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»Pfeif deine Wachhunde zurück, Rupert, ehe ich ihnen Maulkörbe anlegen lasse!«

Die Männer sahen Rupert an. Der Prinz nickte ihnen nach einem kurzen Zögern zu. Die Gardisten verneigten sich, bedachten König Johann mit kalten, feindseligen Blicken und zogen sich in die Menge zurück, allerdings nicht sonderlich weit. Rupert musterte den König argwöhnisch.

»Was immer du willst, Vater, die Antwort lautet nein!«

»Du vermutest immer gleich das Schlimmste, Rupert.«

»Nicht ganz grundlos, wie du weißt.«

Der König senkte den Kopf, weil er Ruperts unverwandten Blick nicht ertragen konnte, und zupfte an den Zügeln, bis sein Pferd unruhig zu tänzeln begann.

»Rupert…«

»Vater?«

»Wie viel Zeit bleibt uns noch bis zum Aufbruch?«

»Höchstens in ein paar Minuten.«

»Hasst du mich, mein Sohn?«

Die unvermittelte Frage überrumpelte Rupert. »Manchmal vielleicht«, entgegnete er stockend. »Du hast mir verdammt wenig Grund gegeben, dich zu lieben, aber… du bist der König, und das Reich kommt an erster Stelle. Das habe ich immer gewusst.«

»Politik«, seufzte der König. »Sie erscheint so lächerlich angesichts der langen Nacht, die uns jenseits des Burgwalls erwartet. Ich habe stets das Beste für das Land getan – oder zumindest das, was ich für das Beste hielt, auch wenn ich dafür einen hohen Preis bezahlen musste. Doch nun scheinen die Dinge, für die ich gekämpft habe, nichts mehr wert zu sein. Rupert, du bist mein Sohn, mein Fleisch und Blut, und ich möchte dir sagen, dass ich stolz auf dich bin. Trotz… aller Widrigkeiten hast du stets deine Treuepflicht gegenüber dem Reich erfüllt.«

»Und warum hast du bist jetzt gewartet, um mir das zu sagen?«, fragte Rupert. »Warum nicht zu einem Zeitpunkt, da es wichtig für mich gewesen wäre? Warum nicht ein einziges Mal vor versammeltem Adel?«

»Um dich nicht noch stärker zum Ziel von Hofintrigen zu machen«, entgegnete der König leise. »Ich hielt dich vom Thron und den Baronen fern, weil ich hoffte, dass Haralds Anhänger dann keine Gefahr in dir sähen. War es wirklich so falsch, dass ich einen Brudermord verhindern wollte?«

»Du hast es nicht für mich getan«, erklärte Rupert mit unbewegter Stimme. »Du hast es für Harald und seinen Thronanspruch getan.«

König Johann nickte ruhig. »Ich tat für dich, was ich tun konnte. Mehr war nicht möglich.« Er schwieg einen Moment lang und fragte dann: »Wo ist dein Kettenpanzer? Warum trägst du ihn nicht?«

»Er war mir hinderlich. Ich kann ohne Rüstung besser kämpfen.«

Der König schien dies nicht zu glauben, doch er ließ das Thema fallen, um keinen neuen Streit vom Zaun zu brechen.

»Pass gut auf dich auf, mein Junge! Ich will, dass du aus dieser Schlacht unversehrt heimkehrst.«

»Dein Wunsch soll mir Befehl sein«, sagte Rupert feierlich, und dann mussten beide lachen.

Es entstand eine Pause, in der jeder nach Worten suchte, aber sie spürten, dass alles Wichtige gesagt war. Sie hatten noch nie viel gemein gehabt, und Rupert spürte, dass sein Vater sich bereits wieder von ihm entfernte.

»Ich verstehe gar nicht, weshalb alle so verzagt sind«, meinte er schließlich. »Mit dem Champion an der Spitze des Heeres kann uns eigentlich kaum etwas zustoßen.« Er deutete auf den Ersten Krieger, der wie eine zum Leben erweckte Heldenstatue auf seinem Streitross saß.

König Johann warf dem Champion einen flüchtigen Blick zu und zog die Stirn in Falten. »Der Champion ist nicht unbedingt ein Garant für den Erfolg, Rupert. Er hat zwar keine einzige Schlacht verloren, seit er vor mehr als zwanzig Jahren in meine Dienste trat. Doch gerade das macht ihn zu einer Gefahr. Für uns und für sich selbst.«

»Das verstehe ich nicht.«

»Er hat ein übertriebenes Selbstbewusstsein. Bis er merkt, dass er keineswegs unverwundbar ist, kann es zu spät für ihn oder seine Mitkämpfer sein.«

Rupert nickte. »Ich werde ihn im Auge behalten.«

»Das kann nicht schaden.« König Johann nahm die Zügel fester in die Hand und wandte sich von Rupert ab. »Und jetzt möchte ich ein paar Worte mit deinem Bruder wechseln, ehe es zu spät ist.«

»Noch eine Frage, Vater«, sagte Rupert plötzlich. »Du hättest auch meinen Tod angeordnet, wenn es dir notwendig erschienen wäre, nicht wahr?«

Der König drehte sich noch einmal zu ihm um. »Da hast du verdammt Recht, mein Junge«, erklärte er ruhig. Gleich darauf lenkte er sein Pferd durch die wartende Menge auf Harald zu. Rupert sah ihm nach und schüttelte den Kopf.

