiterspräche. Harald ließ ihn warten.

»Du wolltest mich sprechen, Harald?«

»Ganz recht, Vater.« Harald fuhr sich noch einmal mit dem Taschentuch über die Stirn, ehe er es wieder in den Ärmel schob. »Ich möchte, dass du mir noch vor der Schlacht Julia zur Gemahlin gibst. Die Zeit reicht.«

König Johann starrte ihn ungläubig an. »Was?«

»Ich will Julia zur Frau, und ich will, dass die Trauung jetzt vollzogen wird. Für die Kampfmoral der Leute wird es Wunder wirken und ein für alle Mal die Frage klären, ob du mich oder Rupert als Nachfolger favorisierst. Ich muss sicher sein, dass die Truppe voll hinter mir steht.«

»Deine Heirat wurde verschoben«, sagte der König ruhig.

»Abgesehen davon, dass dies weder die rechte Zeit noch der rechte Ort für eine Hochzeit ist, möchte ich Rupert nicht aus der Fassung bringen. Er wird in Kürze Seite an Seite mit uns in die Schlacht reiten, und es gibt Leute, die seinen Anweisungen folgen werden, während sie dir den Gehorsam verweigern.«

»Genau das meine ich«, entgegnete Harald. »Ich bin der älteste Sohn, der Erstgeborene. Meinen Befehlen sollen sie gehorchen. Außerdem gibt es noch andere Gründe für die Hochzeit. Es kann gut sein, dass wir alle drei in diesem Kampf umkommen und das Waldkönigreich ohne Herrscher zurücklassen. Wenn Julia und ich verheiratet wären, könnte unsere Linie durch sie weiterleben. Und wenn durch eine unglückselige Fügung du fallen solltest, während Rupert und ich am Leben bleiben, würde meine Heirat mit Julia meine Thronfolge sicherstellen. Außerdem wäre die Durchführung der Zeremonie ein deutlicher Hinweis auf deine Wünsche in dieser Angelegenheit. Andernfalls könnte es geschehen, dass wir zwar die Schlacht gegen die Finsternis gewinnen, das Land aber durch einen Bürgerkrieg verlieren.«

»Nein«, sagte der König. »Ich habe dir meine Antwort gegeben, Harald, und ich wiederhole mich nicht gern. Die Hochzeit ist verschoben, auf unbestimmte Zeit.«

»Ich verstehe«, murmelte Harald. »Daher also weht der Wind.«

Lange Zeit sahen die beiden Männer einander schweigend in die Augen. Ringsum bereitete sich das letzte Aufgebot des Reiches mit viel Lärm und Waffengeklirr auf den Kampf vor, aber Harald und der König waren blind und taub für alles außer ihrem persönlichen Konflikt. König Johann musterte seinen ältesten Sohn kühl. Harald und Rupert hatten sich nie verstanden; das war angesichts ihrer Situation auch nicht anders zu erwarten gewesen. Aber die plötzliche Vehemenz, mit der Harald eine Entscheidung zu erzwingen suchte, kam für den König unerwartet. In der Vergangenheit war Harald stets bereit und in der Lage gewesen, selbst mit Rupert fertig zu werden. Er verlor nie die Selbstbeherrschung, und er wusste, wie weit er gehen konnte. Aber nun… es war das erste Mal, dass Harald seinen Vater je um Hilfe bat. König Johann runzelte die Stirn. Entweder war Harald aufrichtig in Julia verliebt oder er machte sich ernsthafte Sorgen um Ruperts wachsenden Einfluss bei Hofe. Das Letztere war der weit wahrscheinlichere Grund, aber bei Harald konnte man das nie genau sagen. Bei Harald konnte man nie etwas Genaues sagen.

Mit einem tiefen Seufzer wandte König Johann den Blick ab. Die Versuchung war groß, sich einfach umzudrehen und zu gehen, aber er widerstand ihr. Damit hätte er Harald das Gefühl gegeben, dass der König vor ihm den Rückzug antrat.

Es hätte seine eigene Position geschwächt.

»Du bist mein ältester Sohn«, sagte der König langsam und sah Harald dabei eindringlich an. »Wenn dieses Tor sich öffnet, wirst du zu meiner Rechten reiten. Aber Rupert ist ebenfalls mein Sohn und er wird zu meiner Linken reiten. Es ist wichtig für die Kampfmoral der Truppe, dass wir drei eine geschlossene Front gegen die Finsternis bilden. Unser Heer wird genug zu tun bekommen, ohne entscheiden zu müssen, wessen Befehlen es gehorchen oder nicht gehorchen will. Wir haben jetzt keine Zeit mehr für Politik. Also wird es keine offenen Differenzen zwischen dir und Rupert geben. Ist das klar, Harald?«

»Mehr als klar.«

»Gut«, fuhr der König fort. »Dann können wir diese Diskussion beenden, ja?«

Harald nickte. »Ich sah dich mit dem Zauberer sprechen«, sagte er. »Trinkt er immer noch?«

»Natürlich. Aber wenn er gebraucht wird, ist Verlass auf ihn.«

»Da ist noch eine Sache, Vater«, sagte Harald leichthin.

»Ich habe mich immer gefragt, ob diese Geschichten stimmen.«

»Geschichten?«, wiederholte der König. »Welche Geschichten?«

»Die Geschichten über ihn und Mutter natürlich. Man erzählt sich, dass er sie geliebt hat. Und man erzählt sich…«

König Johann hob die Hand, wie um Harald ins Gesicht zu schlagen, und senkte sie langsam wieder. Harald zuckte mit keiner Wimper. Seine Augen verrieten Wachsamkeit. Der König seufzte leise.

»Harald…«

»Ja, Vater?«

»Du hast die Anlagen, ein guter König zu werden, Harald.

Du verstehst dich auf Politik, auf Intrigen und auf die Gesetze. Du verstehst dich sogar auf den Papierkram, mit dem ich mein Leben lang auf Kriegsfuß stand. Aber du brauchst mehr als dies, um das Volk für dich zu gewinnen. Gewiss, du besitzt Charme und setzt ihn auch ein, wenn du etwas erreichen willst, aber… ich weiß eigentlich nicht, wo dein Herz schlägt, und bezweifle, dass es sonst jemand weiß. Manchmal mache ich mir Sorgen um dich, mein Junge. Du bist mein Sohn. Mein Fleisch und Blut. Aber ich bekenne, dass du mir heute noch genau so fremd bist wie am Tag deiner Geburt.«