Выбрать главу

»Das glaube ich nicht«, sagte der Herr der Finsternis.

Der Astrologe fuhr herum und starrte die Kreatur an, die sich lässig auf dem fauligen Thron räkelte.

»Ich habe keine Verwendung für Könige«, fuhr der Dämonenfürst fort. »Ich brauche nur Sklaven. Komm her, Sklave!«

Thomas Grey schüttelte den Kopf. »Du hattest mir das Waldkönigreich versprochen!«

Der Dämonenfürst grinste. »Das war eine Lüge.«

Er richtete sich unvermittelt auf und kam auf den Astrologen zu. Thomas Grey wich langsam zurück. Dann drehte er sich um und begann zu laufen. Nach ein paar Schritten schloss sich die Nacht wie ein Tuch um ihn und brachte ihn zu Fall. Grey schlug um sich und begann wie ein Tier zu schreien, als er merkte, wie sich seine Knochen und Muskel veränderten, verzerrten, verformten…

Die Schreie erstarben schließlich, und König Johann beobachtete voller Grauen, wie sich das Ding, das einst sein Freund gewesen war, als Dämon vom Waldboden erhob. Ein Schädel mit niedriger Stirn saß auf gedrungenen, muskulösen Schultern, und die überlangen Arme baumelten bis unter die Knie. Dichtes, zottiges Fell quoll durch große Risse im Zauberer-Umhang. In den blutroten Augen flackerte eine primitive, verschlagene Intelligenz, aber keine Spur von Erkennen, als der Dämon einen flüchtigen Blick auf den König warf und dann schmeichlerisch zu Füßen des Dämonenfürsten niederkauerte.

»Nun?« Der Herr der Finsternis sah den König herausfordernd an. »Wie gefällt dir dein Freund jetzt?«

Rupert schnellte vorwärts und warf sich auf den Dämonenfürsten. Die Kreatur geriet ins Stolpern und wäre um ein Haar gestürzt, fing sich aber im letzten Moment ab. Rupert umklammerte den Gegner mit beiden Armen und hielt ihn eisern fest, den Kopf gegen die knochige Brust gedrückt.

»Vater!«, schrie er verzweifelt. »Nimm das Schwert!

Nimm das verdammte Schwert!«

Der Kopf des Dämonenfürsten flog mit einem Ruck nach vorn, der lange, spindeldürre Hals dehnte sich, und Rupert sah blitzende Fänge nach seiner Kehle schnappen. Im letzten Moment ließ er los und warf sich nach hinten. Die Kiefer schnappten Millimeter vor seinem Gesicht zusammen, und dann schoss ein hartes, knochiges Knie hoch und traf ihn in die Seite. Rupert stöhnte, als eben erst verheilte Rippen brachen. Der Boden kam auf ihn zu. Er rollte sich ab und sah gerade noch, wie Julia erneut versuchte, ihr Schwert zu erreichen. Der Dämonen-Astrologe versetzte ihr einen Magenschwinger, und sie brach nach Luft ringend zusammen. Der Dämon kicherte. Langsam trat der Herr der Finsternis auf sie zu, ein breites Grinsen auf den Lippen. Rupert stützte sich ab und warf einen raschen Blick auf seinen Vater. Der König hatte sich überhaupt nicht von der Stelle gerührt, und das Schwert lag noch genau da, wo Rupert es fallen gelassen hatte.

»Vater!«

Der Dämonenfürst blieb vor dem König stehen und lächelte auf ihn hinab. »Ich glaube nicht, dass er dich hört, mein Junge. Er ist ein gebrochener Mann, ein weiterer meiner Sklaven. Habe ich Recht, Johann?« Er bückte sich, packte den König brutal an der Kehle, zerrte ihn hoch und hielt ihn an einem Arm in die Luft. Dann schüttelte er ihn wie ein Spielzeug.

»Habe ich Recht, Johann?«

Der König versuchte vergeblich, den Griff des Dämonenfürsten um seinen Hals zu lockern. Sein Atem ging pfeifend.

»Du sollst der niedrigste meiner Sklaven sein, du kleiner Feigling!«, sagte der Dämonenfürst leise. Er zog den König zu sich heran, bis ihre Augen auf gleicher Höhe waren, und lachte spöttisch. König Johann spuckte ihm ins Gesicht. Der Dämonenfürst heulte zornig auf. Während er mit einer Hand die Kehle des Herrschers zudrückte, riss er ihm mit der anderen den Kettenpanzer auf und stieß ihm die Klauen tief in die Brust.

Rupert kam taumelnd auf die Beine und lief auf die beiden zu, doch der Dämonen-Astrologe schnitt ihm den Weg ab.

