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»Nur die eine: Wie lange kannst du schätzungsweise ohne Rüstung überleben? Die werden dich in Stücke reißen!«

»Ein Problem nach dem anderen!«

»Wenn ich mich recht erinnere«, meinte das Einhorn, während es versonnen zusah, wie die Teile der Rüstung nach und nach zu Boden klirrten, »hast du schon einmal auf deinen Panzer verzichtet – und kurz darauf die Kobolde in die Flucht geschlagen. Vielleicht hast du ja wieder Glück.«

»Ich kämpfe ohne Rüstung immer besser«, erklärte Rupert mit leerem Blick, während er gegen den nächstbesten Stallpfosten pinkelte. »Kettenpanzer sind zwar nicht so schlimm wie Eisenplatten, aber das Ding passt wie ein Sack und ist mir nur im Weg. Aber keine Angst, ich bin nicht völlig verblödet: Den Brustpanzer behalte ich. Wolltest du etwas sagen, Einhorn?«

»Nie und nimmer!«

Rupert schnallte das Schwert um und schlenderte zum Einhorn zurück.

»Fühlst du dich jetzt besser?«, erkundigte sich das Einhorn.

»Ganz entschieden!«

»Dann könntest du mir vielleicht verraten, wie hoch du unsere Chancen einschätzt, lebend aus dieser Geschichte herauszukommen.«

Rupert wandte den Blick ab und zuckte müde mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, Sturmwind. Wir haben den Großen Zauberer auf unserer Seite, falls er rechtzeitig nüchtern wird. Und die Schwerter der Hölle müssten auch einen Unterschied machen, wenn wir sie unter Kontrolle halten können. Unsere persönlichen Chancen… sind nicht besonders gut, aber wir beide sind es seit langem gewohnt, aussichtslose Kämpfe zu gewinnen, oder?«

»Mit anderen Worten«, sagte das Einhorn, »wir werden da draußen sterben.«

Rupert schwieg für einen Moment. »Es sieht ganz danach aus«, bestätigte er schließlich. »Wir haben unser Glück ziemlich ausgereizt, mein Freund. Nur ein Wunder kann uns retten. Aber wenn wir kämpfen, haben wir zumindest die Möglichkeit, ein paar Dämonen mit in den Tod zu nehmen.«

»Kein echter Trost, wenn man es genau nimmt«, meinte das Einhorn.

»Rupert…« Julias Stimme klang unsicher. »Ich muss mit dir reden.«

Rupert fuhr herum. Julias Silhouette zeichnete sich gegen die offene Stalltür ab. Langsam kam sie näher, bis der Schein der Laterne sie erfasste, und Rupert wusste nicht, ob er lächeln, sich verbeugen oder sich abwenden und die Flucht ergreifen sollte. In ihren alten Sachen sah sie aus wie früher, und er wollte nicht an diese Zeit erinnert werden.

»Ich habe zu tun, Julia. Kann das nicht warten?«

»Nein«, sagte sie fest.

Sie musterte Rupert schweigend, sah die dunklen Ringe der Erschöpfung unter seinen Augen und seine abwehrende Haltung. In seinen Zügen lag ein bitterer, niedergeschlagener Ausdruck, den sie noch nie zuvor an ihm bemerkt hatte, und einen Moment lang hatte sie das Gefühl, vor einem Fremden zu stehen. Der Moment verging, und Julia setzte ein Lächeln auf. Ihre Zweifel ließen sich am besten ausräumen, wenn sie ohne Umwege zur Sache kam.

»Ich liebe dich, Rupert.«

Er zuckte zusammen, als hätte sie ihn geschlagen. »Natürlich. Und deshalb heiratest du Harald.«

»Nein, Rupert. Sie können drohen und bitten, und sie können mich gegen meinen Willen vor den Altar schleifen, aber ich lasse mich nicht zwingen, ihn zu heiraten.«

»Tatsächlich?« Rupert schien nicht genug Kraft aufzubringen, um richtig wütend zu werden. Er war einfach zu müde für solche Gefühlsausbrüche. Julia legte ihm eine Hand auf den Arm, und er empfand die sanfte Berührung wie eine Zentnerlast.

»Rupert, ich will nicht, dass du in diese Schlacht ziehst und an eine Lüge glaubst. Mir liegt absolut nichts an Harald oder dem Thron des Waldkönigreichs. Ich habe nur den Wunsch, mit dir zusammen zu sein.«

»Ich habe dich im Audienzsaal gesehen«, sagte Rupert mit belegter Stimme. »An Haralds Seite…«

»Ich war sauer«, erklärte Julia. »Ich wollte dich verletzen, eifersüchtig machen, weil… ach, Rupert…«

Sie kam einen Schritt auf ihn zu und umarmte ihn. Er klammerte sich wie ein Ertrinkender an sie, vergrub das Gesicht an ihrem Hals, und sie presste ihn an sich, ohne darauf zu achten, dass er ihr die Luft abschnürte.

