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»Du wolltest, dass er da draußen umkommt!«, schrie Julia ihn an, riss ihr altes Schwert aus der Scheide und lief durch den Torspalt in den Bergfried hinaus. Schritte waren hinter ihr zu hören, und als sie sich umdrehte, sah sie, dass König Johann ihr dicht auf den Fersen folgte, das Höllenschwert Felsenbrecher in der Hand. Sie hatten gerade noch Zeit, ein kurzes Lächeln zu tauschen, ehe die Dämonen auf sie eindrangen. Die ersten Gegner fielen unter Julias zornigen Hieben, und die wenigen, die ihr entkamen, waren eine leichte Beute für Felsenbrecher. Julia schwang ihre Klinge mit beiden Händen, und ein Dämon krümmte sich mitten in der Luft, vergeblich bemüht, die klaffende Wunde, die sie ihm zugefügt hatte, mit den Händen zusammenzupressen. Er fiel zappelnd zu Boden, und die Prinzessin stieß ihn mit dem Fuß zur Seite, während sie sich durch den schmalen Tortunnel zu der Stelle vorkämpfte, wo Rupert zu Boden gestürzt war. Der König war neben ihr und hieb mit seinem Zauberschwert einen breiten Pfad durch die Angreifer, aber ein rascher Seitenblick verriet Julia, dass er am Ende seiner Kräfte war. Sie zwangen die Gegner Schritt für Schritt zurück auf die Zugbrücke, bis sie auf die kleine Gruppe von Dämonen stießen, die sich auf Rupert geworfen hatte. Die Monster flohen in alle Richtungen, als Julia und der König auf sie eindrangen.

Eine hoch gewachsene, blutüberströmte Gestalt richtete sich mühsam auf und wankte ihnen entgegen. Der linke Arm hing schlaff herunter, aber mit der rechten Hand hielt Rupert immer noch das Schwert umklammert. Er wischte sich das Blut aus dem Gesicht und bedachte Julia mit einem leicht verzerrten Grinsen.

»Das hat aber gedauert«, meinte er vorwurfsvoll und durchbohrte einen Dämon, der sich zwischen ihn und die Prinzessin schob.

Julia trat lachend neben ihn und schwang ihre Klinge mit wildem Ungestüm, ohne auch nur eine Sekunde an die eigene Sicherheit zu denken. Der Strom der Dämonen riss nicht ab, während Rupert, Julia und der König sich Schritt für Schritt durch den Korridor des Bergfrieds zurückzogen. Blut spritzte gegen die Mauersteine und lief die Wände entlang zu Boden.

Julia drehte sich kein einziges Mal nach dem Burgtor um. Sie glaubte zwar nicht, dass die Wachen die Torflügel verrammeln würden, ehe sich der König ins Innere der Burg gerettet hatte, aber falls sie es doch getan hatten, wollte sie es lieber nicht wissen. Sie hatte beschlossen, weiter zu kämpfen, so lange noch ein Funke Hoffnung bestand. Es gibt schlimmere Todesarten, als bei einer Rettungsaktion f ür den Geliebten zu sterben, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf, und sie merkte, dass sie wie eine Torin grinste, während ihr die Tränen über die Wangen liefen. Rupert, mein Freund, wir haben zu viel gemeinsam durchgestanden, als dass ich dich jetzt verlieren möchte!

Zauberfeuer erhellte plötzlich die Nacht, explodierte inmitten der Dämonen und trieb sie auseinander. Blitze zuckten und züngelten über das Mauerwerk des Bergfrieds und versengten die Angreifer, die nicht schnell genug die Flucht ergriffen. Rupert drehte sich um und sah eine einsame, hell erleuchtete Gestalt in dem schmalen Spalt zwischen den fast geschlossenen Torflügeln stehen. Das Licht war so gleißend, dass er sich abwenden musste, doch er spürte ringsum das Pulsieren der Hohen Magie und wusste, wer sich hinter dem Glanz verbarg. Julia umklammerte seinen unversehrten Arm und schob ihn zum Tor.

»Der Champion«, murmelte er mit belegter Stimme.

»Er ist tot, mein Junge«, sagte der König, der ihn von der anderen Seite zu stützen versuchte. »Wir können ihn nicht einmal begraben, weil die Dämonen nichts von ihm übrig ließen.«

Gemeinsam schleppten Julia und der König Rupert zurück zum inneren Tor, während das grelle Zauberfeuer die Dämonenhorde immer wieder zurückwarf. Schmutziger Rauch stieg von den toten Angreifern auf, die sich vor dem Bergfried türmten und den Eingang blockierten. Julia und der König zerrten Rupert durch den schmalen Spalt in den Burghof. Die gleißende Gestalt folgte ihnen, und mit einem lauten Dröhnen schloss sich das schwere Eichentor. Harald und die Wachleute schoben die Eisenriegel vor und errichteten in aller Hast Barrikaden.

