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Der Schlingpflanzenwald war keine sichere Barriere mehr.

Achtung, Dämonen!

Rupert verdrängte seine Furcht und umfasste das Schwert fester. Das solide Gewicht des Stahls beruhigte ihn, und er ließ die blitzende Klinge vor sich auf und nieder sausen.

Dann warf er einen finsteren Blick auf die dunklen Wolken, die den Himmel bedeckten; ein anständiger Sonnenstrahl hätte das Ding sofort in die Flucht getrieben, aber wie immer klebte Rupert das Pech an den Fersen.

Es ist doch nur ein Dämon, dachte er grimmig. Ich stecke von Kopf bis Fuß in einer Rüstung und weiß mit dem Schwert umzugehen. Dieser Dämon kann mir nichts anhaben!

»Einhorn«, sagte er ruhig, während er in die Schatten starrte, wo er den Dämon zuletzt gesehen hatte, »du versteckst dich am besten hinter einem Baum und hältst dich vom Kampfgetümmel fern! Ich will nicht, dass dir etwas zustößt.«

»Schon geschehen!«, entgegnete eine gedämpfte Stimme.

Rupert drehte sich um und entdeckte das Einhorn in beträchtlicher Entfernung hinter einem dicken Baumstamm.

»Nett von dir«, sagte Rupert. »Und was ist, wenn ich deine Hilfe brauche?«

»Dann hast du ein Problem«, erklärte das Einhorn entschieden, »denn ich denke nicht daran, mich von der Stelle zu rühren. Ich erkenne jeden Dämon von weitem am Geruch.

Wusstest du übrigens, dass Dämonen Einhörner fressen?«

»Dämonen fressen alles«, sagte Rupert.

»Eben«, erwiderte das Einhorn und verschwand aus seinem Blickfeld.

Nicht zum ersten Mal schwor sich der Prinz, den Typen aufzusuchen, der ihm das Einhorn angedreht hatte, und ihm die Finger und Zehen einzeln abzuhacken.

Er vernahm ein leises Scharren zu seiner Linken und wollte sich eben umdrehen, als der Dämon ihn von hinten ansprang. Durch die schwere Rüstung bekam Rupert das Übergewicht und kippte nach vorn in den zähen Schlamm. Der Aufprall war so hart, dass ihm die Luft wegblieb und das Schwert seiner ausgestreckten Hand entglitt. Er erspähte einen Moment lang ein missgestaltetes dunkles Etwas, das ihn bei weitem überragte, und dann landete ein Zentnergewicht auf seinem Rücken. Eine Klauenhand packte ihn im Nacken und drückte ihm das Gesicht nach unten, bis ihm der Schlamm in die Augen drang. Er ruderte verzweifelt mit den Armen und bemühte sich, wieder auf die Beine zu kommen, aber seine eisengenieteten Stiefel schlitterten nur hilflos durch den Morast. Die Lungen schmerzten ihn; er japste nach Luft, und die Dreckbrühe floss ihm in den weit aufgerissenen Mund.

Panik erfasste ihn, während er vergeblich versuchte, den Angreifer abzuschütteln. Ihm wurde schwindlig, und der Kopf begann zu dröhnen, als die letzte Luft aus dem Brustkorb entwich. Dann merkte er, dass einer seiner Arme unter dem Harnisch eingeklemmt war. In einer plötzlichen Eingebung benutzte er ihn als Hebel, warf sich mit einem Ruck auf den Rücken und begrub den zappelnden Dämon unter dem Gewicht seiner Rüstung.

Lange, köstliche Augenblicke lang lag er einfach da, atmete stoßweise und rieb sich den Schlamm aus den Augen. Er rief das Einhorn laut um Hilfe, aber es antwortete nicht. Der Dämon trommelte mit plumpen Fäusten wütend auf die Rüstung ein, und dann tastete eine Klauenhand nach oben und schnellte Rupert ins Gesicht. Ein schmerzerfülltes Stöhnen entrang sich seiner Brust, als die Krallen wie Messer den Wangenknochen entlangfuhren. Er versuchte verzweifelt, sein Schwert zu erreichen. Der Dämon nutzte die Bewegung, um sich unter ihm hervorzuwinden. Rupert rollte rasch zur Seite, packte sein Schwert und schaffte es, trotz des saugenden Morasts auf die Beine zu kommen. Das Gewicht seiner Rüstung machte jede Bewegung zu einer Qual, und Blut strömte ihm über Gesicht und Hals, während er wankend vor dem geduckten Dämon stand.

