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Rupert und Julia wechselten einen Blick. Dann huschte Rupert zur geschlossenen Stalltür, um nach draußen zu horchen, während Julia die Laterne abdunkelte. Einen Moment lang waren nur das unruhige Scharren der Pferde und das Raspeln von Stahl auf Leder zu hören, als Rupert und Julia ihre Schwerter zogen.

»Hörst du etwas?«, flüsterte Julia.

»Nichts.«

»Ich will jetzt endlich weg von hier, Rupert!«

»Ich auch. Fertig?«

»Fertig.«

Rupert zog die Stalltür auf und stürmte auf den mondbe­

schienenen Hof hinaus, dicht gefolgt von Julia. Vor dem Stall durchsuchten ein Dutzend Kobolde die Taschen von einem halben Dutzend bewusstlosen Wachsoldaten nach Beute. Der kleinste Kobold schaute erschrocken auf und grinste breit, als er Rupert erkannte.

»Hallo, Prinzchen! Wie geht es immer?«

»Bei deinem Anblick sehr viel besser.« Rupert schob das Schwert ein. »Aber sollten wir die Leute da nicht besser in eine dunkle Ecke schaffen, wo sie weniger auffallen?«

»Eins nach dem anderen«, meinte der kleinste Kobold und zerrte an einem widerspenstigen Siegelring. »Die Einzigen, die uns entdecken könnten, sind die Männer auf den Wehrgängen, und ich habe ein paar von meinen Jungs damit beauftragt, sie zu beschäftigen.«

»Und was habt ihr mitten in der Nacht hier draußen gesucht?«, erkundigte sich Julia, die immer noch ihr Schwert fest umklammert hielt. Sie ließ ihre Blicke argwöhnisch über den Hof schweifen und starrte einen Kobold, der ihr zu nahe kam, drohend an. Der kleine Krieger zog sich hastig zurück.

Der kleinste Kobold betrachtete triumphierend den Siegelring, der nun an seinem Daumen prangte, und wandte sich dann ein wenig verlegen an Rupert. »Also, um ehrlich zu sein, ihr seid nicht die Einzigen, die einen Mondschein-Rückzug geplant haben. Wir brauchten nicht viel Weitblick, um uns auszumalen, dass wir nach Beendigung der Schlacht hier so erwünscht wie eine Tollwut-Epidemie wären. Deshalb beschlossen wir, unsere Familien zu versammeln, ein paar nette Kleinigkeiten mitzunehmen und uns aus dem Staub zu machen. Es gibt für uns wirklich keinen Grund, noch länger hier zu bleiben. Du warst der Einzige am Hof, der sich je Zeit für uns nahm. Und nun, da dein Bruder den Thron besteigen wird… Jedenfalls sahen wir, dass die Sache dumm für dich ausgehen konnte, und beschlossen, dir zu helfen. Schon der alten Zeiten wegen.«

»Vielen Dank«, sagte Rupert. »Wohin wollt ihr überhaupt?«

»Zurück in den Wald. Städte und Dörfer sind nicht unser Ding. Zu viele Mauern machen uns nervös. Außerdem habe ich ein paar großartige neue Strategien für Überfälle auf wehrlose Reisende entwickelt. Schuster, bleib bei deinen Leisten, sage ich immer.«

»Na, dann viel Glück!« Rupert streckte die Hand aus. Der kleinste Kobold stellte sich auf die Zehenspitzen und schüttelte sie kräftig.

»Dasselbe für dich, Prinzchen! Du bist schwer in Ordnung, für einen Menschen, meine ich.«

Er pfiff die anderen Kobolde herbei und wies sie an, die bewusstlosen Wachen von der Stalltür weg in den Schatten des inneren Walls zu schleifen. Sekunden später war der Platz vor dem alten Pferdestall leer. Der kleinste Kobold salutierte zackig, warf Julia eine Kusshand zu und verschwand ebenfalls in den Schatten.

»Verschwinden wir endlich«, meinte Julia. »Hier geht es ja zu wie an einem Markttag.«

Rupert nickte lachend, und gemeinsam eilten sie in den Stall zurück. Julia führte die Pferde auf den Hof, während Rupert seinen Bruder gründlich fesselte und knebelte. Anschließend warf er ihn in eine dunkle Ecke des Stalls, die rein zufällig besonders schmutzig war, winkte das Einhorn zu sich und folgte Julia ins Freie. Obwohl sie die Hufe der Tiere mit Sackleinen umwickelt hatten, um den Lärm zu dämpfen, fühlte sich Rupert im hellen Mondlicht wie auf dem Präsentierteller. Er spähte umher, nahm die Zügel seines Pferdes und führte es langsam über den Hof zum Bergfried. Gleich dahinter kam Julia mit ihrem Pferd, während das Einhorn die Nachhut bildete. Selbst das leiseste Geräusch wirkte in der Stille unnatürlich laut, und Rupert hoffte von ganzem Herzen, dass die Männer auf den Wehrgängen noch von den Kobolden abgelenkt wurden. Julia schloss zu ihm auf, als sie sich dem Bergfried näherten. Vier Wachen standen mit erhobenen Piken vor dem geschlossenen Tor.

