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»Ja.« Der Zauberer grinste. »Das war kein schlechter Teleport, was? Nun, da die Wilde Magie ihre Macht verloren hat, habe ich den Rest meiner Fertigkeiten wieder voll im Griff.«

»Wie steht es auf der Burg?«, erkundigte sich Julia. »Gab es viele Verluste?«

»Einige«, berichtete der Große Zauberer. »Vor allem die Verteidiger auf den Wehrgängen fielen den anstürmenden Dämonen zum Opfer. Aber die meisten von uns blieben unversehrt. Als ich nach hierher aufbrach, begann gerade das große Aufräumen.«

»Das kann eine Weile dauern«, meinte Rupert.

»Ach, ich weiß nicht«, widersprach Julia. »Harald wird die Leute schon in Trab halten.«

Rupert musste lachen. Er kannte die Vorliebe seines Bruders, die Arbeit der anderen zu organisieren. Dem Zauberer fielen die Blicke auf, die zwischen Rupert und Julia hin und her gingen, und er grinste breit.

»Gehe ich recht in der Annahme, dass Haralds Hochzeit geplatzt ist, Rupert?«

»Allerdings«, erklärte Rupert mit Nachdruck. »Julia und ich…«

»Ich bin ja nicht blind«, sagte der Zauberer. »Und ich hoffe von ganzem Herzen, dass ihr glücklich werdet.«

»Moment mal«, warf Julia ein. »Werde ich denn überhaupt nicht gefragt?«

»Nein«, sagte Rupert und küsste sie rasch, ehe sie protestieren konnte. Es dauerte ziemlich lange, bis sie sich aus seinen Armen löste.

»Das zahle ich dir heim«, drohte sie und küsste ihn ihrerseits ausgiebig. Der Große Zauberer wartete eine Weile, bis ihm klar wurde, dass er für die beiden nicht mehr existierte, und schlenderte dann zu König Johann hinüber. Lange starrte er wortlos in die Ferne.

»Johann…«

»Ich weiß. Du verlässt uns wieder, stimmt's?«

»Ja«, sagte der Große Zauberer. »Ich bringe dich per Teleport zurück auf die Burg, und dann mache ich mich auf den Weg. Die Magie verschwindet aus der Welt, und meine Jahre holen mich allmählich ein.«

»Selbstmitleid?«, fragte der König.

Der Zauberer lächelte müde. »Nur eine kleine Anwandlung. Im Grunde kann ich mich nicht beklagen. Wenigstens habe ich ein letztes großes Abenteuer erlebt.«

»Ein letztes großes Abenteuer«, wiederholte der König.

»Ja. Das ist kein schlechter Weg, das Leben zu beenden. Ich kehre auch nicht in die Residenz zurück. Du weißt, dass Thomas Grey tot ist?«

»Ja«, sagte der Zauberer. »Ich weiß es.«

»Er hat sich gegen mich gewandt und das Land verraten, und am Ende sagte er, das sei alles meine Schuld. Ich komme immer mehr zu der Überzeugung, dass er vermutlich Recht hatte. Dass ich Thomas zu sehr vertraute, war nur einer der vielen Fehler, die ich beging. Ich kehre nicht in die Residenz zurück.

Ich wollte ohnehin nie König sein. Die viele Arbeit, die Probleme, die ständige Verantwortung… ich tat mein Bestes, aber irgendwie war es nie genug. Und jetzt benötigt das Waldkönigreich mehr denn je einen starken Herrscher. Es gibt so viel zu tun. Der Wiederaufbau der Städte und Dörfer, das Einbringen und Verteilen der spärlichen Ernte… und die Barone müssen zur Vernunft gebracht werden, damit im Land endlich wieder Ordnung einkehrt. Aber ich schaffe das nicht mehr. Soll ein anderer die Zügel übernehmen… Harald, Rupert – jeder von ihnen würde einen guten König abgeben.

Ich will nur noch allein sein. Vielleicht finde ich hier im Wald ein wenig Frieden, ein wenig Versöhnung. Vielleicht gelingt es mir, irgendwie mit der Erinnerung daran zu leben, was ich getan und was ich nicht getan habe.«

»Johann…«

»Leb wohl, Zauberer. Ich nehme keinen Abschied von Rupert und Julia, weil ich sonst vielleicht nicht mehr den Mut zum Gehen aufbringe. Grüß sie von mir. Ich werde sie nicht Wiedersehen.«

Mit einem Lächeln verließ er die Lichtung und betrat den Wald. Der Zauberer sah ihm ruhig nach, bis er in den dunkelgrünen Schatten verschwunden war. Rupert und Julia bemerkten plötzlich, dass der König nicht mehr da war, und eilten zum Zauberer hinüber.

