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Er nahm seine ganze Selbstbeherrschung zusammen und kämpfte die Angst nieder. Wenn er jetzt nur eine Sekunde lang den Mut verlor, bliebe ihm nicht einmal genug Zeit, um seine Schwäche zu bedauern. Zu seiner Rechten entdeckte er Rupert, der ebenfalls langsam von den Angreifern zurückgedrängt wurde. Ruperts Klinge blitzte silbern durch das Dunkel und mähte die Dämonen nieder wie eine Sichel das reife Korn. Harald wandte den Blick ab. Er hatte am eigenen Leib verspürt, dass sein Bruder mit dem Schwert umzugehen wusste. Die Narben erinnerten ihn immer noch daran.

Du könntest der bessere Schwertkämpf er sein, flüsterte eine leise Stimme in seinem Innern. Um das zu erreichen, musst du lediglich Blitzstrahl ziehen.

Ein Schauer durchlief Harald, und er hieb wütend auf den nächsten Dämonen ein. Er würde Blitzstrahl ziehen, wenn er keine andere Wahl mehr hatte – und nicht früher.

König Johann hatte Mühe, sich im Sattel zu halten, da sein Streitross hierhin und dorthin zerrte, halb von Sinnen vor Angst und Schmerzen. Er schlug mit dem Schwert um sich, und längst nicht alle Hiebe waren Treffer, aber irgendwie schaffte er es doch, die Dämonen auf Abstand zu halten. Die Waffe in der Faust wurde mit jedem Hieb schwerer und unhandlicher. Er litt unter Atemnot, und das Herz hämmerte ihm schmerzhaft gegen das Brustbein. Schweiß lief ihm in die Augen, aber er hatte weder die Zeit noch die Energie, ihn abzuwischen. Zu alt, dachte Johann bitter. Viel zu alt, verdammt noch mal!

Felsenbrecher schlug ihm bei jeder Bewegung gegen den Rücken, wie zur Erinnerung, dass es auch noch da war. König Johann achtete nicht darauf. Er war noch nicht bereit, das Schwert der Hölle einzusetzen. Noch nicht ganz.

Prinzessin Julia wickelte die Zügel um den linken Arm und schwang das Schwert beidhändig mit einem wilden Zorn, der die Dämonen zurücktrieb. Ihre Truppe war längst weit verstreut. Julia wusste, dass die meisten Frauen den Dämonen zum Opfer gefallen waren. Sie hatten gut gekämpft und waren tapfer gestorben, aber sie waren von Anfang an so vielen Angreifern gegenüber machtlos gewesen. Wenn mir nur mehr Zeit geblieben wäre, dachte Julia. Welch ein Heer hätte ich mit euch auf bauen können! Ihr Pferd taumelte plötzlich und stieß ein schrilles Wiehern aus. Julia löste die Füße aus den Steigbügeln und warf sich nach vorn, als das Tier unter ihr zusammenbrach. Es bäumte sich kurz auf, während ihm Dämonen die Kehle zerfetzten, und blieb regungslos liegen.

Einige der Bestien stürzten sich auf den großen Brocken Fleisch, den sie aus einer Flanke gerissen hatten. Julia war rasch wieder auf den Beinen und kämpfte weiter, aber der Sturz hatte sie durcheinander gebracht. Alles geschah viel zu schnell. Sie wich so rasch wie möglich zurück, während die Dämonen sie umzingelten und ihr den Weg zum Heer abschnitten. Julia presste den Rücken an einen morschen Baumstamm und blickte verzweifelt umher. Das Heer wurde mit jeder Angriffswelle weiter zurückgedrängt. Sie sah keine Möglichkeit, die Lücke wieder zu schließen. Die Dämonen kamen langsam näher. Sie genossen die Furcht ihres Opfers und ließen sich deshalb Zeit. Julia schwang die Klinge in einem weiten Bogen hin und her. Ihr Atem ging kurz und stoßweise. Sie war allein und zu Fuß. In dieser Lage hätte ihre ganze Kraft und Fechtkunst nicht ausgereicht, um sich zu retten, und das wusste sie. Mit einem heftigen Fluch schob sie ihre Waffe in die Scheide und zog Hundsgift.

Das Schwert löste sich wie von selbst aus der silbernen Umhüllung und schien ihr förmlich in die Hand zu springen.