»Sind das deine Leute, Rupert?«, fragte Julia leise.

»Ja.«

»Hältst du sie wirklich für zuverlässig?«

»Und ob! Sie sind mit mir aus dem Dunkelwald zurückgekehrt. Ihnen könnten wir unser Leben anvertrauen.«

»Das tun wir bereits«, bemerkte das Einhorn spitz.

Die Wachleute nickten Rupert ehrerbietig zu und senkten ihre Piken.

»Wir dachten schon, Ihnen sei etwas zugestoßen, Sire«, sagte Bob Hawke.

»Ich hatte noch ein paar Kleinigkeiten zu erledigen«, entgegnete Rupert. »Hier alles in Ordnung?«

»Bis jetzt schon. Sie haben alles, was Sie brauchen?«

»In etwa.«

»Dann kommen Sie, bevor der Wachoffizier seine Runde macht!«

Die vier Männer schoben die schweren Eisenriegel zurück und öffneten die schweren Eichenflügel. Das alte Holz war angesengt und an manchen Stellen zersplittert, aber das Tor hatte dem Ansturm der Dämonen standgehalten. Die Wachen kamen zurück, und Rupert reichte jedem von ihnen die Hand.

»Viel Glück, Sire«, sagte Hawke.

»Danke, das werden wir brauchen«, erwiderte Rupert.

»Mein Bruder nimmt übrigens eine kleine Auszeit drüben im alten Stall. Wenn ihr später mal nach ihm sehen könntet…«

»Gern«, sagte Hawke. »Aber das eilt nicht, oder?«

»Nein.« Rupert sah ihn besorgt an. »Ich hoffe, ihr bekommt keine Schwierigkeiten, weil ihr uns passieren lasst.«

»Das glaube ich kaum.« Hawke grinste breit. »Hier geht alles so drunter und drüber, dass keiner so recht weiß, wo er Dienst tun soll. Das gilt insbesondere für die Wachen.«

»Hört mal«, schlug Rupert vor, »ich nehme euch gern mit, wenn ihr wollt.«

»Nett von Ihnen«, sagte Hawke höflich, »aber wir bleiben lieber hier. Wenn der neue König das Reich wieder aufbauen will, wird er alle Leute brauchen, die mit einer Waffe umgehen können. Und das bedeutet Beförderungen und mehr Sold für alte Hasen wie uns. Außerdem dürfen Sie nicht vergessen, dass wir jetzt Grundbesitzer sind. Sie selbst hatten uns das Land versprochen, und König Johann unterzeichnete die Schenkungsurkunden, bevor er in die letzte Schlacht zog.

Wer weiß, vielleicht werden unsere Nachkommen mal Gutsbesitzer oder gar Barone.«

»Das brächte das Königreich mal auf Zack«, meinte Rupert, und die Männer brachen in Gelächter aus.

Rupert und Julia schwangen sich auf die Pferde und ritten durch den Bergfried, dicht gefolgt von Sturmwind. Die Tore schlossen sich langsam hinter ihnen, nachdem sie das hochgezogene Fallgitter passiert hatten und auf die Zugbrücke ritten. Das Eis des Burggrabens war geschmolzen, aber das Monster ließ sich nirgends blicken. Rupert drängte zur Eile, und schon bald hatten sie die Bäume am Rand der Lichtung erreicht. Hinter ihnen wurde lautlos die Zugbrücke nach oben geklappt. Ein Glück, dass mir noch einf iel, die Rollen schmieren zu lassen, dachte Rupert. Gewöhnlich knirschen die verdammten Dinger so laut, dass die ganze Burg davon wach wird. Ihm kam der Gedanke, dass dies wohl der letzte Befehl war, den er erteilt hatte. Er wusste nicht recht, ob er das bedauern oder begrüßen sollte, aber dann überwog die Erleichterung. An der Spitze des kleinen Zuges drang Rupert in den Wald ein, bis zu einer Stelle, die man von der Burg aus nicht mehr sehen konnte. Dort zügelte er sein Pferd. Julia und das Einhorn hielten ebenfalls an.

»Drache?«, rief Rupert leise. »Wo bist du?«