Julia hechtete vorwärts, packte Ruperts Schwert und warf es ihm zu. Rupert fing es mitten in der Luft auf und drang damit auf den Dämonen ein. Der knurrte und zog sich dann Schritt für Schritt von ihm zurück. Der Dämonenfürst schleuderte den König zur Seite und kam geduckt auf Rupert zu. Der Prinz blieb stehen und zückte sein Schwert. Er sah Julia und seinen Vater, beide blutüberströmt und zu schwach, um sich aufzurichten. Selbst der Drache stöhnte unruhig im Schlaf.

Rupert schluckte mühsam. Er wusste, dass blanker Stahl nicht ausreichen würde, um dem Herrn der Finsternis Einhalt zu gebieten, aber er musste es wenigstens versuchen. Seine Freunde brauchten ihn. Er riss die Klinge zu einer letzten verzweifelten Attacke hoch über den Kopf. Seine ganze Wut, alle Hoffnung und alles Leid strömten durch das Schwert in die lange Nacht und immer weiter, und der Dämonenfürst schrie entsetzt auf, als sich der Regenbogen mit dem Rauschen eines mächtigen Wasserfalls auf die Lichtung des Dunkelwaldes senkte.

Gleißende Farben wogten ohne Unterlass gegen die Finsternis und drängten sie zurück. Rupert hob das Gesicht in die Lichtkaskaden und lachte laut auf, als er die Kraft spürte, die ihn durchflutete. Die Helligkeit brannte sich durch die Nacht und vertrieb den Dunkelwald. Rupert sah sich suchend nach dem Dämonenfürsten um. Undeutlich erkannte er in dem sprühenden Licht einen hageren Schatten, der mit schwindenden Kräften um sich schlug und zappelte wie ein von zähem Bernstein umschlossenes Insekt. Und noch während er das Schauspiel beobachtete, löste sich der Schatten auf und verschwand. Nur der Regenbogen leuchtete hell und siegreich gegen die Schwärze, ehe auch er verblasste.

Rupert senkte langsam sein Schwert und starrte in den Nachthimmel. Einen Moment lang glaubte er, nichts habe sich verändert, doch dann traten die Sterne hervor, und der Vollmond verbreitete ein silbernes Licht. Die bedrückende Schwere war verschwunden, als hätte es den Dunkelwald nie gegeben, und am Horizont zeigte sich der erste schwache Streifen der Morgenröte. Die lange Nacht war endgültig besiegt.

Rupert schob das Regenbogenschwert in die Scheide und ließ den Blick über die Lichtung schweifen. Die Moose und fahlen Pilze waren einem weichen, schimmernden Grasteppich gewichen. Der Dämonenfürst war verschwunden und mit ihm das groteske Geschöpf, das einst der Astrologe gewesen war. Der Drache saß auf den Hinterbeinen und schüttelte gerade die letzte Schläfrigkeit ab. Julia stand neben dem Koloss, bewegte verblüfft die Finger der frisch verheilten Hand und beobachtete staunend den Wandel, der sich ringsum vollzogen hatte. Rupert trat zu ihr und nahm sie in die Arme. Im gleichen Moment ging strahlend die Sonne auf.

König Johann saß neben dem modrigen Baumstumpf, den Kopf in beide Hände vergraben, und weinte um den Freund, den er verloren hatte.

KAPITEL ZEHN

Ende und Anfang

RINGSUM SANGEN VÖGEL. Manche Bäume am Rande der Lichtung trugen junges Blattwerk, und die Luft war erfüllt von den frischen, vertrauten Gerüchen des Waldes. Sonnenlicht strömte durch immer breitere Lücken im Astgeflecht über ihnen, und der Frühhimmel war von einem so reinen, leuchtenden Blau, dass Rupert kaum hinsehen konnte.

Hoch über dem Wald kreiste der Drache mühelos in der sanften Morgenbrise, und seine Schuppen sprühten in allen Farben. Rupert spürte, wie die Sonne endgültig die Winterkälte aus seinen Knochen vertrieb. Ein leises Rascheln und Knacken im Unterholz verkündete, dass die ersten Tiere in ihre Nester und Höhlen zurückkehrten. Und doch ragten zwischen dem üppigen grünen und rostroten Laub auch tote Stämme auf, kahl, zerfressen und ausgehöhlt. Für einige, für allzu viele, war der Regenbogen zu spät gekommen.

»Die Hälfte des Waldes ist abgestorben«, sagte Julia.

»Ich dachte, mit dem Sieg über den Dämonenfürsten würde alles wie früher werden.«