»Wo ist mein Vater?«, fragte Rupert.

Der Große Zauberer drehte sich um und verneigte sich formell. »Ihr Vater ist tot, Rupert. Der König ist tot. Lang lebe König Rupert vom Waldreich!«

Um drei Uhr morgens lag auf der Burg alles in tiefem Schlaf.

Der Nachthimmel war mit Sternen übersät, und der Vollmond tauchte den verlassenen Burghof in helles Licht. Ein paar erschöpfte Männer patrouillierten auf den Wehrgängen und bewachten das Torhaus, aber im Hof rührte sich nichts. Rupert schlich lautlos die Treppe des Haupteingangs hinunter, überquerte hastig das mondbeschienene Kopfsteinpflaster und verbarg sich in den Schatten des inneren Westwalls. Dicht an das Mauerwerk gepresst, wartete er, bis sich seine Augen an den Lichtwechsel gewöhnt hatten und sein Atem wieder ruhiger ging. Die Wachtposten gingen langsam ihre Runden und hielten hin und wieder an, um in den Wald hinaus zu spähen. Keiner von ihnen kümmerte sich um den Burghof.

Rupert atmete noch einmal tief durch und rückte den schweren Sack, den er auf dem Rücken schleppte, etwas bequemer zurecht. Dann lief er im Schatten des inneren Walls zum alten Pferdestall. Er klopfte in einem bestimmten Rhythmus ans Tor. Ein Flügel schwang einen Spalt breit nach innen und schloss sich hinter ihm.

Julia nahm den Blendschutz von ihrer Laterne. Rauchig gelbes Licht erfüllte den Stall. Zwei gesattelte Pferde warteten geduldig in ihren Boxen, während das Einhorn nervös den Mittelgang entlang spähte. Rupert warf einen raschen Blick auf die Fensterläden, um sich zu vergewissern, dass sie kein Licht durchließen. Dann lehnte er sich erleichtert gegen das Stalltor.

»Du kommst spät!«, flüsterte Julia. »Wo warst du denn so lange?«

»Es gab noch einiges zu erledigen.«

»Zum Beispiel?«

»Ich habe das Regenbogenschwert ins Arsenal gebracht.

Nur für den Fall, dass Vater Recht hatte und der Dämonenfürst eines Tages zurückkehrt.«

Julias Miene entspannte sich. »Gut. Das Zauberschwert nützt ihnen wahrscheinlich mehr als uns. Ich hoffe, du hast dir eine andere Waffe besorgt.«

»Natürlich.«

»Und die Torwachen?«

»Alles Leute, die mir treu ergeben sind. Ach ja, noch eines: Der Drache wartet im Wald auf uns. Nun beruhige dich endlich, Julia, es geht bestimmt alles gut! Bist du fertig?«

»So gut wie. Hast du schon entschieden, wohin wir uns begeben?«

»Nicht so richtig. Zuerst müssen wir aus diesem Tollhaus verschwinden. Der König ist noch keine vierundzwanzig Stunden tot, und schon versammeln sich die Geier! Der Hof ist in jede Menge Parteien aufgesplittert. Je eher ich mich aus dem Staub mache, desto besser.«

»Und wenn sie uns verfolgen?«

»Das kann ich mir nicht vorstellen«, meinte Rupert achselzuckend. »Ohne mich hat Harald leichtes Spiel. Wenn ich bliebe, müsste er mich wohl ins Exil schicken. Oder umbringen.«

»Wenn ihr euch nicht bald zum Aufbruch entscheidet, stöbert uns hier jemand auf«, zischte das Einhorn. »Und dann lässt Harald euch wahrscheinlich als Pferdediebe hängen.«

»Harald wird uns doch die beiden Gäule gönnen«, widersprach Rupert. »Zumindest kann ich mir nicht vorstellen, dass er uns deshalb verfolgen lässt.«

»Und überhaupt – wozu braucht ihr zwei Pferde?«, fragte das Einhorn gekränkt. »Der Zauberer hat mich vor seinem Aufbruch wieder gut in Schuss gebracht. Ich sehe keinen Grund, weshalb Rupert meinen Rücken verschmäht.«

»Äh…« Rupert kam ins Stammeln. »Es gibt einen Grund…«

»Tatsächlich? Und der wäre?«

»Ich kann kein Einhorn mehr reiten«, sagte Rupert verlegen. »Siehst du, Julia und ich…«

»Schon begriffen«, unterbrach ihn das Einhorn. »Ihr beide habt die Nacht durchgemacht, was?«

»Wir möchten dennoch, dass du mit uns kommst«, erklärte Rupert. »Ich hatte versprochen, nach deiner früheren Herde zu suchen, erinnerst du dich noch?«