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Der Herr der Finsternis zerquetschte Julias gebrochene Hand unter seinem Absatz, aber sie biss die Lippen zusammen und gab keinen Laut von sich. Er lachte heiser, weidete sich einen Augenblick an ihrem schmerzverzerrten Gesicht und wandte sich dann wieder dem Astrologen zu. Selbst im schwachen Licht der Flammen konnte Rupert erkennen, dass Julias Hand nur noch ein Brei aus Blut und Knochenfragmenten war. Als sie dennoch das Schwert zu heben versuchte, klirrte es zu Boden. Der Dämonenfürst drehte sich nicht einmal nach ihr um. Er nahm elegant auf dem Thron aus morschem Holz Platz, winkte den Astrologen an seine rechte Seite und blickte kalt auf seine besiegten Feinde herab.

»Nun«, begann er mit leiser Stimme, »habt ihr mir nichts zu sagen? Schließlich musstet ihr lange genug auf diese Begegnung warten… Willst du den Anfang machen, Drache?

Schließlich sind wir beide von der gleichen Art. Du und ich, wir haben noch die Zeit erlebt, als die Erde jung war und wir zu den Mächtigen dieser Welt zählten. Seit damals, seit der Mensch auf den Plan trat, hat sich viel verändert. Du bist alt geworden, Drache, alt und schwach. Die Magie verlor nach und nach ihre Kraft, genau wie du. Aber nun steht der Blaue Mond voll am Himmel, und die Wilde Magie ist zurückgekehrt. Vergiss die Menschen, sei mir Untertan, und du wirst erleben, wie die Drachen wieder zu Ruhm und Ansehen gelangen!«

Der Drache kämpfte grimmig gegen die Zauberkräfte an, die ihn gefangen hielten, und hob mühsam den großen Kopf.

»Antworte!«, herrschte ihn der Dämonenfürst an.

»Fahr zur Hölle!«, sagte der Drache. »Julia und Rupert sind meine Freunde. Ich denke nicht daran, sie an den Herrn über ein paar verfaulte Baumstämme zu verraten.«

Ein Feuerstrahl schoss aus seinem Maul, konnte jedoch den Dämonenfürsten nicht erreichen. Die Flammen sanken kraftlos zu Boden und wurden vom Moos erstickt.

»Dummes Tier!«, fauchte der Dämonenfürst. »Schlaf weiter!«

Die Augen des Drachen fielen zu, und sein Kopf sank schwer vornüber. Der Herr der Finsternis schlenderte zu ihm hinüber und trat ihm mit voller Wucht ins Gesicht. Aus dem Maul des Kolosses floss goldenes Blut. Der Dämonenfürst versetzte ihm einen zweiten Tritt.

Rupert zog langsam ein Knie unter dem Körper an, ein kraftraubendes Unterfangen, da ihn der Bann des Dämonenfürsten immer noch gegen das Moos presste. Er sah, dass sein Schwert zwischen ihm und dem König lag. Ein einziger Sprung würde ihn in Reichweite der Waffe bringen, aber der Zwang des Curtana ließ nur allmählich nach. Rupert brachte das zweite Knie in die richtige Stellung. Geduldig und mit kaltem Zorn wartete er auf den Moment, da er sich wieder frei bewegen konnte.

»Du hast das alles von langer Hand geplant, Thomas«, sagte König Johann mit matter Stimme. Das Feuer in seinen Augen war erloschen, und sein Gesicht erinnerte an eine starre Maske, der das Entsetzen und der Schmerz jeden Ausdruck geraubt hatten. »Der vergiftete Wein, der die anderen Magier tötete – das war dein Werk.«

Der Astrologe lachte selbstzufrieden.

»Warum?«, stöhnte der König. »Warum hast du dich gegen das Waldkönigreich – gegen mich – gewandt?«

»Antworte ihm, Sklave!«, befahl der Dämonenfürst. »Seine Verzweiflung belustigt mich.«

»Du, Johann!« Thomas Grey verzog das Gesicht zu einem bösartigen Grinsen. »Du und dein verdammter Thron! Dreißig Jahre und länger bestand meine Aufgabe darin, dich zu stützen und deine Entscheidungen zu treffen, aber welchen Lohn erhielt ich dafür? All die Jahre lebte ich in deinem Schatten, erledigte die Dreckarbeit für dich, während du immer reicher und mächtiger wurdest. Ich hätte es weit bringen können, Johann! Ich hätte es bis zum Meister aller Magier bringen können! Aber ich gab meine eigenen Pläne auf, weil du mich brauchtest. Ich hätte einen weit besseren König abgegeben als du. Das sagten viele Leute. Aber nein, ich hielt dir die Treue.