Die breite, matt glänzende Klinge pulsierte plötzlich in einem fahlgelben Licht. Die Dämonen blieben unvermittelt stehen und starrten das glühende Schwert wie hypnotisiert an. Der Griff erwärmte sich unter Julias Fingern, und ein sonderbares Gefühl beschlich sie – als bewege sich etwas durch die Nacht, das seit Jahrhunderten geschlafen hatte und nun erwacht war…

Ein Dämon flog auf ihre Kehle zu, und sie durchtrennte ihn mit einem einzigen Hieb. Das riesige Schwert in ihren Händen schien fast nichts zu wiegen, und die Schneide fuhr ohne jeden Ruck durch die Knochen des Dämons. Der Angreifer fiel, und Julia lachte hart, doch gleich daraufblieb ihr das Lachen im Hals stecken, als der zerstückelte Leichnam binnen Sekunden verrottete und zerfiel. Die nächsten Dämonen stürmten heran und lösten sich in Staub und Verwesungsgestank auf, sobald die Klinge sie berührte. Ein gelbes Leuchten, das an Siechtum und Scheiterhaufen erinnerte, umgab das Höllenschwert. Die Dämonen wichen verunsichert zurück, aber etwas zwang Julia, sie zu verfolgen und alles niederzumähen, was sich bewegte. Die Dämonen starben mit lautlos verzerrten Fratzen, als die Totenfäule sie zerfraß.

Hundsgif t, dachte Julia. So nennen die Hexen und Zauberer den blauen Eisenhut. Das magische Kraut, das Tod und Verdammnis bringt.

Erfüllt von blanker Mordlust, schwang sie das Schwert im Halbkreis hin und her und tötete alles, was in Reichweite der Klinge geriet. Die Dämonen starben grauenvoll, aber Julia empfand keine Spur von Mitleid. Sie kämpfte unerbittlich weiter, das Gesicht zu einem starren Grinsen verzerrt, und die Geschöpfe der Nacht fielen ihrem Angriff scharenweise zum Opfer. Ein kalter Funke glomm in ihren Augen. Es war ein gutes Gefühl, Dämonen zu verwunden, so wie sie andere verwundet hatten; Dämonen zu vernichten, so wie sie das Waldkönigreich vernichtet hatten. Das Schwert hob und senkte sich, und die Dämonen litten grässliche Qualen. Sie lachte laut, mit einer Stimme, die so schrecklich klang, dass sie ihr selbst fremd war.

Über das Kampfgetümmel hinweg hörte Harald deutlich das Splittern von Knochen, und dann sank sein Pferd unter ihm zusammen. Er hechtete gelenkig aus dem Sattel auf den blutgetränkten Boden, war mit zwei schnellen Sätzen bei dem grinsenden Dämon, der seinem Streitross das Bein gebrochen hatte, und durchbohrte ihn mit seiner Klinge. Das gestürzte Pferd wieherte und rollte angsterfüllt die Augen, als die Dämonen einen Kreis bildeten und näher kamen. Harald schob sein Schwert ein und zog Blitzstrahl. Die Angreifer zögerten.

Harald stieß die Klinge tief in das Herz seines Reittiers und wartete einen Augenblick, ehe er sie wieder herauszog. Eine scharlachrote Flamme züngelte über den scharf geschliffenen Stahl. Die Dämonen wichen ein Stück zurück. Harald verneigte sich kurz vor seinem toten Pferd. Er hatte das Tier von Anfang an sehr gemocht und sich gerade deshalb verpflichtet gefühlt, ihm die Qual des Sterbens zu verkürzen. Außerdem hatte er sein Blut benötigt, um das Zauberschwert zu aktivieren. Die Dämonen rotteten sich zusammen und stürmten plötzlich auf ihn zu. Harald trat ihnen entgegen, das Schwert in der Hand. Und wo immer Blitzstrahl einen Dämon berührte, sprühten Funken, und die Kreatur verbrannte in lodernden Flammen, bis nur noch ein Häufchen Asche übrig blieb. Das Schwert trank das Blut der Angreifer, und das Blut nährte die Flammen, die es aussandte. Harald schien es, als habe er das immer schon gewusst, und er begriff nicht, weshalb er plötzlich zögerte, die Waffe zu benutzen.

Er drang mutig auf die Dämonen ein und schlug Schneisen des Todes und der Vernichtung in ihre Reihen, aber die Überlegenheit bereitete ihm keine Freude. Vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben spürte er, dass er die Ereignisse nicht mehr beherrschte. Er schüttelte unentwegt den Kopf, als könne er seine Gedanken so besser ordnen. Die Flammen des Höllenschwerts loderten immer heftiger, je mehr Dämonenblut es aufsog, bis Harald die Hitze, die von der Klinge abstrahlte, kaum noch ertragen konnte. Er hielt Blitzstrahl mit ausgestrecktem Arm von sich, und die roten Flammen schlugen immer höher. Das Schwert verdrängte die Finsternis, aber sein rötlicher Schein wirkte irgendwie bedrohlich. Dabei wusste Harald tief in seiner Seele, dass die Zauberklinge eben erst erwacht war und nur einen Bruchteil ihrer Macht entfaltete. Ringsum brannten die Dämonen wie groteske Fackeln, und der Schweiß, der dem Prinzen über das Gesicht rann, hatte seine Ursache nur zum Teil in der Hitze von Blitzstrahl.