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Rupert hörte aufmerksam zu. In der Stimme des Champions schwangen Hass und Bitterkeit mit, aber… noch etwas anderes. Etwas, das vielleicht mit Verrat zu tun hatte.

»Sir Champion, warum verließ der Große Zauberer nach dem Tod meiner Mutter die Residenz?«

»Er hätte sie retten können. Wenn er nüchtern gewesen wäre. Wenn er da gewesen wäre.« Wut verzerrte die Züge des Champions, und Rupert hätte am liebsten weggeschaut. Er empfand es beinahe als anstößig, so heftige Gefühle in den Augen eines Mannes zu lesen, der sonst die Beherrschung in Person war. »Ich kam wegen des Zauberers auf die Burg, Rupert. Er war berühmt, und ich wollte an diesem Ruhm teilhaben. Deshalb bot ich Ihrem Vater meine Dienste als Champion an.

Und dann erfuhr ich die Wahrheit über den legendären Großen Zauberer. Ihre Mutter war eine große Schönheit, Rupert. Jeder sagte das. Als sie in jenem Sommer erkrankte, betete das ganze Land für ihre Genesung. Der Zauberer hätte damals an ihrem Lager wachen sollen. Stattdessen ließ er sie allein und zog durch die Kneipen. Als man ihn endlich aufgestöbert und zurückgebracht hatte, war es zu spät.

Danach rannte er weg. Er rannte einfach weg! Ich hatte diesen Mann wie einen Gott verehrt, Rupert. Ich hatte an ihn geglaubt. Und er erwies sich als Trunkenbold und Feigling.

Ich hätte ihm vieles verzeihen können, aber das nicht. Das niemals. Er ließ Ihre Mutter sterben und rannte weg, anstatt sich den Folgen seines Tuns zu stellen.

Und nun ist er zurückgekehrt, und wieder hängt unser aller Schicksal von seinen zittrigen Händen ab! Nach all diesen Jahren, nach allem, was ich als Champion geleistet habe, wird die Zukunft des Waldkönigreichs nicht von Helden und Kriegern und kaltem Stahl bestimmt, sondern von einem besoffenen Feigling und seiner Magie!«

Der Champion drehte sich brüsk um und verließ den Stall, die Hände hilflos zu Fäusten geballt. Rupert sah ihm nach, bis er in der wartenden Menge verschwunden war. Und ihm kam in den Sinn, wie er neben dem Champion auf einem Hügel gestanden und zum Grubeneingang der Kupferstadt hinuntergestarrt hatte. Wie der Champion ihm erzählt hatte, dass er als Kind aus dem Bergwerk fortgelaufen war und sich geschworen hatte, nie mehr vor irgendetwas fortzulaufen.

Julia bahnte sich mit den Ellbogen eine Gasse durch die Menge, ohne die bösen Blicke und unterdrückten Flüche derer zu achten, die sie beiseite drängte. Der Tag hatte total mies begonnen, und es sah nicht so aus, als wolle er sich zum Besseren wenden. Sie blieb stehen und blickte suchend umher, obwohl sie längst die Hoffnung aufgegeben hatte, Rupert irgendwo auf dem Burghof zu erspähen. Mit einem Seufzer eilte sie in die Ecke des Burghofs zurück, wo ihre kleine Truppe versammelt war. Sie hatte den Frauen versprochen, vor dem Kampf noch einen letzten Waffendrill durchzuführen. Obwohl es keinen großen Unterschied machen würde.

Sie waren gut vorangekommen, viel besser, als sie erwartet hatte, und gewiss sehr viel besser, als die Burgwache erwartet hatte. Noch ein paar Monate Exerzieren, und sie wären gut genug gewesen, um… Julia schnitt eine Grimasse. Es blieben ihnen weder ein paar Monate noch ein paar Stunden. Die Tore würden sich im Morgengrauen öffnen, und kurz darauf müssten sich ihre Frauen als Kämpferinnen bewähren oder sterben.

Julias Hand umkrampfte den Schwertgriff, bis ihre Knöchel schmerzten. So viel zu tun – und nie reichte die Zeit!

Rupert musste irgendwo in der Nähe sein, aber kein Mensch hatte ihn gesehen. Er war wie vom Erdboden verschluckt. Sie musste ihn finden, bevor die Schlacht begann, sie musste ihn ganz einfach finden. Aber die Frauen warteten auf sie. Julias Gedanken drehten sich im Kreis, während sie durch die Menge pflügte und verzweifelt nach einem Ausweg aus ihrem Dilemma suchte. Eine plötzliche Ruhe überkam sie. Es gab keinen Ausweg. Ihre Frauen brauchten sie, und sie hatte ihnen versprochen, rechtzeitig da zu sein. Rupert hätte das verstanden. Er wusste selbst sehr genau, was Pflicht bedeutete.

