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Rupert schüttelte den Kopf. »Nicht einmal der Regenbogen kann die Toten zurückbringen, und manche dieser Bäume waren der Finsternis einfach zu lange ausgesetzt. Der Dunkelwald mag verschwunden sein, aber der Forst wird Jahrhunderte brauchen, um sich von seinen Schäden zu erholen.

Das Erbe des Dämonenfürsten wird uns noch lange zu schaffen machen, Julia.«

Die Prinzessin stolperte plötzlich über etwas, das im hohen Gras verborgen lag, und bückte sich, um es aufzuheben.

»Was hast du da?«, wollte Rupert wissen.

»Schwer zu sagen. Sieht wie ein Stück Knochen oder Horn aus.«

»Horn? Lass sehen!« Rupert streckte die Hand aus, doch als Julia ihm ihren Fund reichen wollte, ließ sie ihn fast fallen, weil die eben erst verheilten Finger den Dienst verweigerten. Rupert fing das Horn auf und lächelte Julia mitfühlend an. »Was macht die Hand, Mädchen? Immer noch steif?«

»Und wie!« Julia knetete mit der gesunden Hand an den frischen Narben herum. »Der Regenbogen hat die schlimmsten Schäden beseitigt, aber es wird noch lange dauern, ehe die Finger geschmeidig genug sind, um ein Schwert zu halten.«

»Ich weiß, was du meinst«, sagte Rupert und verzog das Gesicht, weil seine eben erst zusammengewachsenen Rippen bei jeder unbedachten Bewegung schmerzten.

»Es tut mir Leid, dass der Regenbogen dein Auge nicht heilen konnte.«

Rupert zuckte vorsichtig mit den Schultern. »Mir auch, Liebling. Aber andererseits muss ich froh sein, dass ich überhaupt noch lebe.« Er musterte das Stück Horn in seiner Hand.

Es war gut einen halben Meter lang und stark geriffelt, doch das einst cremeweiße Elfenbein wirkte ausgeblichen und wies eine Reihe von Sprüngen auf. Rupert nickte düster. »Das habe ich mir gleich gedacht!«

»Was ist das?«

»Das Horn von Sturmwind. Ein Dämon raubte es ihm im Dunkelwald, weißt du noch? Der Dämonenfürst benutzte es, um die Pest zu verbreiten.«

Julia betrachtete das Horn argwöhnisch. »Ist es immer noch gefährlich? Vielleicht sollten wir es vernichten.«

»Der Große Zauberer weiß sicher am besten, was man damit anfängt«, meinte Rupert und schob das Horn in seinen Stiefelschaft. »Ich werde es ihm übergeben, wenn wir wieder auf der Burg sind. Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, es dem Einhorn wieder anzupassen.«

»Rupert«, sagte Julia leise, »wir wissen nicht einmal, ob die beiden den letzten Dämonenangriff überlebt haben.«

»Verdammt!«, stieß Rupert hervor. »Ach, verdammt noch mal! Tut mir Leid, Julia. Ich vergesse immer wieder, dass so viele Freunde in so kurzer Zeit den Tod fanden.«

Julia legte einen Arm um Ruperts Schultern, und er zog sie an sich. Eine Weile standen sie so da, genossen den Sonnenschein und atmeten in tiefen Zügen die frische Waldluft ein, ganz dem Morgen hingegeben, damit sie die Schrecken der Nacht vergessen konnten.

»Es ist schwer zu glauben, dass endlich alles vorbei ist«, meinte Rupert.

»Es ist nicht vorbei«, sagte eine leise Stimme. Rupert und Julia fuhren herum und warfen einen Blick auf König Johann, der allein am Rande der Lichtung saß und mit leeren Augen zu Boden starrte. »Der Dämonenfürst ist nicht tot. Der Regenbogen trieb ihn zwar in die Finsternis zurück, aus der er kam, aber da der Astrologe und ich ihn auf die Erde riefen, können nur wir ihn für immer vertreiben. Eines Tages wird der Dämonenfürst zurückkehren. Und wenn es hunderte von Jahren dauert, er wird zurückkehren.«

Rupert und Julia warteten geduldig, aber der König sagte nichts mehr. Während der ganzen Zeit hatte er kein einziges Mal die Stimme erhoben oder sie angeschaut.

»Nun«, meinte Rupert schließlich, »selbst wenn das stimmen sollte, Vater, und der Dämonenfürst irgendwann in ferner Zukunft zurückkehren wird – dann ist es nicht an uns, dieses Problem zu lösen. Wir müssen nur dafür sorgen, dass das Regenbogenschwert nicht verloren geht…«

»Genau«, bekräftigte Julia. »Wir haben das Waldkönigreich gerettet. Das zählt und sonst nichts.« Sie unterbrach sich plötzlich und warf Rupert einen fragenden Blick zu.