Rupert brach an der Ostmauer zusammen, und Julia hatte nicht mehr die Kraft, ihn festzuhalten. Er blieb reglos auf dem Kopfsteinpflaster liegen. Blut strömte aus seinen Wunden und sammelte sich in einer Pfütze, die immer größer wurde. Julia kauerte auf dem Boden nieder, bettete seinen Kopf in ihrem Schoß und ließ ihren Tränen freien Lauf. König Johann saß in ihrer Nähe, den Rücken gegen die Mauer gepresst, und ließ müde den Kopf nach vorn sinken. Felsenbrecher lag unbeachtet neben ihm. Die helle Gestalt kam langsam auf sie zu, und als ihr Gleißen erlosch, erkannten sie den Großen Zauberer. Seine Züge waren von Erschöpfung gezeichnet, seine Haare vollkommen grau.

Draußen hämmerten die Dämonen gegen die Eichenbohlen, bis sie wie eine riesige, unirdische Kesselpauke dröhnten.

KAPITEL NEUN

Im Dunkelwald

RUPERT LAG IM BURGHOF auf dem Rücken und überlegte krampfhaft, wer da weinte. Die tränenerstickte Stimme, die seinen Namen rief, kam ihm irgendwie bekannt war, aber er konnte sie nicht richtig zuordnen. Er hätte die Frau, wer immer sie war, gern getröstet, aber er fand keine Worte, und nach einer Weile ließ das Schluchzen nach. Rupert wusste, dass er auf dem Burghof lag; das verriet ihm das Kopfsteinpflaster, das ihm hart ins Kreuz drückte. Aber alles andere war verwischt und weit weg. Er hatte kaum noch Schmerzen, und einen Moment lang beunruhigte ihn das, aber nur einen Moment lang. Er spürte Blut im Gesicht und in den Augen, und als er es wegwischen wollte, gehorchten ihm die Arme nicht. Jemand zerrte an seinem Brustpanzer, und die Stimme rief wieder seinen Namen, aber er gab keine Antwort. Es erschien ihm nicht wichtig, und er war müde, so entsetzlich müde.

Julia bemühte sich, die Reste von Ruperts Brustpanzer abzustreifen, damit sie seine Wunden untersuchen konnte, aber die Schließen waren glitschig von Blut, und sie war so erschöpft, dass sie alles verschwommen sah. Verbissen kämpfte sie gegen die Schließen an und fluchte über ihre ungeschickten Finger. Rupert hatte sich nicht bewegt, seit er zusammengebrochen war, und je eingehender Julia ihn betrachtete, desto mehr wuchs ihr Entsetzen. Er blutete so stark, dass sie eine Wunde kaum von der anderen unterscheiden konnte, und was immer sie anstellte, es gelang ihr nicht, ihn ins Bewusstsein zurückzuholen. Sie wischte ihm mit einem Stofffetzen das Blut aus dem Gesicht und erstarrte mitten in der Bewegung, als sie entdeckte, dass er sein rechtes Auge verloren hatte. Der Anblick der leeren Augenhöhle schnürte ihr den Hals zu, aber sie fand keine Tränen mehr, um ihrem Kummer Ausdruck zu verleihen. Sie wollte um Hilfe rufen, doch die Worte erstarben ihr auf den Lippen, als sie ihre Blicke über den Hof wandern ließ.

Was sie sah, war ein Schlachthaus. Tote, Sterbende und Verwundete lagen Seite an Seite. Einige der überlebenden Kämpfer hatten sich einfach zu Boden geworfen, zu erschöpft oder zu entsetzt von den schrecklichen Erlebnissen, um etwas zu trinken oder zu essen, zu müde, um jemanden zu bitten, einen Verband anzulegen. Diener liefen zwischen den Verwundeten hin und her; sie taten, was sie konnten, um die Schmerzen zu lindern. Unterdessen bewachten Frauen und Kinder mit Stöcken und Heugabeln die Zinnen der Burg.

Hoch über dem Burghof starrte der Blaue Mond unbarmherzig aus der sternenlosen Nacht herab, und jenseits des Walls hämmerten die Dämonen unablässig gegen die ächzenden Eichentore.

König Johann erhob sich mühsam und schob Felsenbrecher in die Scheide, ohne die Waffe auch nur eines Blickes zu würdigen. Trotz ihrer legendären Macht hatten die Schwerter der Hölle nur wenig gegen den Dunkelwald auszurichten vermocht. Nun waren zwei der Klingen verloren, und er hatte keinen Trumpf mehr gegen die endlose Nacht. Es ist vorbei, dachte er. Wir haben verloren. Ich tat, was ich konnte, aber es war nicht genug. Einen Moment lang kämpfte er gegen den Impuls an, einfach wegzurennen und sich zu verstecken, sich in seinen Gemächern zu verbarrikadieren und zu warten, bis ihn die Dämonen holten. Aber er wusste, dass er das nicht tun konnte. Er war der König, und er hatte mit gutem Beispiel voranzugehen. Selbst wenn das Ganze keinen Sinn mehr hatte. Harald kam ihm entgegen. Er nickte seinem Sohn wortlos zu, und dann sahen sie beide zu Rupert und Julia hinüber.