»So, nun ist es gleich so weit, Sturmwind. Der nächste Ritt in die Finsternis…«

»Na endlich«, sagte das Einhorn. »Dieses Herumstehen geht mir echt auf die Nerven. Warten ist das Schlimmste.

Oder fast das Schlimmste.«

»Genau. Ich habe Angst, Sturmwind.«

»Ich auch, Rupert.«

»Du kannst dir nicht vorstellen, wie meine Eingeweide rumoren.«

»Nun mal sachte! Ich nehme an, dass es nicht mehr lange dauert, bis sich das Burgtor öffnet. Und wenn der Kampf erst losgeht, hast du keine Zeit mehr für Angstgefühle.«

»Sicher. Das weiß ich auch. Ach, verdammt, ich muss schon wieder!«

»Quatsch!«

»Na, hör mal, ist das deine oder meine Blase?«

»Torwache, Ach-tung!«, rief der Champion. Einen Moment lang senkte sich erwartungsvolle Stille über das Heer.

Ein halbes Dutzend Bewaffnete nahm vor dem Burgtor Aufstellung, bereit, auf das Kommando des Königs die schweren Eisenbolzen zu lösen. Rupert schob den linken Arm durch die Schlaufen seines Schildes und zog sie noch einmal fest. Das Gewicht des massiven Buckelschilds war ungemein beruhigend. Er nahm die Zügel fest in die Linke und zog mit der Rechten das Schwert aus der Scheide. Der Griff lag angenehm vertraut in seiner Hand.

Sein kleiner Gardetrupp bahnte sich einen Weg durch die Menge und nahm wieder dicht neben und hinter ihm Aufstellung. Die Männer traten rastlos von einem Fuß auf den anderen, hoben ungeduldig die Schwerter und starrten unverwandt das hohe Eichentor an. Rupert spürte, wie ihn eine eigenartige Ruhe überkam. Der Augenblick der Entscheidung nahte.

Gleichgültig, wie die Sache ausging – es war vermutlich das letzte Mal, dass er in die Finsternis hinausreiten musste. Julia rief ihm etwas zu, und als er sich umdrehte, sah er, dass sie ihr Pferd langsam auf ihn zu manövrierte, umringt von ihren Frauen, tüchtigen, verwegenen Kämpferinnen, die scheinbar furchtlos der Schlacht entgegensahen. Rupert fragte sich unwillkürlich, ob er neben diesen Amazonen nicht schlapp und verweichlicht wirkte. Er verneigte sich höflich vor den Frauen und lächelte Julia zu.

»Sieht so aus, als ginge es los«, meinte Julia.

Rupert nickte. »Sieht so aus.«

»Einsatzbereit?«

»Mehr oder weniger. Wie steht es um den Zauberer?«

»Gibt sich den Anschein großer Zuversicht, auch wenn es ihm verdammt schwer fällt. Der Astrologe hat ein halbes hundert kleinerer Magier und Hexen aufgetrieben, aber sie machen nicht viel her. Sie sollen die Bannsprüche des Zauberers verstärken. Ob sie das schaffen, steht auf einem anderen Blatt.«

»Julia, glaubst du an den Erfolg meines Plans?«

Sie lachte. »Nein, ganz und gar nicht. Aber er gibt uns wenigstens etwas zu tun, oder?«

Rupert seufzte. »Ich fände es toll, wenn wenigstens ein Mensch an den Erfolg meines Plans glauben würde.«

»Wäre es dir lieber, wenn wir dich belügen?«

»Offen gestanden, ja.«

»Soldaten – Ach-tung!«, rief der Champion mit dröhnender Stimme. Schweigen legte sich über den Burghof, nur unterbrochen vom Stampfen und Schnauben der ungeduldigen Pferde. Rupert verlagerte das Gewicht seines Schildes und packte das Schwert fester. In der Stille klang das Atmen der mehr als fünfhundert Männer und Frauen auf dem Hof merkwürdig laut und deutlich, wie das stete Auf- und Abschwellen einer endlosen Brandung. Schwerter, Streitkolben und Lanzen schimmerten rötlich im Widerschein der zuckenden Fackeln.