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Lass sie nicht merken, wie gut ihnen das gelingt!

»Dort unten«, sagte der Astrologe plötzlich und deutete auf einen Fleck zu seiner Linken, »befindet sich eine Lichtung, die von Baumkronen überdacht wird. Dort werden wir den Dämonenfürsten antreffen.«

»Bist du sicher?«, fragte der König.

»Völlig sicher, Johann«, bekräftigte der Astrologe.

Der Drache drehte den Kopf nach hinten, um zu sehen, wohin der Astrologe zeigte, drehte eine Schleife und glitt tiefer. Aus dem bizarren Astwerk des Dunkelwaldes ragten gefährliche Dornenspieße auf. Im letzten Moment sperrte der Drache das breite Maul weit auf und spie Flammen, die sich wie Säure durch das Dach des Waldes fraßen. Das morsche Holz schien ihnen keine Nahrung zu bieten, denn sie erloschen gleich darauf wieder. Aber das Loch, das sie in die Dornenbarriere gebrannt hatten, war groß genug, damit der Koloss mit eng angelegten Schwingen in die Tiefe tauchen konnte. Das Mondlicht war plötzlich abgeblockt, und der Drache fiel wie ein Stein nach unten. Er spreizte die Flügel, um den Sturz abzufangen, und landete so hart auf dem Waldboden, dass seine Begleiter alle Mühe hatten, sich auf seinem Rücken zu halten. Einen Moment lang stockte allen der Atem.

Ringsum war tiefe Schwärze, lautlos und tödlich.

»Hat jemand daran gedacht, eine Laterne mitzunehmen?«, murmelte Julia nach einer Weile.

Der Drache hüstelte zuvorkommend. Ein kurzer Feuerstrahl kam aus seinem Maul, der einen kleinen Kreis aus Flechten und öligen Moosen entzündete. Plötzlich war die Lichtung in einen hellen, flackernden Schein gehüllt. Rupert schwang sich vom Rücken des Drachen, sorgsam darauf bedacht, nicht in den Feuerkreis zu treten. Die Flammen schienen ruhig und gleichmäßig zu brennen, ohne sich jedoch auszubreiten. Rupert nickte zufrieden. Er zog sein Schwert und trat ein paar Schritte zur Seite, damit die anderen absteigen konnten.

Die Lichtung war nicht sonderlich groß, ein Fleck von etwa zwölf Metern Durchmesser, von dem ein halbes Dutzend Pfade in den Wald führten. Genau in der Mitte stand ein einzelner halb verrotteter Baumstumpf, der die groben Umrisse eines Throns aufwies. Frische Blutflecken überzogen das verfaulte Holz. Rupert spähte hinauf zu der Öffnung, die der Drache in das Astgeflecht gebrannt hatte, aber weder der Blaue Mond noch sein Licht waren zu sehen. Julia trat neben ihn, das Schwert in der Hand. Sie lächelten einander kurz zu.

Dann ging die Prinzessin langsam um den Drachen herum und horchte angespannt in das Dunkel. Der König und der Astrologe standen gemeinsam neben dem modrigen Thron.

»Ist dieses Feuer nicht gefährlich?«, fragte der König leise.

»Das Licht wird den Dämonen verraten, dass wir hier sind.«

Der Astrologe lächelte dünn. »Das wissen sie auch ohne Licht, Johann.«

»Ein gruseliger Ort«, meinte Julia, während sie vorsichtig über einen Haufen blutverspritzter Knochen stieg, an denen zum Teil noch Fleischreste hingen. Aus den Moospolstern quoll Blut, als sie darauf trat.

»Also schön, Sir Astrologe«, meinte Rupert schließlich.

»Wo bleibt nun der Dämonenfürst?«

»Sie verlangen nach ihm?«, fragte der Astrologe. »Dann werde ich ihn rufen. Meister! Sie sind hier! Ich habe sie zu Euch geführt!«

Rupert und Julia starrten ihn entsetzt an und stürmten vorwärts, die Schwerter gezückt, doch bevor sie den Astrologen erreichten, wurden sie von einem gewaltigen Gewicht zu Boden gedrückt. Rupert kämpfte verbissen gegen die unsichtbare Kraft an, die ihn eisern festhielt, schaffte es aber lediglich, den Kopf aus den blutgetränkten Moospolstern zu heben.

