Выбрать главу

Die Angst und die Anspannung, die den Burghof erfüllt hatten, waren verflogen, ersetzt durch eine grimmige Entschlossenheit, die das Heer zusammenhielt wie ein einziger gigantischer Herzschlag. Eine Entschlossenheit, die nur ein Ziel hatte – den Dämonen heimzuzahlen, was sie dem Waldkönigreich angetan hatten! König Johann hob sein Schwert.

»Öffnet das Tor!«

Die schweren Bolzen rasselten in ihren Führungen, die mächtigen Torflügel schwangen auf, und die letzten Verteidiger des Waldkönigreichs stürmten dem Feind entgegen.

Das Hämmern der Pferdehufe hallte wie Donner von den Mauern des Bergfrieds wider. Gleich darauf waren die Reiter im Freien und jagten über die heruntergelassene Zugbrücke.

Die Fackeln blieben hinter ihnen zurück, und das Heer drang in die ewige Nacht vor. Der fahle Mond schwamm über ihnen, bläulich und aufgedunsen wie eine Wasserleiche. Dämonen erhoben sich zu tausenden aus den tiefen Schatten des Dunkelwaldes, missgestaltet, grotesk verzerrt und erfüllt von grauenhafter Blutgier. Keines der Monster sah aus wie das andere, aber in jedem der Augenpaare glühte der gleiche Hunger, und jede der Kreaturen schien dem gleichen dunklen Zwang zu gehorchen. Die Verderbtheit haftete ihnen an wie ein böses Mal, das Zeichen des Dämonenfürsten. Kränklich blaues Mondlicht schimmerte matt auf Fängen und Klauen, als die Geschöpfe der Nacht aus ihren Verstecken quollen, im Laufschritt und in weiten Sprüngen, auf dem Bauch kriechend oder sich aus klaffenden Spalten in der Erde zwängend. Und dann hatte das heranstürmende Heer die Dämonen erreicht, und das Gemetzel begann.

Schwerter hoben und senkten sich gegen das wimmelnde Dunkel, und Dämonenblut spritzte durch die mit Gestank erfüllte Luft, aber die Wucht des ersten Angriffs verebbte rasch, denn die Überzahl der feindlichen Horden war gewaltig. Die Lanciers drangen verbissen vorwärts, gefolgt von einem Teil der Gardesoldaten, aber der größte Teil des Heeres fand sich nur wenige hundert Meter vom eisbedeckten Burggraben entfernt eingekesselt. Pferde bäumten sich auf und wieherten entsetzt, als die Dämonen über sie herfielen, und oft verhinderte nur die Masse der Leiber, dass die Angreifer ihnen die Sehnen durchtrennten oder noch Schlimmeres antaten. Die Soldaten des Königs liefen planlos am Rand des Dunkelwalds umher, in ein Dutzend kleinere Gruppen aufgesplittert, die sich verzweifelt gegen den nicht enden wollenden Dämonen-Ansturm aus der Finsternis zu behaupten versuchten. Durch die Luft schwirrten Befehle, Schmerzensschreie und die hässlichen Geräusche von Stahl, der Fleisch und Knochen zerfetzte; die Dämonen jedoch attackierten lautlos und blieben selbst dann stumm, wenn die Klingen der Gegner sie durchbohrten. Im unwirklichen Licht des blauen Mondes erinnerten die Dämonen an gruselige Gespenster oder zu Leben erwachte Albträume. Und so tapfer sich das kleine Heer auch zur Wehr setzte – es war hoffnungslos unterlegen. Bereits in den ersten Minuten wurde mehr als die Hälfte der Soldaten zu Boden gerissen und regelrecht abgeschlachtet. Es war eine Gnade, dass sie nicht lange leiden mussten. Die Übermacht der Dämonen war zu groß.

Plötzlich zerriss grelles Licht die Nacht, eine knisternde weiße Flamme, die ganz von selbst hoch über dem Kampfgetümmel brannte. Gezackte Blitze fuhren wie Messer in den Dunkelwald, mitten in die Dämonenschar. Dutzende der Kreaturen loderten wie Fackeln und stolperten blindlings zurück, die Fänge in lautlosem Schmerz weit aufgerissen.

Andere griffen sich an die Kehlen und fielen keuchend zu Boden, als die Luft pfeifend aus ihren Lungen entwich. Silberne Feuer erfüllten die Nacht, und die Hohe Magie war überall. Dämonen griffen Dämonen an und rissen sich gegenseitig in Stücke. Die wenigen Überlebenden liefen Amok durch die Angreiferschar, bis auch sie zu Fall kamen. Langsam wichen die Dämonen zurück. Die Soldaten drängten vorwärts und jubelten begeistert dem Großen Zauberer zu, während sie die fliehenden Feinde verfolgten. Doch dann erlosch das gleißende Licht, und die Aura der Hohen Magie war verschwunden. Dunkelheit kehrte in den Wald zurück.