»Rupert…«

»Ja?«

»Darf ich dich etwas fragen?«

»Warum denn nicht?«

»Weshalb sagtest vor einiger Zeit, dass der Zauber des Regenbogenschwerts nicht mehr wirke?«

Rupert lächelte verlegen. »Der Drache sagte mir einmal, am Ende des Regenbogens könne mein Herzenswunsch in Erfüllung gehen – obwohl ich ihn nicht unbedingt als solchen erkennen würde. Als ich das erste Mal zum Regenbogen-Lauf ansetzte, wünschte ich mir von ganzem Herzen, dich und meine Freunde vor der Finsternis zu retten. Dieser Wunsch wurde mir erfüllt. Bei meinem zweiten Versuch, das Regenbogenschwert einzusetzen, drunten im Kupferbergwerk, wollte ich nur meine eigene Haut retten. Deshalb wirkte der Zauber nicht. Diesmal dachte ich überhaupt nicht an mich; ich wollte nur dich und die anderen vor dem Dämonenfürsten schützen. Den Erfolg hast du miterlebt. Eigentlich ganz einfach, wenn man ein wenig darüber nachdenkt.«

»Hätte dir das nicht ein wenig früher einfallen können, wenn es so einfach ist?«

»Tut mir Leid, ich hatte in letzter Zeit so viel um die Ohren.«

Sie sahen sich lächelnd an und fuhren dann herum, als unvermittelt ein lang gezogenes, lautes Dröhnen die Morgenstille zerriss und den Gesang der Vögel zum Verstummen brachte. Die Luft flimmerte und teilte sich, und aus einem silbernen Tunnel, der sich in endlose Fernen erstreckte, schwebte der Große Zauberer. Er landete elegant, und der Riss im Kontinuum schloss sich hinter ihm. Rupert und Julia stürmten unter lautem Jubel auf ihn zu und klopften ihm abwechselnd auf den Rücken, bis alle drei erschöpft waren. Dann trat Rupert einen Schritt zurück, und sein Lächeln erstarrte, als er den Zauberer genauer betrachtete. Haare und Schnurrbart des Magiers waren schlohweiß, und er wirkte älter und gebrechlicher als je zuvor.

»Sir Zauberer«, begann Rupert stockend. »Sie sehen… äh…«

»Ja, ich weiß«, entgegnete der Zauberer trocken. »Das kommt davon, wenn man ehrbar und alkoholfrei lebt!«

Rupert musste gegen seinen Willen lachen. »Also schön.

Was geschah auf der Burg, nachdem wir sie verlassen hatten?

Als Letztes sahen wir Dämonenhorden, die sich über die Burgmauer schwangen.«

Der Zauberer zuckte lässig mit den Schultern. »Sie blieben nicht lange genug, um großen Schaden anzurichten. Wir zogen uns alle ins Innere der Burg zurück und stellten Wachen an den Barrikaden auf. Aber ohne die eiserne Faust des Höllenfürsten dauerte es nicht lange, bis die Dämonen in ihr früheres Verhalten zurückfielen und sich wie Bestien ohne Sinn und Verstand benahmen. Sie fielen übereinander her, und die meisten brachten sich gegenseitig um. Mit dem Rest hatten die Wachen leichtes Spiel. Und die wenigen, die fliehen konnten, werden wohl nicht lange überleben, nun da die Finsternis gebannt ist.« Er stockte und sah Rupert forschend an. »Aber wie gelang es Ihnen eigentlich, den Dämonenfürsten zu besiegen?«

»Damit«, entgegnete Rupert schlicht und streckte dem Zauberer sein Schwert entgegen. »Ich fand es am Ende des Regenbogens.«

Der Zauberer sah ihn durchdringend an. »Und warum erfahre ich jetzt erst, dass Sie das Regenbogenschwert besitzen?«

»Wir wissen nicht genau, ob der Dämonenfürst tot ist«, warf Julia hastig ein. »König Johann behauptet, wir hätten ihn lediglich vertrieben.«

Der Große Zauberer runzelte nachdenklich die Stirn. »Bei einem Wesen wie dem Herrn der Finsternis muss man alles in Frage stellen. Da er nie geboren wurde, kann er wohl auch nie richtig sterben. Vielleicht sollte ich mich näher mit diesem Problem befassen.«

Sie schwiegen und betrachteten die Landschaft. Die Farben waren zurückgekehrt, und von überall drang der Gesang der Vögel, das Summen der Insekten und das Rascheln der scheuen Waldtiere auf sie ein.

»Ich sehe zu meiner Freude, dass Sie wieder im Besitz Ihrer magischen Kräfte sind, Sir Zauberer«, sagte Rupert schließlich.