Выбрать главу

Rupert rang nach Worten, um das wahre Ausmaß des Grauens zu schildern, aber es gab keine geeigneten Worte für seine Erlebnisse. Er wusste einfach, wusste es ohne den Schatten eines Zweifels, dass er sterben oder den Verstand verlieren würde, wenn er den Dunkelwald noch einmal beträte. Ein Ruck ging durch seinen Körper, als er den Blick endlich von der Finsternis losriss. Er hatte dem Dunkelwald schon einmal getrotzt; er würde es ein zweites Mal schaffen.

Verzweifelt klammerte sich Rupert an diesen Gedanken. Die lange Nacht hatte ihn gezeichnet, aber nicht gebrochen. Vielleicht war die Reise diesmal leichter zu ertragen. Er hatte Nahrung und Wasser. Er hatte Gefährten. Und es gab genügend trockenes Holz, das sich für Fackeln verwenden ließ.

Wenn ich es jetzt nicht wage, werde ich immer Angst vor der Dunkelheit haben.

Es klang wie ein Schluchzen, als Rupert tief Luft holte und wieder ausatmete.

»Rupert«, sagte der Drache, »was ist dir im Dunkelwald zugestoßen?«

»Nichts«, entgegnete Rupert mit rauer Stimme. »Überhaupt nichts. Ich bin bereit.«

Er drängte das Einhorn vorwärts, aber das Tier zögerte und sah ihn unschlüssig an.

»Rupert, niemand zwingt dich, diesen Weg zu gehen…«

»Setz dich in Bewegung, verdammt noch mal!«, raunte Rupert und das Einhorn folgte ihm schweigend in den Dunkelwald. Julia folgte dem Einhorn, und der Drache übernahm die Nachhut, ohne auf die nadelspitzen Dornen zu achten, die mit einem hässlichen Geräusch seine Schuppenhaut streiften.

Die Nacht senkte sich wie ein Gewicht über sie, als sie die Grenze zum Dunkelwald überschritten, und Rupert biss sich auf die Lippen, um nicht laut aufzuschreien. Die vertrauten Geräusche der Natur verstummten – Vogelgesang, Insektensummen und Windgeflüster – und wichen einer bedrückten, bleiernen Stille. Draußen im Dunkel lauerten Dämonen. Er sah sie nicht, aber er wusste, sie waren da. Alle seine Instinkte kreischten, er solle eine Fackel anzünden, doch er wagte es nicht. Licht zog die Dämonen unweigerlich an, und das Dornengestrüpp ringsum würde die Gruppe zu einem leichten Opfer machen. Er hastete vorwärts und zuckte zusammen, als sich die Stacheln in seine ausgestreckten Hände bohrten. Der Pfad war schmaler, als er ihn in Erinnerung hatte, aber schließlich wichen die Sträucher zurück, und Rupert raunte seinen Begleitern zu, einen Moment stehen zu bleiben. Er kramte die Zunderbüchse aus dem Knappsack und entfachte nach mehreren vergeblichen Versuchen eine einzelne Fackel.

Die tanzende Flamme wirkte seltsam gedämpft, so als dulde der Dunkelwald nicht einmal ihren Schein in seinem Herrschaftsbereich. Halb verfaulte Bäume säumten den Weg, knorrig und krumm. Ihr Astwerk trug kein Laub, und klaffende Risse enthüllten schwärzliches Kernholz, aber Rupert wusste mit furchtbarer Gewissheit, dass sie irgendwie noch am Leben waren.

»Rupert…«, begann Julia.

»Später«, unterbrach er sie grob. »Beeilt euch!«

Umgeben von dem winzigen Lichttümpel der Fackel, zog die Gruppe langsam den gewundenen Pfad entlang, auf das Herz der Finsternis zu.

Sie waren noch nicht lange unterwegs, als der erste Dämon sie entdeckte. Bucklig und missgestaltet kauerte er am Rand des Lichtscheins; seine Augen glommen rot aus den Schatten.

Rupert zog sein Schwert, und der Dämon verschwand lautlos im Dunkel.

»Was zum Henker war denn das?«, flüsterte Julia.

»Ein Dämon«, erwiderte Rupert knapp. Die Narben an seiner Wange begannen in Erinnerung an die scharfen Klauen zu pochen. Er drückte Julia die Fackel in die Hand, tat einen Schritt nach vorn und spähte angespannt in die Schwärze.

Raschelnde, knackende Geräusche drangen an sein Ohr, und dann erkannte er im Fackelschein die Umrisse grotesk verzerrter Gestalten, die geduckt vor und hinter der Reisegruppe umherwuselten. Glühende Augen starrten unverwandt aus den Schatten der modrigen Bäume. Rupert packte sein Schwert fester, aber der kalte Stahl vermochte ihm keine Sicherheit zu geben.

