Выбрать главу

Schritt für Schritt wurde er mit dem Rest des Heeres zurückgedrängt. Doch obwohl die Zahl der Dämonen kaum abnahm, schien der Druck ein wenig nachzulassen, da sich die Leiber der Toten und Sterbenden wie eine Barriere zwischen dem Heer und den Angreifern türmten. Rupert suchte nach vertrauten Gesichtern unter den Überlebenden und runzelte besorgt die Stirn, als er Julia nirgends entdecken konnte.

Er reckte den Hals und erstarrte mitten in der Bewegung. Den Rücken gegen einen Baumstamm gepresst, kämpfte Julia etwa zehn Meter jenseits der Barrikade gegen eine Horde von Dämonen an, die sie einzukesseln drohten.

Rupert umklammerte das Schwert mit festem Griff und lenkte das Einhorn vorwärts, aber das Tier hatte kaum ein paar Schritte zurückgelegt, als es stolperte und beinahe zu Fall kam. Der Prinz schaute nach unten und schluckte entsetzt: Das Einhorn war blutüberströmt, und seine Flanken hoben und senkten sich zitternd. Er stieg rasch ab und untersuchte die Wunden seines treuen Begleiters. Ein Dämon kam über die Barrikade gestolpert. Rupert tötete ihn, ehe er angreifen konnte, und wandte sich wieder dem Einhorn zu.

»Was zum Teufel tust du da?«, stieß das Einhorn atemlos hervor. »Sieh zu, dass du wieder in den Sattel kommst, bevor dich die Dämonen überwältigen!«

»Weshalb hast du mit keinem Wort gesagt, dass du verletzt bist?«

»Wir sind alle verletzt, Rupert.«

»In diesem Zustand kannst du keinen Reiter tragen! Sieh zu, dass du den Graben erreichst und auf den Burghof fliehst, sobald die Zugbrücke heruntergelassen wird. Das dürfte nicht mehr allzu lange dauern.«

»Vergiss es! Ohne mich überstündest keine fünf Minuten.«

»Sturmwind…«

»Nein! Ich lasse dich nicht allein.«

»Das ist ein Befehl, Sturmwind!«

»Was du nicht sagst! Du scheinst zu vergessen, dass ich frei bin.«

»Sturmwind, tu bitte ein einziges Mal in deinem Leben das, worum ich dich bitte! Ich muss los und Julia helfen; sie braucht mich. Wir kommen beide zu dir zurück, sobald mein Vater das Signal zum Rückzug gibt. Ehrenwort! Und jetzt verschwinde, solange du noch die Kraft dazu hast!«

»Ich hasse es, dir Recht zu geben«, murmelte das Einhorn.

Mit kraftlos gesenktem Kopf trat es den Rückzug an. Rupert sah ihm lange genug nach, bis er sicher war, dass Sturmwind sich hinter den Reihen der Kämpfenden befand. Dann rannte er auf die Barrikade zu. Er musste zu Julia…

Harald und König Johann kämpften Rücken an Rücken und hielten mit ihren Höllenschwertern die Dämonen in Schach.

Blut tropfte von ihren zerfetzten Kettenhemden – und es war nicht nur Dämonenblut. Rupert wartete einen Moment, bis er sicher war, dass ihre ganze Aufmerksamkeit den Gegnern zugewandt war, und zog sich dann an der Barrikade hoch. Er glaubte zwar nicht, dass sein Vater ihn zurückhalten würde, aber er wollte kein Risiko eingehen. Die Leichenstapel gerieten unter seinem Gewicht ins Rutschen, und er duckte sich erschrocken in die Schatten. Die meisten Dämonen waren damit befasst, die Barriere zu durchbrechen. Ihnen schien gar nicht in den Sinn zu kommen, dass jemand versuchen könnte, das Hindernis in der Gegenrichtung zu überwinden. Bald verlagerte sich das Gefecht weg von Rupert, und er konnte unbemerkt auf der anderen Seite der Barriere in die Tiefe springen. Ein feuriger Schmerz jagte ihm durch den Arm, als er landete. Er zuckte zusammen und stieß einen leisen Fluch aus. Aber dann hatte er sich wieder gefasst und rannte mit dem Schwert in der Rechten auf Julia zu.