Du warst mein Freund. Aber dann, viele Jahre später, musste ich erkennen, dass ich keinen Deut mehr Macht, Ansehen oder Reichtum besaß als an jenem Tag, da ich dir als Hofastrologe Gefolgschaft schwor.«

König Johann starrte ihn an und merkte nicht, dass ihm die Tränen über die eingefallenen Wangen liefen. »Thomas…

wir waren seit unserer Kinderzeit Freunde…«

»Aus Kindern werden irgendwann Erwachsene, Johann.«

»Hasst du mich wirklich so sehr?«

»Mehr, als du dir vorstellen kannst. Ich habe mich seit Jahren auf diesen Augenblick gefreut. Seit vielen, vielen Jahren.«

»Du…«, fuhr der König stockend fort. »Du warst es, der den Vorschlag machte, den Dämonenfürsten anzurufen!«

»Natürlich«, erwiderte der Astrologe ruhig. »Nur mit seiner Unterstützung konnte ich den Thron für mich gewinnen.«

Er verstummte, als ihm der Dämonenfürst eine Hand schwer auf die Schulter legte. Die langen Klauen bohrten sich in sein Fleisch, bis ihm Blut über den Arm lief, aber er zuckte nicht zusammen und gab keinen Schmerzenslaut von sich.

»Du törichter Sterblicher«, murmelte der Dämonenfürst.

»Dachtest du im Ernst, du könntest mich benutzen? Von dem Moment an, da du mich aus der Finsternis holtest, warst du mein mit Leib und Seele. Von dem Moment an warst du mein Werkzeug, mein Sklave, mein…«

»Verräter«, raunte der König.

»Ich bin mit Verrätern immer gut gefahren«, sagte der Dämonenfürst.

Johann senkte den Kopf und schloss die Augen. An einem einzigen Tag hatte er sein Königreich, seine Burg und seinen ältesten Freund verloren. Es erschien unmöglich, dass ein Mensch solche Qualen überleben konnte.

Rupert stemmte sich vorsichtig auf die Ellbogen. Der Bann wirkte kaum noch, aber das Schwert war einfach zu weit entfernt. Der Dämonenfürst würde ihn niederstrecken, ehe er es erreichte. Der König dagegen lag fast auf der Klinge…

Rupert überlegte. Wenn er seinem Vater die Möglichkeit verschaffen wollte, das Schwert an sich zu nehmen, musste er den Dämonenfürsten und den Astrologen irgendwie ablenken

… Rupert lächelte gequält, als ihm die Lösung dämmerte.

Das Schwert mochte außer Reichweite sein, aber der Dämonenfürst war es nicht. Verdammt, das kann eine blutige Angelegenheit werden, dachte Rupert. Er nahm Blickkontakt zu seinem Vater auf und deutete mit dem Kinn unauffällig auf das Schwert. Jetzt musste der Dämonenfürst nur noch ein paar Schritte näher kommen… Der Astrologe lachte plötzlich laut auf, und der König drehte mühsam den Kopf zur Seite, um ihn anzusehen.

»Nun, Johann?« Thomas Grey grinste breit. »Hast du mir nichts mehr zu sagen? Kein letzter Appell an meinen Edelmut oder an die Freundschaft, die uns so lange Zeit verband?«

Der König schaute ihn nur wortlos an.

»Ich werde König sein«, fuhr der Astrologe fort, und eine ganze Welt der Genugtuung schwang in seiner Stimme mit.

»Endlich werde ich König sein. Der Herr und Meister hat mir deinen Thron versprochen, als Lohn für die Rolle, die ich übernahm. Sei unbesorgt, Johann! Ich werde das Waldkönigreich wieder auf die Beine stellen und es weise regieren. Mit den Dämonen als meinen Verbündeten wird es kein Baron wagen, sich gegen mich zu erheben.«

»Sie sind wahnsinnig«, sagte Julia scharf. »König? König wovon? Es gibt nur noch den Dunkelwald!«

»Das wird nicht immer so bleiben«, entgegnete der Astrologe ruhig. »Ich werde über das Waldkönigreich herrschen.

Das wurde mir versprochen.«

»Du gibst dich mit einem Pappenstiel zufrieden«, warf der Dämonenfürst ein. »Ich hatte dir alle Königreiche der Welt angeboten.«

»Mein Streben gilt nur dem Waldkönigreich«, erklärte Thomas Grey. »Ich wollte von Anfang nicht mehr. Und nun bin ich endlich am Ziel meiner Träume angelangt.«