»Lass mich nicht allein«, raunte Rupert heiser. »Ich habe nur dich!«

»Ich lasse dich nie mehr allein«, versprach Julia feierlich.

»Nie mehr, mein Liebster!«

»Ich auch nicht«, sagte das Einhorn und stieß die beiden erstaunlich sanft mit dem Kopf an. Ohne sich umzudrehen, streckte Rupert einen Arm aus und schlang ihn um den Nacken des Einhorns.

Nach einer Weile hatte Rupert sich wieder in der Gewalt und löste sich von Julia. Die Prinzessin gab ihn sofort frei.

Sie strich sein Hemd glatt und rückte den Brustpanzer gerade, um ihn nicht ansehen zu müssen, während er gegen die Tränen ankämpfte. Rupert war in diesen Dingen komisch.

»Wann wird das Burgtor geöffnet?«, fragte sie mit betont ruhiger Stimme.

»Das kann nicht mehr lange dauern.« Rupert lächelte Julia an, während sie an ihm herumzupfte, und runzelte plötzlich die Stirn, als er den lederumwickelten Schwertgriff hinter ihrer linken Schulter aufragen sah. »Julia, woher hast du diese Waffe?«

»Der König wollte, dass ich sie trage. Er sagte, du hättest sie abgelehnt.«

»Das stimmt. Ich wünschte, du hättest das auch getan.«

»Es ist doch nur ein Schwert, Rupert.«

»Nein, eben nicht! Das Ding auf deinem Rücken ist eines der drei Höllenschwerter. Die Waffen richteten einst solches Unheil an, dass meine Vorfahren sie fünfhundert Jahre lang sicher im Arsenal verwahrten, anstatt sie zu benutzen.«

»Wie kann ein Schwert solche Furcht auslösen?«

Rupert sah sie mit festem Blick an. »Der Legende nach besitzen die Schwerter ihr eigenes Leben und verderben die Seelen jener, die sie tragen.«

Julia schüttelte ungeduldig den Kopf. »Ein Schwert ist ein Schwert. Nun ja, es fühlt sich irgendwie… sonderbar an.

Aber solange es Dämonen tötet, kann ich es gut gebrauchen.

Außerdem trägst du selbst ein Zauberschwert.« Julia stockte plötzlich und sah Rupert nachdenklich an. »Das Regenbogenschwert… das hatte ich völlig vergessen. Weshalb können wir es nicht gegen die Finsternis einsetzen? Es hat sie schon einmal vertrieben, oder?«

Rupert schüttelte den Kopf. »Das habe ich bereits versucht, Julia. Vergeblich. Der Zauber wirkt nicht mehr.«

Julia machte ein enttäuschtes Gesicht, und einen Moment lang schwiegen sie beide. Dann glitten die Blicke der Prinzessin zur Stalltür. »Rupert, ich kann nicht mehr lange bleiben. Die Frauen warten auf mich.«

»Ja. Ich habe euch beim Exerzieren beobachtet. Die Truppe machte einen guten Eindruck.« Rupert grinste plötzlich.

»Ich weiß nicht, Mädchen! Es ist fast unfair, dich mit einem Höllenschwert und einer Schar wild entschlossener Kämpferinnen auf die Dämonen loszulassen.

Wir wollen sie schließlich nur töten und nicht zusätzlich in Angst und Schrecken versetzen.«

Julia lachte. »Das zahle ich dir heim – nach der Schlacht!«

»Versprochen?«

»Versprochen.«

Sie sahen einander in die Augen. Rupert streckte die Arme aus und nahm Julias Hände in seine.

»Was immer geschieht… ich liebe dich. Daran darfst du niemals zweifeln.«

»Ich liebe dich auch, Rupert. Pass auf dich auf, wenn wir erst mal da draußen sind!«

»Verlass dich drauf! Und nach dem Sieg…«

»Genau«, unterbrach ihn Julia. »Nach dem Sieg nehmen wir uns die Zeit für andere Dinge.«

Sie küssten sich lange, ehe Julia den Stall verließ und zu ihrer Truppe zurückkehrte. Rupert schaute ihr nach und war zum ersten Mal seit langem mit sich und der Welt in Frieden.

Er schob eine Hand in das Kettenhemd und zog aus seinem Lederwams ein verknittertes, zerfranstes Taschentuch mit bräunlichen Blutflecken hervor. »Das Unterpfand meiner Herzensdame«, sagte er leise. Er berührte das Tuch mit den Lippen und schob es dann vorsichtig wieder in sein Wams, genau über dem Herzen.