Unvermutet teilte sich die Menge vor ihr, und Julia wäre um ein Haar gestolpert, als König Johann ihr den Weg versperrte. Harald stand neben ihm. Er streckte mit beiden Armen ein riesiges Langschwert von sich, als sei es unendlich kostbar und zugleich unendlich abstoßend. Julia musterte die beiden Männer argwöhnisch, als sie sich vor ihr verneigten.

Sie waren höflich und formell, was nur bedeuten konnte, dass sie etwas Krummes vorhatten. Ihren Mienen war zu entnehmen, dass sie ihren Aufzug nicht billigten. Julia lächelte ihnen freundlich entgegen. Sie hatte die halbe Waschküche auf den Kopf gestellt, bis sie endlich die praktischen, robusten Sachen fand, die sie bei ihrer Reise durch den Dunkelwald getragen hatte.

Aber der Aufwand hatte sich gelohnt. Zum ersten Mal seit vielen Monaten konnte sie sich bequem bewegen.

Außerdem waren Hofgewänder beim Schwertkampf mehr als hinderlich.

»Prinzessin Julia«, sagte der König langsam. »Ihre Kleidung ist wohl kaum für eine Dame von Rang geeignet.«

»Wahrscheinlich nicht«, entgegnete Julia. »Aber sie ist sehr gut für eine Schlacht geeignet. Wenn Sie glauben, dass ich mit Reifrock und Pfennigabsätzen gegen die Dämonen antrete, sind Sie des Wahnsinns fette Beute! Äh – wolltet ihr beide nur über die Hofmode plaudern oder gibt es noch etwas Wichtiges zu besprechen?«

»Wir haben dir etwas mitgebracht«, sagte Harald.

»Tatsächlich?« Julia sah ihn misstrauisch an. »Und das wäre?«

»Ein Schwert«, fuhr Harald fort. »Es heißt Hundsgift.«

Er hielt ihr die lange silberne Scheide entgegen, die er in den Armen hielt, und Julia zögerte einen Moment, ehe sie ihm das Schwert abnahm. Trotz seiner gewaltigen Länge wirkte es federleicht. Die Scheide war mit uralten, tief eingravierten Runen verziert, die vor ihren Augen tanzten und eine geheime Botschaft zu vermitteln schienen. Ich will dieses Schwert nicht, dachte Julia plötzlich. Es hat etwas…

Verderbliches. Sie wollte die Waffe eben zurückweisen, als sie bemerkte, dass Harald und König Johann ähnliche Klingen trugen. Die lederumwickelten Griffe ragten wie spähende Augen hinter ihren Schultern auf. Und im gleichen Moment wusste Julia, was der Name Hundsgift bedeutete.

»Das ist eines der Höllenschwerter«, sagte sie langsam.

»Eine der mächtigsten und unheilvollsten Waffen, die je geschmiedet wurden. Und ich soll sie benutzen?«

»Die Schwerter sind unsere letzte Hoffnung«, erklärte der König. »Wir brauchen ihre Magie.«

»Einen Augenblick«, sagte Julia argwöhnisch. »Warum bietet ihr das Schwert mir und nicht Rupert an?«

»Er wollte es nicht«, erwiderte Harald.

»Warum nicht?«

Ein schwaches Lächeln kräuselte Haralds Lippen. »Vielleicht hatte er Angst vor seiner Macht.«

»Vielleicht ist diese Angst begründet«, sagte Julia.

Der König trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen, als Julia ihn fragend ansah. »Wir haben ihm das Schwert angeboten, Julia, aber er weigerte sich, es anzunehmen. Er sagte… er sagte, er traue keinem Zauberschwert mehr. Verstehen Sie, was er damit meinte?«

Julia runzelte die Stirn und nagte an ihrer Unterlippe.

»Nein«, sagte sie schließlich. »Ich habe keine Ahnung.« Sie wog Hundsgift in der Hand und traf Anstalten, die Klinge aus der Scheide zu ziehen. Harald und dem König schien der Atem zu stocken. Beide traten einen Schritt zurück.

»Nicht!«, sagte König Johann hastig. »Es könnte sein, dass Sie die Zaubermacht des Schwertes entfesseln!«

Julia studierte nachdenklich die seltsame Waffe. »Drei höllische Schwerter, jedes mit einer anderen Eigenschaft. Ich erinnere mich an die Geschichten von den drei magischen Klingen, die mir mein Vater erzählte, als ich noch ein Kind war. Von dem Unheil und der Zerstörung, die sie anrichteten, ehe man ihrer Herr werden konnte. Felsenbrecher. Blitzstrahl.

Hundsgift. Ich hätte nie geglaubt, dass ich einmal eine dieser Legenden in Händen hielte. Worin besteht die besondere Eigenschaft von Hundsgift? Was kann dieses Schwert?«