Julia rückte keine Handbreit von dem schützenden Baumstamm weg, während sie die Zauberklinge im Halbkreis von einer Seite zur anderen schwang. Ringsum verrotteten die Leichname der Dämonen, aber das schreckte die Angreifer nicht ab. Wütend hieb sie auf die grinsenden Kreaturen ein, die sie mit Fängen und Klauen bedrohten. Sie wusste, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis sie zu schwach oder zu langsam wurde, um sich zur Wehr zu setzen. Und dann würde die Horde über sie herfallen. Sie hoffte, dass der Tod schnell käme, auch wenn sie das Gegenteil befürchtete. Sie zögerte kurz, als ihre Konzentration nachließ, und schon tauchte ein Dämon unter dem Schwert durch und versuchte ihr an die Kehle zu fahren. Sie zerschmetterte ihn mit einem Rückhand-Hieb, der ihre Deckung weit öffnete. Die Monster drängten näher.

Rupert stürmte heran und hieb eine Gasse durch die Horde der überraschten Angreifer, bis er neben Julia stand. Lange Zeit sah man nichts außer den beiden Schwertern, die auf die Feinde niedersausten. Blut spritzte nach allen Seiten, und dann wichen die Dämonen so unvermittelt zurück, dass Rupert und Julia plötzlich allein vor dem morschen Baumstamm standen. Langsam senkten sie die Waffen und sahen sich misstrauisch um. In der Finsternis wimmelte es von grotesken Schemen, aber alles deutete darauf hin, dass sich die Dämonen tiefer in den Dunkelwald zurückzogen. Die wenigen Überlebenden des Heeres spähten ungläubig über die Barrikade, dachten aber nicht daran, die Fliehenden zu verfolgen.

»So leicht geben die doch sonst nicht auf«, stieß Rupert hervor. Er stand da, erschöpft auf sein Schwert gestützt und immer noch nach Luft ringend. »Die haben sicher etwas vor…«

»Wahrscheinlich.« Julias Knie gaben nach, und sie konnte sich gerade noch hinsetzen. Sekunden später hatte sich Rupert zu ihr gesellt. Er warf einen skeptischen Blick auf Hundsgift.

»Ist das Ding gut – als Schwert, meine ich?«

»Ich habe schon schlechtere gesehen.«

Rupert starrte düster auf die Toten, die überall verstreut lagen und nach Fäule und Verwesung stanken. Dann wandte er sich Julia zu und meinte mit einem tiefen Seufzer: »Es muss doch eine bequemere Art geben, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen!«

Julia verzog nur die Mundwinkel; sie war zu schwach, um herzhaft loszulachen. Rupert betrachtete sie genauer und runzelte die Stirn.

»Du bist verletzt, Mädchen!«, sagte er mit rauer Stimme.

»Du auch«, entgegnete Julia. »Und doch bist du mir zu Hilfe gekommen und hast mir das Leben gerettet.«

»Du hättest das Gleiche für mich getan.«

»Wie schlimm ist deine Armwunde?«

»Schlimm genug. Und du – wie fühlst du dich?«

»Beschissen wäre geprahlt.«

Rupert legte ihr den gesunden Arm um die Schultern, und sie ließ den Kopf an seine Brust sinken. Schweigend saßen sie da und genossen es, dass geteilte Schmerzen halbe Schmerzen waren. Rupert wusste, dass er Julia eigentlich zurück zum Heer bringen musste, so lange die Dämonen sie in Ruhe ließen, aber er fand nicht die Kraft dazu.

»Zumindest kann ich meiner Sammlung ein paar neue Narben hinzufügen«, murmelte Julia.

»Das Gleiche gilt für mich.«

Julia hob den Kopf und sah ihn fragend an. »Rupert, diese Schlacht geht nicht gut für uns aus, oder?«

»Bis jetzt ist sie ein Fiasko. Die meisten unserer Leute sind tot oder schwer verwundet. Ohne die Unterstützung des Gro­

ßen Zauberers sind wir nichts als lebende Zielscheiben. Es ist ein Wunder, dass überhaupt jemand davongekommen ist.«

»Rupert… hörst du das?«

»Was?«

»Da draußen ist etwas, Rupert, etwas Gigantisches! Und es kommt auf uns zu.«

Rupert starrte in die Schwärze hinaus und rappelte sich hoch, das Schwert in der Hand. Julia kam ebenfalls mühsam auf die Beine und stützte sich auf Hundsgift. Tief in der Nacht bildete sich ein blasser Schimmer. Es war das gleiche kränkliche Blau, das der Vollmond über ihnen ausstrahlte.

Der blaue Schein kroch langsam aus dem Dunkelwald heran, ein unstetes Leuchten, das sich hob und senkte und ständig seine amorphe Gestalt veränderte. Dämonen raschelten unruhig in den Schatten und wichen tiefer in das Dunkel zurück.