Sein Gegenüber hätte trotz seines grotesk verzerrten Äußeren in fast allem als Mensch durchgehen können, aber ein Blick in die hungrigen pupillenlosen Augen gab das Böse preis, das sich in ihm verbarg. Dämonen töteten, um zu leben, und lebten, um zu töten – abgrundtiefe Finsternis, losgelassen auf das Land. Rupert umklammerte sein Schwert fester und zwang sich, in dem Scheusal nichts anderes zu sehen als einen beliebigen Gegner. Der Dämon war stark, schnell und tödlich, aber das konnte Rupert auch von sich behaupten, wenn er einen klaren Kopf behielt. Er musste zunächst einmal dafür sorgen, dass er festen Boden unter die Füße bekam; der glitschige Schlamm verschaffte dem Gegner zu viele Vorteile. Er tat vorsichtig einen Schritt nach vorn; der Dämon fuhr gierig die Klauen aus, und ein breites Grinsen legte zwei Reihen spitzer Sägezähne frei. Rupert zerschnitt mit dem Schwert mehrmals die Luft, und der kalte Stahl schien dem Gegner so viel Respekt einzuflößen, dass er ein Stück zurückwich. Als Rupert auf seiner Suche nach sicherem Untergrund an dem nachtdunklen Geschöpf vorbeispähte, sah er plötzlich etwas, das ihm ein zittriges Lächeln entlockte. Zum ersten Mal hatte er das Gefühl, dass er in dem Kampf Sieger bleiben könnte.

Er packte das Schwert mit beiden Händen, holte tief Luft und rannte dann mit voller Wucht auf den geduckten Dämon zu. Er wusste, dass er ein toter Mann wär, wenn er zu früh stolperte und fiel. Der Dämon tat noch einen Schritt rückwärts, bis er außer Reichweite der Schwertspitze war. Rupert setzte nach, ängstlich darauf bedacht, in dem trügerischen Morast den Halt nicht zu verlieren. Der Dämon grinste und sprang erneut zurück, mitten in das dichte Netz, das den Weg versperrte. Rupert kam schlitternd zum Stehen, holte mit dem Schwert zum Todesstoß aus – und erstarrte entsetzt, als sich die dicken, milchigen Fäden des Netzes um den Dämon wickelten. Der Dämon zerrte wütend an den Strängen und fletschte dann in lautloser Pein die Fänge, als das Netz eine klare, zähe Flüssigkeit absonderte; wo sie zu Boden tropfte, stieg Rauch auf. Angewidert und fasziniert zugleich beobachtete Rupert, wie der matt um sich schlagende Dämon in einem riesigen pulsierenden Kokon verschwand, der ihn von Kopf bis Fuß umhüllte. Die letzten zuckenden Bewegungen erstarben rasch, als das Gespinst sein Mahl verzehrte.

Rupert senkte müde sein Schwert und stützte sich darauf, um den schmerzenden Rücken zu entlasten. Blut lief ihm in den Mund, und er spuckte es aus. So also sah ein Held aus!

Mit einem säuerlichen Grinsen begann er Bestandsaufnahme zu machen. Die prächtige, auf Hochglanz polierte Rüstung war mit halb getrocknetem Schlamm verschmiert und wies tiefe Kratzspuren von den Klauen des Dämons auf. Sämtliche Glieder taten ihm weh, und der Schädel dröhnte ihm. Er tastete mit zitternder Hand nach seinem Gesicht und zuckte zusammen, als er frisches Blut auf seinem Kettenpanzer-Handschuh entdeckte. Beim Anblick von Blut, insbesondere seinem eigenen Blut, war ihm schon immer schlecht geworden. Er schob das Schwert in die Scheide und setzte sich schwerfällig am Wegrand nieder, ohne auf den schmatzenden Schlamm zu achten.

Alles in allem, fand er, hatte er sich ganz wacker geschlagen. Es gab nicht viele Menschen, die einem Dämon begegneten und der Nachwelt davon berichten konnten.

Rupert warf einen Blick auf den mittlerweile reglosen Kokon und schnitt eine Grimasse. Nicht unbedingt die heldenhafteste Art, einen Gegner zu besiegen, und ganz sicher nicht die ritterlichste, aber der Dämon war tot und er am Leben, und genau das hatte er bezweckt.

Er streifte die Handschuhe ab und untersuchte mit bloßen Fingern vorsichtig die Verletzungen im Gesicht. Breite, tiefe Risse verliefen vom äußeren Augenwinkel bis zum Mund.

Die musst du auswaschen, dachte er halb betäubt, sonst riskierst du eine Inf ektion! Er schüttelte den Kopf und sah sich um. Während des Kampfes hatte es zwar zu regnen aufgehört, aber die Sonne senkte sich bereits dem Horizont entgegen, und die Schatten nahmen zu. Die Nächte brachen in jüngster Zeit immer früher herein, und das zu Beginn des Sommers.