Nur der Blaue Mond schien hoch am Himmel.

Rupert beugte sich aus dem Sattel und hieb auf einen Dämonen ein, der ihn anspringen wollte. Im nächsten Moment schnellte aus dem Astwerk über ihm ein Tentakel mit Widerhaken dicht an seinem Kopf vorbei. Er riss den Dolch heraus, aber das Einhorn hatte ihn bereits außer Reichweite des neuen Angreifers getragen. Die Schlacht verkam zu einem heillosen Durcheinander. Die Attacken der Dämonen erfolgten von allen Seiten gleichzeitig, und für jeden Feind, der fiel, schienen hundert neue Gegner aus dem Dunkel zu strömen. Heer und Dämonen drängten vor und zurück, ein blutiges Chaos aus Schwertern und Äxten, Fängen und Klauen, und auf dem Boden stapelten sich die Toten. Rupert ließ verzweifelt die Blicke umherschweifen. Nirgends gab es Deckung. Seine treuen Gardisten waren von ihm getrennt worden, als sich die Heeresordnung auflöste. Er stieß einen zornigen Fluch aus und wehrte die Dämonen ab, die sich um das Einhorn scharten. Mit dem Erlöschen des Zaubers hatte das Heer seinen kleinen Vorteil rasch wieder verloren. Schon fielen einige Splittergruppen zurück, als die Dämonen mit neu erwachter Wildheit auf sie losstürmten.

Rupert versuchte einen Angreifer abzuschütteln, der sich selbst dann noch an seinen Stiefel klammerte, als er ihm den Schädel spaltete. Das stark dezimierte Heer des Waldkönigreichs wurde langsam, aber stetig zurückgedrängt. Es gab auf keiner Seite Verwundete; die Dämonen waren ausgehungert.

Rupert kämpfte gegen eine Welle von Übelkeit an, als er sah, wie viele seiner Mitstreiter bereits tot waren, obwohl der Kampf gerade erst begonnen hatte.

Sie standen immer auf verlorenem Posten, dachte er müde.

Ich versprach ihnen, dass sie das Reich retten könnten, und habe sie stattdessen in den Tod gef ührt. Himmel und Hölle noch mal! Irgendetwas muss den Dämonen doch Einhalt gebieten! Es muss einf ach etwas geben!

Er versuchte dem Einhorn mit dem Schwert eine Gasse frei zu machen, aber von allen Seiten kesselten ihn Dämonen ein.

Langsam, Schritt für Schritt, fiel das Heer zurück. Die Schlacht hatte sich in ein verbissenes Rückzugsgefecht verwandelt. Blut sickerte in den aufgewühlten Boden, dunkel und klebrig, und manche Dämonen wühlten ihre Schnauzen tief in den Schlamm, um es zu trinken. Das Heer fiel zurück, und die Dämonen setzten nach; sie huschten von Schatten zu Schatten, ließen sich aus dem Astwerk fallen, zwängten sich durch Erdspalten aus der Tiefe. Die Nacht wurde noch dunkler, und in den Schatten lauerten Zerrbilder der Schöpfung.

Harald schlitzte einem Dämon mit einem gut gezielten Hieb den Bauch auf und umklammerte gleich darauf mit aller Kraft die Zügel seines Streitrosses, das die zappelnde Kreatur unter seinen Hufen zertrampelte. Sein glänzendes Kettenhemd war zerkratzt, zerrissen und mit Blut getränkt, das teilweise von seinen eigenen Wunden tropfte. Sein Schwert hob und senkte sich ohne Pause, doch die Dämonen wichen nicht zurück. Er kämpfte mit eiskalter Ruhe, hart und unnachgiebig wie die Klinge in seiner Hand, aber die Dämonen ließen nicht von ihm ab. Wann immer sich die Gelegenheit bot, warf er einen raschen Blick über die Schulter, um abzuschätzen, wie weit es noch bis zum Burggraben war. Noch hatte der König nicht den Befehl zum Rückzug erteilt, aber die Schlacht war verloren, und jeder wusste es. Harald hatte keine Schuldgefühle und spürte kein Bedauern; niemand hätte gegen diese Übermacht gewinnen können. Das Heer des Waldkönigreichs war besiegt gewesen, ehe sie die Zugbrücke überquerte. Der Graben war jetzt nicht mehr weit entfernt, und Harald versuchte sein Pferd zu wenden, doch die Dämonen, die ihn in Trauben umlagerten, behinderten jede seiner Bewegungen. Ihm blieb keine andere Wahl, als Schritt für Schritt vor den Angreifern zurückzuweichen und dem Rest des Heeres zum Burggraben zu folgen. Mit einem Mal fühlte er sich hilflos in die Enge getrieben. Panik stieg in ihm auf.