»Das kann nicht sein«, murmelte er wie betäubt. »Dämonen jagen niemals in Rudeln. Jeder weiß das.«

»Offenbar halten sich diese Dämonen nicht an die Regeln«, sagte der Drache. »Und du kommst jetzt bitte zurück!

Mir ist ziemlich unwohl, wenn du dich zu weit von uns entfernst.«

Rupert wartete, bis die anderen ihn eingeholt hatten. Die Dämonen schlossen den Kreis enger.

»Warum greifen sie nicht an?«, fragte Julia ruhig.

»Bring sie nicht auf solche Gedanken!«, stöhnte das Einhorn. »Vielleicht können sie einfach nicht glauben, dass jemand so blöd ist, in diese Falle zu rennen. Ich kann es auch nicht glauben und tue es trotzdem.«

»Sie haben Angst vor dem Drachen«, sagte Rupert.

»Sehr gescheit von ihnen«, lobte der Drache.

Rupert versuchte zu lächeln, aber seine Züge entgleisten zu einer Grimasse. Er musste sich eisern zusammennehmen, um nicht blindlings mit dem Schwert um sich zu schlagen. Angst krampfte ihm den Magen zusammen und zitterte in seinen Armen, aber er wollte ihr nicht nachgeben. Noch nicht. Dämonen konnte man im Gegensatz zur Finsternis bekämpfen.

Das Schwert fest umklammert haltend, stürmte er los. Die Dämonen verschmolzen mit der Schwärze und waren verschwunden. Julia seufzte erleichtert. Jetzt erst zitterten ihr die Hände, was sich durch ein unruhiges Flackern der Fackel bemerkbar machte. Rupert starrte in das teilnahmslose Dunkel ringsum, erbost darüber, dass die Dämonen der Konfrontation ausgewichen waren und damit verhinderten, dass er Trost und Befreiung durch mutiges Handeln fand. Er stieß das Schwert mit einem Ruck zurück in die Scheide und führte die Gruppe tiefer in die endlose Nacht.

Etwas später erreichten sie eine kleine Lichtung und rasteten eine Weile, um ihre Kräfte vor dem Weitermarsch zu sammeln. Julia schichtete in der Mitte ein Feuer auf, während Rupert Fackeln in den Boden rammte, um die Grenze zum Wald zu markieren. Sie mussten keine Vorsicht mehr walten lassen; es war klar, dass die Dämonen ihr Lager aufspüren konnten, wann immer sie Lust dazu hatten. Rupert entzündete die letzte Fackel und zog sich dann rasch an das lodernde Feuer zurück. Die tanzenden Flammen vertrieben das Dunkel, und die Wärme löste nach und nach seine Erstarrung. Rupert sah sich mit gerunzelter Stirn um, während er erschöpft neben Julia zu Boden sank. Bei der Hinreise war ihm der Dunkelwald längst nicht so kalt vorgekommen, und er entsann sich auch nicht an diese Lichtung. Mit einem Achselzucken warf er einen weiteren Ast in das knisternde Feuer und zog den Umhang enger um sich. Jenseits der Flammen sah er das Einhorn, das im Halbdunkel vor sich hin döste. Der Drache streifte irgendwo am Rand der Lichtung umher, vielleicht, um den Dämonen einen Schrecken einzujagen. Rupert sah verstohlen zu Julia hinüber. Die Prinzessin hatte sich zähneklappernd in die einzige freie Decke gewickelt und hielt die Hände über das zuckende Feuer.

»Hier«, sagte Rupert schroff und reichte ihr seinen Umhang. »Du frierst.«

»Du auch«, entgegnete Julia. »Lass nur, mir geht es gut.«

»Ehrlich?«

»Klar.«

Rupert beharrte nicht auf seinem Angebot.

»Wie lange dauert es noch, bis wir den Dunkelwald hinter uns haben?«, fragte Julia, als sich Rupert den Umhang wieder über die Schultern geworfen hatte.

»Ich weiß es nicht«, gab er zu. »Die Gesetze der normalen Welt scheinen hier nicht mehr zu gelten. Meine erste Reise könnte Tage oder Wochen gedauert haben; man verliert in der Dunkelheit jegliches Gefühl für die Zeit. Zumindest haben wir diesmal Feuerholz und genug zu essen und zu trinken.

Das macht einen großen Unterschied.«

»Du hast den Dunkelwald ohne Licht und ohne Proviant durchquert?« Julia sah Rupert einen Moment mit widerstrebender Bewunderung an und senkte dann rasch den Blick. Als sie weitersprach, klang ihre Stimme betont kühl. »Erzähl mir mehr von deiner Burg, Rupert.«