Выбрать главу

»Wir wissen es nicht, um ehrlich zu sein«, erklärte der König. »Es ist so lange her, seit jemand es wagte, die Klingen zu ziehen…«

»Klasse«, sagte Julia. »Einfach Klasse. Was wisst ihr überhaupt von diesen Schwertern?«

»Sie lieben Blut«, sagte Harald ruhig. »Und sie töten gern.«

Julia sah ihn scharf an. In Haralds Stimme war etwas wie Angst… oder Abscheu zu spüren gewesen.

»Aber warum ich?«, fragte sie unvermittelt. »Schön, Rupert wollte das Schwert nicht annehmen, aber was soll ich mit dem Ding? Warum gebt ihr es nicht dem Champion oder dem Astrologen oder…«

»Sie sind von königlichem Geblüt«, erklärte der König.

Julia lächelte spöttisch. »Natürlich! Ein Schwert wie dieses besitzt die Macht, seinen Träger zum König zu erheben. Und deshalb könnt ihr es niemandem anvertrauen.«

»Genau«, sagte der König. »Niemandem außer Ihnen.«

»Und daran haben Sie ganz schön zu schlucken, oder? Eine Frau mit einem Schwert – wo soll das noch enden?« Julia lachte. »Also gut, ich nehme Hundsgift an mich. Aber ich werde die Klinge nur im äußersten Notfall einsetzen. Auch ich habe wenig Vertrauen in ein Zauberschwert.«

Sie schlang die Waffe über die linke Schulter und schnallte die Scheide sorgfältig fest. Harald machte Anstalten, ihr dabei zu helfen, unterließ den Versuch jedoch, als sie ihn mit einem grimmigen Blick bedachte.

»Wo steckt eigentlich Rupert?«, fragte sie betont beiläufig.

»Er kann nicht weit sein«, meinte der König. »Aber ich habe ihn seit dem Tod von Darius nicht mehr gesehen.«

»Ach ja«, sagte Julia. »Die Geschichte ist mir auch schon zu Ohren gekommen. Gut zu wissen, dass der Verräter endlich seine gerechte Strafe erhielt.«

»Genau.« Harald nickte. »Ich habe keine Ahnung, wo sich Rupert herumtreibt. Allerdings geht er mir auch aus dem Weg, seit ich ihn gebeten habe, bei unserer Hochzeit die Rolle des Brautführers zu übernehmen.«

Julia musterte ihn und dann den König. »Ihr könnt ihn wohl nie in Ruhe lassen, was? Selbst jetzt gönnt ihr ihm keine Sekunde des Friedens! Ihr seid es nicht einmal wert, dass man euch verachtet! Geht mir aus den Augen – alle beide!«

»Julia…«, begann der König. »Verschwinden Sie endlich, verdammt noch mal!«

König Johann verneigte sich steif, machte kehrt und ging.

Harald öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen. Als er sah, dass Julia die Hand auf den Schwertgriff legte, lächelte er unverbindlich und folgte seinem Vater. Julia starrte ihm nach und merkte dann erst, dass sie am ganzen Körper zitterte. Sie atmete tief durch, füllte ihre Lungen mit der eiskalten Luft, die über dem Burghof hing, und spürte, wie sie langsam wieder ruhiger wurde. Rupert, Liebster… was soll aus uns werden? Sie schüttelte langsam den Kopf und zuckte zusammen, als sie im Augenwinkel plötzlich den langen, lederumwickelten Griff des Zauberschwerts sah. Julia runzelte die Stirn und ging dann entschlossen auf die Ecke des Burghofs zu, in der ihre Truppe wartete. Das Schwert der Hölle schien mit jedem Schritt schwerer zu werden.

Rupert stand im Schatten der Stalltore und beobachtete, wie Julia mit den Frauen exerzierte. Schwerter, Speere und Äxte blitzten im Fackelschein, als die Kämpferinnen Ausfallschritte, Finten und Angriffe übten. Trotz der unförmigen Kettenhemden, die sie alle trugen, wirkten ihre Bewegungen anmutig und elegant. Julia ging auf und ab, ermunterte die Frauen mit einem Lächeln oder ein paar Worten und demonstrierte geduldig die schwierigeren Hiebe und Ausweichmanöver. Im zuckenden Licht der Fackeln sah sie aus wie eine der schlanken, hoch gewachsenen Kriegsgöttinnen von einst, die ihre Gläubigenschar in der Kunst des Kämpfens unterrichtete.