Das Schwert war ihm aus der Hand gefallen, und er konnte den Kopf nicht weit genug zur Seite drehen, um zu sehen, wo es lag. Dicht neben ihm lag der König, ebenso hilflos wie er selbst, und am Rande der Lichtung wand sich der Drache und versuchte vergeblich, auf die Beine zu kommen. Der Astrologe lachte leise. Mit unmenschlicher Anstrengung hob Rupert den Kopf und sah ihn an. Thomas Grey lümmelte auf dem morschen Holzstumpf und spielte mit einem leuchtenden Schwert, in dessen Griff ein trüber schwarzer Edelstein eingesetzt war.

»Was geht hier vor?«, stöhnte Julia. »Weshalb kann ich mich nicht rühren?«

»Das liegt an seinem Schwert«, stieß der König mühsam hervor. »Es ist das Curtana. Er muss es an sich genommen und versteckt haben.«

»Ganz recht«, sagte der Astrologe. »Ich musste doch sichergehen, dass ihr meinen Herrn und Meister gebührend begrüßt!«

»Willkommen«, drang eine leise, zischelnde Stimme aus den Schatten. »Willkommen, meine lieben Freunde! Ich habe euch erwartet.«

Rupert hielt mit letzter Kraft den Kopf aufrecht, während sich eine hoch gewachsene Gestalt aus den Schatten am Rande der Lichtung löste. Nach und nach nahm sie Substanz und Realität an, wie ein Albtraum, der sich in Fleisch und Blut verwandelt. Der Dämonenfürst war mindestens zweieinhalb Meter groß und so hager, dass er fast ausgezehrt wirkte. Seine totenbleich schimmernde Haut war in schwarze Lumpen und Fetzen gehüllt, und unter der breiten Krempe seines Schlapphuts glommen zwei rote Augen, die unverwandt zu ihnen herüberstarrten. Das Gesicht des Dämonenfürsten war kaum zu erkennen, wirkte jedoch irgendwie unfertig und verschwommen. Der Anblick seiner hilflosen Feinde auf dem Boden der Waldlichtung entlockte ihm ein Grinsen, das seine spitzen Zahnreihen entblößte. Dann schoss er mit der Eleganz und Schnelligkeit einer Spinne auf König Johann zu und riss ihm Felsenbrecher aus der Scheide. Das Schwert schien in seiner Skeletthand zu erschauern.

»Ein nettes Spielzeug«, sagte der Dämonenfürst. »Es gab eine Zeit, da hätte es mich durchaus besiegen können.«

Mit einer schnellen, fließenden Bewegung zerbrach er die Klinge über dem Knie und warf die Stücke achtlos beiseite.

Rupert glaubte in weiter Ferne einen gequälten Schrei zu hören, der allmählich verstummte. Der Dämonenfürst wandte sich dem Astrologen zu und streckte gebieterisch die Hand aus. Thomas Grey sprang auf, eilte zu seinem Meister und überreichte ihm das Curtana. Der Herr der Finsternis wog das Schwert in der Hand, und die glühende Klinge begann lichterloh zu brennen. Innerhalb weniger Sekunden verwandelte sich das Schwert des Zwangs in eine Pfütze aus geschmolzenem Metall, in der ein paar geschwärzte Edelsteine schwammen. Rupert stemmte sich gegen die unsichtbare Kraft, die ihn festhielt. Der Druck schien nachzulassen, aber noch war der Bann der Wilden Magie nicht gebrochen.

»Du hast deine Sache gut gemacht, Sklave«, sagte der Dämonenfürst zu Thomas Grey, der sich tief verneigte. »Alle meine Feinde sind nun an einem Ort versammelt, und von den Schwertern, die mir hätten schaden können, ist keines mehr übrig!«

Er unterbrach sich plötzlich und war mit einem Satz bei Julia, die verstohlen die Hand ausstreckte, um das Schwert, das ihr entglitten war, wieder an sich zu nehmen. Sie hatte eben den Griff ertastet, als der Fuß des Dämonenfürsten mit voller Wucht auf ihre Finger niederstampfte. Das Geräusch splitternder Knochen drang unheimlich laut durch die Stille.