Sie war gekleidet wie damals, als Rupert sie kennen gelernt hatte, und er wusste selbst nicht recht, warum gerade das ihn so sehr schmerzte. Mit ihren alten Sachen, das lange blonde Haar zu schlichten, praktischen Zöpfen geflochten, die im Nacken zusammengehalten wurden, erschien sie ihm wie eine einzige bittere Anklage, eine Erinnerung an die Zeit, die sie zusammen verbracht hatten, an die Zeit vor seiner Heimkehr auf die Burg. Damals war er so glücklich gewesen.

»Warum gehst du nicht einfach hin und redest mit ihr?«, fragte das Einhorn. »Du machst mich ganz nervös, wie du hier herumstehst und dich hängen lässt!«

»Es gibt nichts mehr zu bereden«, erwiderte Rupert ruhig.

»Sie heiratet Harald – aus freien Stücken!«

»Klar«, spöttelte das Einhorn. »Und Dämonen sind Vegetarier. Du urteilst zu hart, Rupert. Wenn sie Harald heiratet, dann nur, weil der Hof sie unter Druck setzte. Sie hatte von Anfang an keine Wahl in der Angelegenheit, oder?«

»Ich weiß nicht«, sagte Rupert müde. »Ich weiß überhaupt nichts mehr.«

»Reiß dich am Riemen!«, forderte ihn das Einhorn auf.

»Wir reiten bald in die Finsternis hinaus. Da kannst du deinen ganzen Zorn an den Dämonen auslassen. Die werden nicht wissen, wie ihnen geschieht!«

»Ja. Sicher.« Draußen auf dem Burghof schaute Julia plötzlich zu den Ställen herüber, und Rupert trat rasch zurück, ehe sie ihn erspäht hatte. Er konnte seinen Zorn selbst nicht verstehen. Schließlich war es ihr Leben, und sie hatte das Recht, frei darüber zu entscheiden. Er kannte sie nicht einmal richtig. Sie hatten ein paar Monate zusammen verbracht, und dann hatte er sich auf die Reise zum Schwarzen Turm begeben und sie auf der Burg zurücklassen müssen.

Nach so vielen Monaten der Trennung und in der berechtigten Annahme, dass er unterwegs den Tod gefunden hatte, war zu erwarten gewesen, dass sich Julia einem anderen zuwandte.

Und Harald hatte es schon immer verstanden, seinen Charme bei Frauen einzusetzen. Es war fast unvermeidbar gewesen, dass die beiden zusammenfanden.

Alles schön und gut, dachte Rupert grimmig. Aber dieser Hundsf ott kann nicht noch verlangen, dass ich ihm den Brautf ührer mache!

Er kehrte dem Stalltor den Rücken zu und zerrte wütend an seinem neuen Kettenpanzer herum. Das Oberteil war offensichtlich für jemanden gefertigt worden, der größer und in den Schultern sehr viel breiter war als er, und an den wenigen Stellen, wo das Ding tatsächlich eng genug saß, scheuerte es unbarmherzig die Haut wund. Die Ärmel waren zu lang, die Beinkleider pluderten, und die Taille verrutschte ständig. Zu allem Übel fiel ihm dauernd die Kapuze über die Augen.

Rupert stampfte zwischen den Boxen auf und ab und versuchte sich an die Rüstung zu gewöhnen, gab aber bald auf. Es konnte Wochen dauern, bis ein neuer Kettenpanzer richtig passte, aber diese Zeit hatte er nicht. Er musste das verdammte Blech so nehmen, wie es war.

»Das ist doch wieder typisch«, knurrte er nach einer Weile.

»Was?«

»Da stehe ich in einer blitzblanken neuen Rüstung, soll in Kürze in den Dunkelwald ausrücken und das Böse bekämpfen

– und mir fällt nichts Besseres ein, als dass ich dringend aufs Klo muss.«

Das Einhorn feixte gefühllos. »Das sind die Nerven, mein Lieber. Versuch an etwas anderes zu denken.«

»Du hast leicht reden. Du pinkelst einfach los, wenn die Blase spannt. Ich dagegen muss erst mal meinen Panzer demontieren.«

»Keine Sorge«, sagte das Einhorn. »Sobald wir das Burgtor hinter uns gelassen haben, vergeht dir beim Anblick der Dämonenhorden jeder menschliche Drang.«

»Du bist eine echte Hilfe!«

»Ich weiß.«

»Ach, zum Henker damit!«, fluchte Rupert und begann vor den entsetzten Blicken des Einhorns den Kettenpanzer zu lösen.

»Rupert, um Himmels willen, was hast du vor?«

»Zuerst werde ich mich dieser elenden Rüstung entledigen, und dann werde ich meine Blase entleeren. Sonst noch Fragen?«